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Das �perfekte� Fotobuch gestalten

Wer seine Bilder im Fotobuch so gestaltet, dass es aussieht wie der mit Postkarten und Zeichnungen verzierte häusliche Kühlschrank, der könnte einen Gang höher ­schalten. 

Ralf TurtschiIn der letzten Ausgabe ging es um die Planung und um konzeptionelle Fragen des Aufbaus, der Bildfolge und um Kapiteltitel. Diesmal zeige ich gestalterische Ansätze, die zu einem gelungenen Fotobuch führen. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt nicht das eine gute Fotobuch. Man kann grosse oder kleine Fotobücher gleich gut gestalten, und es spielt keine Rolle, ob man mit einem Hoch-, Querformat oder mit einem quadratischen Format arbeitet. Man sollte sich einfach einmal festlegen und die Buchgrösse im Nachhinein nicht mehr ändern – denn dies verursacht viel Korrekturaufwand. Zur Papierwahl: Es gibt zwei Verfahren. Beim Fotopapier werden die Bilder auf echtes Fotopapier belichtet. Zwei Fotopapiere werden anschliessend zusammengeklebt (Flatbind), was den brettartigen Griff nach sich zieht. Beim Fotopapier kann man zwischen hochglänzend und seidenmatt auswählen. Ein ganz mattes Papier, ähnlich wie beim Fine Art Printing, gibt es nur bei CEWE, es heisst dort «Premium matt» und ist wesentlich teurer als das normale Fotopapier. Ein echtes Highlight. Im anderen Verfahren wird das Fotobuch im Digitaldruck gedruckt. Hier sind die Papierwahl und die Wahl der Papierdicke (nicht bei allen Anbietern) grösser. Ich persönlich bevorzuge Naturpapiere mit möglichst wenig Glanz.

Aufgabe des Fotobuches

Wie man ein Fotobuch gestaltet, hängt davon ab, was man damit erreichen möchte. Eine Reisedokumentation für den Eigenbedarf ist etwas ganz anderes als ein fotografisches Portfolio, welches ein Fremdpublikum ansprechen soll, wie das zum Beispiel bei einem Hochzeitsalbum der Fall sein kann. Auch hier gibt es nicht richtig oder falsch. Genau dies macht ja den Reiz des Gestaltens aus. Wer nicht ­sattelfest ist, tut allerdings gut daran, sich erst dem Einfachen hinzuwenden und nicht gleich Picasso imitieren zu wollen.

Gleiches gleich gestalten

Die wichtige Gesetzmässigkeit gilt grundsätzlich auch beim Fotobuch. Dieses Prinzip kann auf die Fotogrössen, aber auch auf die Ränder, Zwischenräume oder Texte angewendet werden. Dazu ist es hilfreich, wenn das Fotobuchportal Hilfslinien, Häuschen (CEWE) oder ein Rastersystem (Bookfactory) anbietet. Solcherlei Hilfe gestattet, dass Fotos oder Ränder schnell genau gleich gross gestaltet werden können. Ifolor setzt auf Musterseiten, die beliebig gestaltet werden können. Auch bei der Beschriftung sollten die gleichen Schriften und Grössen verwendet werden. Alle Kapiteltitel sollen gleich gestaltet werden, alle Bildunterschriften gleich und so weiter. Die Gleichartigkeit bringt eine gewisse professionelle Ruhe in das Buch. Man darf davon ausgehen, dass die Fotos genug visuelle Unruhe aufweisen.

Die Doppelseite

Anders als bei der Kamera ist die Doppelseite nun die Betrachtungseinheit. Auf einer Doppelseite kann ein einziges Bild positioniert werden, aber auch zwanzig. Grosszügig aufgemachte Bilder wirken majestätischer als zahlreiche Bilder mit einer Breite von lediglich 60 mm. Je mehr Bilder auf der Doppelseite platziert werden, desto mehr konkurrenzieren sie sich optisch. Über das ganze Buch gezählt führen im Schnitt drei Bilder pro Doppelseite zu guten Resultaten.

Leerräume

Wie bei Plakaten, Einladungskarten, Flyern, Schaufenstern oder Beschriftungen gilt auch beim Fotobuch: Weniger ist mehr. Dabei spielt der Leerraum eine entscheidende Rolle. Es sieht toll aus, wenn ein Bild eineinhalb Seiten füllt und eine halbe Seite einfach leer bleibt. Gute Bilder brauchen Luft, um zu atmen. Wenn sie klein auf einer Seite angehäuft werden, schweift das Auge rastlos darüber und nimmt wenig auf. Ein Einzelbild auf der Doppelseite ist wie ein Solitärgehölz: Man sieht hin.

Texte im Fotobuch

Das Klaus Tucholski zugeschriebene Bonmot «Ein Bild sagt mehr als tausend Worte» wird noch heute ganz abenteuerlich verdreht. Dabei wird das Bild gegen den Text ausgespielt, ganz im Sinn von: Gute Bilder erzählten Geschichten und Bilder bräuchten keine Texte. Das ist natürlich unsinnig, niemand würde ernsthaft behaupten, ein Buch, ein Magazin, ein Plakat oder das Fernsehen komme ohne Text aus. Texte im Fotobuch sollten natürlich nicht beschreiben, was auf dem Bild zu sehen ist. Einen Ausbruch des Vulkans Ätna sieht man auf dem Bild, eine gleichlautende Bildlegende ist überflüssig. Dass der Ätna hingegen 3323 Meter hoch ist und aus einigen Nebenkratern besteht, ist dem Bild nicht anzusehen. Es ist also mitnichten so, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt. Das eine gegen das andere auszuspielen, ist Blödsinn. Die mir häufig gestellte Frage: «Braucht es denn Texte im Fotobuch?» ist eine falsch gestellte Suggestivfrage. Die richtige Frage müsste lauten: «Was kann ich tun, um meinen Bildern zu mehr Aussagekraft zu verhelfen?» Die Bequemlichkeit, keine Texte zu verfassen und zu gestalten, kommt einem freiwilligen Verzicht gleich, das Optimum auszuschöpfen. Zuweilen ist es für viele schwieriger, Texte zu schreiben als auf den Auslöser zu drücken. Ich wende für den Text etwa gleich viel Zeit auf wie für die Aufbereitung und Gestaltung der Bilder. Bei der Gestaltung von Texten hinken die Fotobuchportale dem Bedürfnis der Anwender hinterher. Es gibt zwar Blocksatz, unsinnigerweise fehlt überall ein Trennprogramm. Auch der Zeilenabstand kann nicht eingestellt werden. Bei den meisten Anbietern kann man die Schriften des eigenen Computers verwenden. Bookfactory bietet zum Leidwesen des Gestalters nur ein eigenes Sortiment an Fonts an. Dafür gibts dort den PDF-Workflow, der auf InDesign und PDF basiert.

Flatbind

Als Flatbind wird die Bindeart bezeichnet, bei der das Fotobuch flach aufliegt. Wer mit Fotopapier arbeitet, erhält dies automatisch. Bookfactory bietet in den Formaten 20 × 20 cm und A4 Hochformat auch im Digitaldruck Flatbind.

Neu ist die Einzelblattverarbeitung – worauf der versierte Gestalter schon lange gewartet hat. Dabei werden die Blätter nicht kaschiert, sondern bleiben als digital gedruckte Einzelblätter erhalten. Das brettartige Papier-Feeling fehlt. Vorläufig ist Flatbind mit Einzelblättern nicht im Fotobuchportal zugänglich, man nimmt zu diesem Zweck per Mail Kontakt mit Book­factory auf und erhält dann eine Einzelbetreuung für die Herstellung. Eine schöne Option. ↑

Umschlag

Die Covergestaltung ist das Eintrittstor ins Fotobuch.

Bei der Umschlaggestaltung darf man sich normale Bücher oder Fotobände als Ideengeber vornehmen. Oft werden Titel wenig kreativ eingemittet, mit einer ganz normalen Schrift. Der Umschlag kann die Textelemente Titel, Untertitel, Autor, Datum enthalten. Der Buchrücken wenigstens den Titel.

Grosse Titel ergänzen sich gut mit kleiner gehaltenen Zusatztexten. Die Leserlichkeit von Texten sollte gewährleistet sein.

Mit der Typografie wird das Thema aufgenommen.

Der Titel ist in Illustrator gestaltet, im Hintergrund eine Vektordatei, die wie ein Schieferstein aussieht. Der Druck erfolgte auf Leinenstruktur, was dem Griff die besondere Note verleiht. Die hochwertige Materialwahl beim Bucheinband macht das Buch langlebig. Leinen, Samt, Lederimitat und anderes kostet zwar etwas mehr, das Buch wird aber wesentlich robuster.

Coverbilder dürfen die erste Seite ausfüllen, aber auch über den Bund gezogen werden. Die letzte Seite sollte keine Bilder mehr enthalten.

Ralf Turtschi ist Inhaber der ­R. Turtschi AG, ­visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der ­­Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als ­Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden, tätig, wo er beim Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie das ­Studienfach Design unterrichtet. ­Kontakt: agenturtschi.ch, ­turtschi@agenturtschi.ch, Telefon +41 43 388 50 00.

Coverbilder dürfen die erste Seite ausfüllen, aber auch über den Bund gezogen werden. Die letzte Seite sollte keine Bilder mehr enthalten.