Auf der Suche nach der Zukunft
Andreas Burkard25 Jahre ist es seit der Veröffentlichung von Acrobat 1.0 her. Es war der Startschuss einer faszinierenden Entwicklung. Unter der Federführung von John Warnock und Chuck Geschke entwickelte sich das Portable Document Format nach den Bedürfnissen des Marktes. So wurde mit PostScript frühzeitig der digitale Workflow für die Druckindustrie bis hin zur Ausgabe realisiert.
Ausserhalb der Druckbranche zeigten Ende der Neunzigerjahre E-Mail und Internet die Notwendigkeit eines zuverlässigen Austauschformats. Der kostenlose Adobe Reader wurde weltweit fester Bestandteil auf praktisch jedem Rechner. Mit Energie, Einfallsreichtum und den nötigen Mitteln integrierte Adobe alle möglichen Anforderungen in das zunehmend beliebte PDF. Es folgten etliche Standardisierungen und Richtlinien für unterschiedliche Nutzungen. Dazu gehören PDF/X, PDF/A, PDF/E, PDF/VT, PDF/UA.
Am Ende dieser Zeitreise kamen mobile Geräte und die Cloud. Mobile Geräte führen die Benutzer gut umgarnt zurück in geschlossene Systeme. PDF auf Desktop und PDF auf Mobile – das können plötzlich zwei Dinge sein. Lesegewohnheiten auf Mobile sind nicht gleich wie auf dem Desktop. Das PDF ist erneut gefordert. Wobei die Wünsche von Organisationen und Anwendern bezüglich der Weiterentwicklung weit auseinandergehen.
Knacknuss Lauffähigkeit
Ein Browser auf Desktoprechnern kann als offene Lösung bezeichnet werden. Ein W3C-Gremium, eine Vielzahl von Webbrowsern und eine offene Systemarchitektur sorgen nicht nur für eine zuverlässige Darstellung, sondern auch für Wettbewerb.
Eine klassische PDF-Datei wird zwar auch auf den mobilen Geräten dargestellt. Doch die weit verbreitete Kundenerwartung, dass ein mit Interaktion angereichertes PDF auf allen Geräten genutzt werden kann, ist Wunschdenken. Die Betriebssysteme der mobilen Endgeräte sind für PDF-Lösungen heute plötzlich hinderlich. Die gleiche Darstellung auf allen Geräten, die Lauffähigkeit sowohl auf Desktop als auch auf Mobile, ist keine Selbstverständlichkeit. JavaScript wird auf die Probe gestellt. Flash gar ausgemustert.
Videos verdeutlichen diese Problematik gut. Ein heute gängiges Format für Video ist MPEG4. InDesign kann man eine solche Videodatei platzieren und über das Bedienfeld Medien mit Steuerelementen versehen. Mit Navigationspunkten besteht die Möglichkeit, das Video an einer bestimmten Position abzuspielen. Das Abspielen eines Videos ab einem Navigationspunkt erfolgt über eine Schaltfläche, wie sie InDesign kennt. Im Bedienfeld Schaltfläche und Formulare ist die Aktion Video abspielen vorhanden. Der Export aus InDesign erfolgt letztlich als Adobe PDF (interaktiv).
Auf dem Desktop funktioniert das Abspielen des Videos per Klick auf die Schaltfläche. Auf Mobile ist ein Medienbruch zu verzeichnen. Die iOS-Mail-App ignoriert gar die Darstellung des PDF. Dadurch ist es umständlich, das PDF überhaupt der App Adobe Acrobat Reader zuzuweisen. Ist dies dennoch geschafft, kann das PDF mit dem Video nicht abgespielt werden.
Für PDF gibt es mittlerweile eine Vielzahl anderer Apps, wie beispielsweise PDF Expert von Readdle. Diese App kann das Video mit Antippen abspielen. Der Versuch, das Video über die in InDesign angelegte Schaltfläche zu starten, scheitert jedoch auch da.
Adobe Acrobat auf Desktop verfügt über Rich-Media-Werkzeuge. Für reine Desktop-PDF-Lösungen kann man damit direkt im PDF-Dokument 3D-Modelle, Schaltflächen, SWF, Video oder Audio hinzufügen. Auf den mobilen Endgeräten wird dies in der Regel jedoch nicht unterstützt.
PDF-Formulare
Auch Formulare leiden unter der eingeschränkten Nutzung unter Mobile. Die Mobile-App Adobe Acrobat Reader kommt mit dem Kennwortschutz eines PDF-Formulars nicht klar. JavaScript in PDF-Formularen ist ein No-Go unter Mobile. Hier zeigt sich schnell, dass diese Formulare nur für Desktops ausgelegt sind.
Dynamische Formulare, die beispielsweise über Anwenderinteraktionen neue Felder oder Feldgruppen ein- und ausblenden können, sind weder unter iOS noch unter Android lauffähig. Das XFA-Modell dieser Formulare ist nicht kompatibel mit den mobilen Betriebssystemen. Der dynamische Renderingprozess oder das Weiterverarbeiten von Datenpaketen auf Basis von XDP (XML Data Package) können nur auf den offenen Desktoprechnern ausgeführt werden.
Barrierefreie PDF
Barrierefreiheit in PDF-Dokumenten ermöglicht Menschen mit Behinderung den Zugang zu Inhalten. Die wohl wichtigste Richtlinie für Barrierefreiheit sind Tags. Eine PDF-Datei muss über Tagstrukturen verfügen. Um hohen Anforderungen zu genügen, sollten diese Tagstrukturen jedoch gegliedert und vor allem in der logischen Reihenfolge sein.
Trotz Verbesserungen gibt es hier noch etliche Baustellen. Mehrseitige Dokumente können über unterschiedliche Gestaltungsobjekte wie Textspalten, Kastentexte, Infografiken, Bilder und Legenden aufgeteilt sein. In einem PDF ist es nach wie vor nicht möglich, einen Artikel über mehrere Seiten hinweg fortlaufend zu taggen, sodass zuerst der ganze Artikel und erst danach die anderen Elemente interpretiert werden. Die Zuweisung der Tags findet immer pro Seite statt, was bei einem mehrseitigen Dokument mit den erwähnten Elementen einen normalen Lesefluss verhindert.
Neu gibt es in Acrobat eine Anzeige von Tags mit Rollenzuordnung. Damit zeigt Acrobat in der Tagstruktur automatisch PDF-Standardtags anstelle der Originaltags an, sofern eine Rollenzuordnung mit dem Tagexport vorliegt. So wird der von InDesign übertragene Textexport zwar dargestellt, doch in Acrobat zeigt das Fenster TouchUp-Leserichtung bei den Tags nach wie vor eine nicht zugewiesene Span-Klassifikation an.
In Acrobat erfordert das manuelle Zuweisen der Tagstrukturen Erfahrung. Besonders störend ist der Umstand, dass man dabei die Arbeitsschritte nicht rückgängig machen kann. So sind bei der manuellen Nachbesserung der Tagstrukturen, der Taghierarchien und der Leserichtung in Acrobat etliche Besonderheiten zu verzeichnen, welche längst besser gelöst sein sollten.
PDF für Druck
Für den manuellen Eingriff in ein PDF-Dokument bietet Acrobat die Druckproduktion. Diese Werkzeuge können eine PDF-Datei kontrollieren und allenfalls korrigieren. Bei Acrobat DC setzt Adobe nun verstärkt auf die PDF-Kompetenz der Callas Software GmbH. Doch die Weiterentwicklungsprioritäten sind nicht in der Druckproduktion angesiedelt. Nach Neuerungen und Verbesserungen sucht man vergebens, obwohl durchaus Potenzial vorhanden wäre. Dazu gehören unter anderem die Preflights. Zwar sind diese mit allen möglichen Kriterien ausgestattet, doch manchmal erscheinen selbst bei einer erfolgreich gedruckten Datei verwirrende Fehlermeldungen.
Gerüstet mit einem neuen ISO-Standard wurde im letzten Jahr PDF 2.0 verabschiedet. Mit PDF 2.0 werden Altlasten entfernt, Standardisierungen und auch einige Verbesserungen, wie die der Transparenzverarbeitung vorgenommen. Dabei spricht man von Evolution und nicht von Revolution.
Mit PDF/X-6 soll dann auch ein neuer Standard folgen. Über die Notwendigkeit eines neuen PDF/X-Standards gehen die Meinungen jetzt schon weit auseinander. Immer wieder wird die Druckbranche für Versäumtes kritisiert. Lang ist die Liste, was angeblich alles verpasst wurde. Tatsache ist, die Zeitungen verlieren nach wie vor ihre Leserschaft. Internet und Mobile, kostenlose Inhalte und andere Lesegewohnheiten haben in den letzten Jahren alles auf den Kopf gestellt. Dagegen ist auch ein neuer PDF/X-Standard kein Wundermittel für mehr Wachstum in dieser gebeutelten Industrie.
Verfolgt man die Acrobat-Entwicklung, kann man zum Schluss kommen, dass die Prioritäten heute komplett anders gelagert sind. Die letzten Versionen waren geprägt durch Veränderungen der Benutzeroberfläche. Neuerungen und Verbesserungen in Acrobat sind rar geworden. Ausser bei der Document Cloud. Adobe hat sich offiziell einer Cloud-first-Strategie verschrieben.
Apps als Brücke zur Cloud
Die mobilen Betriebssysteme lassen vieles nicht zu. So macht Adobe jetzt vor allem über eigene Apps den Spagat zur internen Cloud. PDF soll vermehrt in die Document Cloud eingebunden werden. Für Abstimmungs-, Formular- und Signaturprozesse bietet Adobe Mobile-Apps mit cloudbasierten Lösungen an.
Als Teil der Adobe Document Cloud hat Adobe für PDF neue Apps entwickelt. Dazu zählen vor allem Adobe Scan und Adobe Fill&Sign. Adobe Scan macht auf dem Smartphone oder dem Tablet aus einer Aufnahme ein PDF. Dieses kann man in Adobe Scan beschneiden und in der Helligkeit bearbeiten. Die App kann nur in die Document Cloud speichern. Beim Hochladen in die Document Cloud – Onlineverbindung vorausgesetzt – wird nebenbei eine Texterkennung ausgeführt. Das macht die PDF-Datei durchsuchbar und Texte können in Acrobat bearbeitet oder exportiert werden. Doch zuerst muss dieses PDF den Weg zu Acrobat finden.
In Acrobat DC wählt man dazu im Bereich Start den Speicherort Document Cloud und kann dieses PDF dann aus der Document Cloud heraus öffnen. Für die Weiterverarbeitung stehen sämtliche Acrobat-Funktionen zur Verfügung. Danach kann das PDF entweder zurück in die Cloud oder lokal gespeichert werden. Über die Senden-Funktion der Document Cloud kann die Clouddatei als E-Mail-Anhang gesandt und weiterverfolgt werden.
Adobe Fill&Sign
Adobe Fill&Sign ist ein Dienst der Adobe Document Cloud, mit dem PDFs online ausgefüllt und signiert werden können. Als Basis für den Workflow mit dieser kostenlosen App dient eine gewöhnliche PDF-Datei. Ein in Acrobat mit Formularfeldern, Schaltflächen und allenfalls mit JavaScript erstelltes PDF-Formular lässt sich mit Fill&Sign nicht verwenden.
Zuerst muss sich ein Benutzer in der Adobe Document Cloud anmelden. Danach kann er einfach auf die Stelle im Dokument tippen, welche er mit Text befüllen möchten. Eine Unterschrift kann er von Hand oder per Stift auf dem Smartphone oder Tablet zeichnen, so wie man dies von Paketdiensten her kennt. Fill&Sign kann die Unterschrift für später speichern.
Am Schluss dieses Prozesses sendet man das befüllte PDF per E-Mail an einen Empfänger oder importiert es in eine der zahlreichen PDF-Apps wie den Adobe Acrobat Reader.
Zusätzlich gibt es die kostenpflichtige App Adobe Sign. Damit werden elektronische Signaturen hinzugefügt. Weiter bietet Adobe Sign Integrationsschnittstellen zu Unternehmenslösungen in Microsoft, Salesforce, Workday oder SAP Ariba. Damit können manuelle Abläufe im Geschäftsprozess lückenlos bis hin zur Signatur digital abgewickelt werden.
Auf dem Boden der Realität
Bei den erwähnten Apps handelt es sich vor allem um Spielereien. Sie sind wie so oft in anmutige Worthülsen gepackt. Solche Entwicklungen kommen aus einem Land, wo nicht lange nach Sinn und Zweck gefragt wird. Vielmehr geht es darum, neue Gebiete zu erforschen. Behaupten sich solche Apps, dann werden sie weiterentwickelt. Wenn nicht, dann sind sie morgen schon wieder weg.
Während Adobe Scan durchaus einen praktischen Nutzen aufweist und vor allem kinderleicht zu bedienen ist, stellt sich doch die eine oder andere Frage zu Adobe Fill&Sign und dessen Arbeitsablauf. Ausserhalb einer bekannten Anwendergruppe wird dieser Ablauf keine Akzeptanz finden. Zu kompliziert gestaltet sich der Vorgang über die Cloud. Ist der Empfänger überhaupt gewillt, sich in eine Document Cloud einzuloggen? Weiter stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, ein A4-Dokument auf dem Handy zu lesen und zu signieren. Digital Natives mögen dies selbst für das Geschäftsumfeld bejahen. Allerdings ist diese Zielgruppe nicht repräsentativ für die breite PDF-Anwenderschaft.
Zudem klaffen die Ansichten beim Thema Cloud nach wie vor auseinander. Viele Betriebe wollen heute bei einer Cloudlösung ganz genau wissen, wer dahintersteckt und wo ihre Daten letztlich geografisch gespeichert sind. Wohl keine Bank, keine Versicherung und keine Behörde wird ihre Dokumente mit Adobe Fill&Sign den Kunden über die Adobe Document Cloud zur Verfügung stellen. Dieser inszenierte Optimismus mit der Document Cloud ist über weite Strecken naiv.
PDF der nächsten Generation
Unter dem Begriff Next-Generation PDF werden Wünsche und Anregungen von der PDF Association zusammengetragen. Mit verbesserten Tagstrukturen könnte ein multichannelfähiges PDF weiterentwickelt werden. So wünschen sich manche Anwender responsives PDF. Dies würde den Inhalt auf den Geräten flexibel anpassen. Dann würde PDF plötzlich nicht mehr nur aus einer zuverlässigen Layouttreue bestehen. Andere Anwender möchten in PDF die volle HTML5-Integration, sodass die Interaktionen auf allen Geräten lauffähig werden. Über einen Algorithmus liesse sich aus getaggtem PDF eine HTML-Ausgabe ableiten. Das PDF selbst könnte alle Informationen zu einer Darstellung auf verschiedensten Geräten enthalten und bereitstellen. Laut Duff Johnson, Geschäftsführer der PDF Association, liesse sich dasselbe PDF zudem in gewohnter Qualität in verschiedene Druckverfahren ausgeben. PDF werde somit völlig unabhängig von einer Darstellungsform gemacht.
Doch sind solche Forderungen tatsächlich sinnvoll für PDF? Werden diese ganz neuen Ansätze letztlich von den Benutzern weltweit verstanden? Multimedia und PDF, passt das? Die Akzeptanz an eine Dateigrösse ist bekanntlich bei PDF nicht allzu hoch. Müsste da nicht nach neuen Lösungsansätzen, beispielsweise im Bereich ePub-Format, geforscht werden? Wie verhielte es sich mit der für PDF so wichtigen Abwärtskompatibilität?
Die Hersteller von neuen Geräten halten Adobe auf Trab. Die Gewohnheiten der Menschen im Umgang mit Informationen verändern sich laufend. Die Herausforderungen rund um das offlinefähige PDF sind gestiegen und Adobe geht davon aus, dass weltweit immer mehr Menschen die Dokumente in die Document Cloud senden.
«Wer hohe Türme bauen will, muss lange am Fundament verweilen» – das Fundament für PDF hat Adobe zweifellos robust erstellt. Der Turm wuchs über die Jahre in eine stattliche Höhe. Allerdings werden bald, nicht zuletzt auf Druck von Investoren, neue Stockwerke darauf erstellt. Ein Europäer mag dieses Aufbauen mit dem Turm von Babel in Verbindung bringen wollen. Doch im Land des Herstellers herrscht fester Glaube an Grösse, an laufenden Fortschritt und an seine Genies. Fest steht nur, das Thema PDF wird uns auch in nächster Zeit weiter beschäftigen. ↑
Andreas Burkard erstellt als Grafikdesigner Konzepte für Print, PDF und interaktive Medien. Seit vielen Jahren ist er in der Publishing-Ausbildung und deren Workflow engagiert. Er unterstützt Firmen in Konzeption und Schulung beim Aufbau ihrer eigenen Projekte.