Scribus: Publizieren zum Nulltarif
Publizieren zum Nulltarif
Da staunt der Fachmann: Scribus ist ein kostenloses Layoutprogramm, das sich auch an Profis richtet. Es stammt aus der Linux-Welt und läuft jetzt auf Mac und Windows. Wir zeigen, was Scribus kann und was es (noch) vermissen lässt.DAVID LEE Während Quark und Adobe sich über die Frage streiten, ob der angemessene Preis für eine professionelle Layoutsoftware eher weniger (Adobe) oder mehr (Quark) als zweitausend Franken betragen sollte, taucht mit Scribus eine DTP-Software auf, die überhaupt nichts kostet. Das gab es zwar schon früher mit RagTime Privat (siehe Publisher 4-02), aber die Vorzeichen sind in diesem Fall anders. Erstens darf Scribus auch für kommerzielle Zwecke kostenlos verwendet werden, und zweitens hat es auch das Zeug dazu: Im Gegensatz zu RagTime ist das Programm durchaus als Alternative zu XPress oder InDesign konzipiert. Kein Spielzeug für Hobbygestalter und Käseblattproduzenten also, sondern ein Produktionsmittel für Profis. Zudem wird Scribus garantiert gratis bleiben, während die kostenlose Version von RagTime inzwischen nicht mehr auf der Website des Herstellers zu finden ist.
Open-Source
Wie ist so etwas möglich? Das Zauberwort heisst Open-Source. Scribus wird nicht von einer Firma entwickelt mit dem Ziel, Geld zu verdienen, sondern von einer Gruppe von Entwicklern, die ehrenamtlich an der Software arbeiten. Das funktioniert, weil im Prinzip jeder sich dieser Gruppe anschliessen kann. Auch wenn die meisten Menschen nicht bereit sind, einen Finger zu krümmen, ohne die hohle Hand zu machen, finden sich in der weiten Welt doch immer wieder ein paar idealistische und qualifizierte Freiwillige. Dass Open-Source ernst zu nehmende Konkurrenz von kommerziellen Produkten werden kann, ist schon längst bekannt: Die Bürosuite OpenOffice ist mittlerweile ein vollwertiger Ersatz für Microsoft Office, und der ausgezeichnete Webbrowser Firefox knöpft dem Internet Explorer laufend Marktanteile ab. «Was nichts kostet, ist nichts wert» – kein Spruch hat in letzter Zeit so schnell an Wert verloren wie dieser.
Wie so viele Open-Source-Projekte stammt auch Scribus aus der Linux-Welt. Dort gibt es die Software schon seit Längerem – die erste stabile Version kam im Jahr 2003 heraus. Erst mit der neuen Version 1.3 sind nun auch native Versionen für Windows und Macintosh verfügbar. Allerdings handelt es sich hierbei um Beta-Versionen, die noch Kinderkrankheiten aufweisen. So passierte es im Test mit Scribus 1.3.3.2 unter Windows schon mal, dass plötzlich die Menüs wieder Englisch statt Deutsch waren. Ausserdem trat ein sehr lästiger Fehler auf, der produktives Arbeiten verunmöglicht: Immer wieder wurde der Aktionsverlauf gelöscht, so dass sich nichts mehr rückgängig machen liess.
Das Projekt sollte allerdings nicht an Fehlern gemessen werden, die bei Erscheinen dieses Artikels möglicherweise bereits behoben sind. Vielmehr sollte der Leistungsumfang von Scribus einmal näher betrachtet werden. Denn der hat das Potenzial, ein paar Herren in der Chefetage von Quark und Adobe nervös zu machen.
Die Killer-Features von Scribus
- Farbmanagement: Aktiviert man das Farbmanagement, arbeitet Scribus mit ICC-Profilen und nimmt eine Vierfarbenseparation gemäss diesen Profilen vor. Dies ist der moderne Workflow. Der Vorteil liegt darin, dass man nicht für jedes Zielmedium (Druck, Internet etc.) eine separate Bilddatei abspeichern muss. Man greift einfach auf die Originaldatei zu, und die Layoutsoftware errechnet daraus die Farben für einen bestimmten Zweck. Die Vierfarbenseparation ist besonders wichtig für die Linux-Welt. Denn dort gibt es kein Bildbearbeitungsprogramm, das RGB in CMYK umwandeln kann. Wenn nun das Layoutprogramm diese Aufgabe übernimmt, kann man getrost weiterhin für die Bildbearbeitung GIMP benutzen und dort mit RGB arbeiten.
- Sammelfunktion: Für die offene Datenübergabe sammelt Scribus alle vom Dokument abhängigen Dateien (Bilder) sowie das Dokument selbst und deponiert es in einem Verzeichnis.
- PDF-Export: PDFs können in Scribus wahlweise in den Versionen 1.3 bis 1.5 exportiert werden, mit allen Optionen, die man auch in InDesign zur Verfügung hat. Leider lassen sich diese Einstellungen nicht als Profile abspeichern. Das Erstaunlichste am PDF-Export ist jedoch die Möglichkeit, ein PDF/X-3 zu erzeugen. Scribus war die erste Layoutapplikation überhaupt, die dieses Feature bot.
- Druckvorstufenüberprüfung: Natürlich muss Scribus dazu das Dokument analysieren. Dies kann man auch tun, ohne ein PDF zu exportieren. Die Druckvorstufenüberprüfung zeigt detailliert auf, was im Dokument nicht dem Standard entspricht. Dies lässt sich nicht nur für PDF/X-3 überprüfen, sondern auch für PDF 1.3, 1.4 und PostScript. Eigene, angepasste Profile sind in der aktuellen Version von Scribus nicht möglich.
- PDF-Werkzeuge: Für den PDF-Export darf der Anwender interaktive Elemente wie Schaltflächen, Textfelder, Kontrollkästchen, Listenfelder oder Verknüpfungen einfügen. Dafür gibt es eine Menge von Spezialwerkzeugen.
Neben diesen aussergewöhnlichen Features bietet Scribus alle Grundfunktionen, die man seit PageMaker typischerweise von einem Layoutprogramm erwarten darf.
Umgang mit Objekten
Als Objekte kommen in Scribus Text- und Bildrahmen, Tabellen, Polygone, Bezierkurven, Freihandlinien und diverse vorgefertigte «Formen» in Frage. Diese Formen werden mit einem speziellen Editor bearbeitet und in Text- oder Bildrahmen umgewandelt. Jedes Objekt lässt sich gruppieren, sperren, einfach oder mehrfach duplizieren, nach vorne holen, in eine andere Ebene verschieben sowie an Hilfslinien, Grundraster oder anderen Objekten ausrichten. Das Hereinziehen von Hilfslinien und die Ausrichten-Palette erinnern stark an InDesign. Auch eine Objektbibliothek für häufig benötigte Objekt(-gruppen) ist vorhanden.
Seitenverwaltung
Die Arbeit mit Musterseiten ist ähnlich wie in InDesign oder XPress. Druckbogen umfassen bis zu vier Seiten. Die Seitennavigation erfolgt über Pfeile oder ein Eingabefeld am unteren Dokumentrand – im Vergleich zu InDesign schon mal eine Palette weniger, die die Sicht aufs Dokument verstellt. Ein Vorteil gegenüber InDesign ist, dass man beliebige Seiten aus anderen Dokumenten importieren und an einer beliebigen Stelle einfügen kann.
Text
Nach einem Doppelklick in den Textrahmen nimmt die Software Text entgegen. Um die Eingabe zu beenden, genügt ein einfacher Mausklick ausserhalb des Rahmens. Es gibt auch einen Texteditor, der ähnlich wie InDesigns Textansicht funktioniert. Als Textformatierungen sind u. a. Initialen, erzwungener und normaler Blocksatz und Kerning zulässig. Die Schrift lässt sich auf das Zehntelprozent genau in der Höhe oder Breite verzerren. Der Benutzer kann nach Textauszeichnungen und Stilvorlagen suchen und sie durch andere ersetzen. Fett und Kursiv sind nur über die Wahl eines Zeichensatzes möglich.
Import/Export
Scribus liest keine Dokumente aus anderen Layoutprogrammen ein und exportiert weder für QuarkXPress noch für InDesign. Ansonsten gibt es nicht viel zu meckern. Die Exportmöglichkeiten für PDFs wurden erwähnt; die Software platziert dieses Format aber auch als Bild im Dokument. Genau so wie PostScript und die gebräuchlichen Bildformate. Dazu holt sich Scribus auch SVG- und OpenOffice-Zeichnungen ins Dokument. Für Textrahmen stehen die Formate Text, HTML, Word, OpenOffice, CSV (kommaseparierte Dateien) und PDB (Palm) zur Wahl. Tabellen in werden allerdings nicht automatisch in Scribus-Tabellen umgewandelt. Texte bleiben nach dem Import nicht verknüpft – Änderungen müssen in der Satzdatei nachgetragen werden, will man das Dokument nicht immer wieder neu laden.
Ergonomie
Scribus ist nur «leicht bewölkt»: Im Gegensatz zu InDesign ziehen nicht immer wieder dunkle Paletten am Layouthimmel auf, die die Arbeitsfläche verdecken. Die Werkzeuge sind am oberen Fensterrand angeordnet. Von dort lassen sie sich herausziehen. Die Werkzeuge sind über einfache Tastaturkürzel erreichbar. Für viele häufig gebrauchte Menübefehle sind keine Tastaturkürzel vorgesehen. In den Einstellungen lässt sich jedoch für jeden Befehl eine eigene Tastenkombination definieren. Diese Einstellungen können auch exportiert werden.
Die Haare in der Suppe
Eine Layoutsoftware ist ein komplexes Gebilde. Versteckte Details entscheiden, ob eine Funktion sich im Alltag bewährt oder den Anwender auf die Palme treibt. Nur ein längerer Arbeitseinsatz liesse eine schlüssige Beurteilung zu, ob Scribus für die effiziente Arbeit taugt und InDesign das Wasser reichen kann. Das war für diesen Artikel nicht möglich. Einige Mankos gegenüber den etablierten und teuren Programmen fallen auch bei einem ersten Augenschein auf:
Die Text-Formatvorlagen machen bei der täglichen Arbeit Probleme. Es gibt nur Absatzvorlagen, keine Zeichenvorlagen. Das wäre zu verschmerzen. Unentschuldbar ist jedoch, dass Scribus beim Wechseln der Absatzvorlage alle Direktformatierungen (z.B. den Fettsatz eines einzelnen Wortes) ausradiert.
Was die Bilder betrifft, kriegt man zwar alles so hin, wie man will, aber nicht so schnell wie in InDesign, wo das Konzept mit den schwarzen und weissen Pfeilwerkzeugen vieles erleichtert. Die Konturenführung ist vergleichsweise umständlich und lässt sich nicht auf mehrere Bilder gleichzeitig anwenden. Ein Bild vergrössern, ohne den Rahmen mitzuverändern, ist nur per numerische Eingabe möglich. Des Weiteren vermisst der InDesign-User die Voransicht, bei der alle Hilfslinien, Ränder etc. mit einem Klick ausgeblendet werden.
Fazit
Mit modernen Funktionen wie ICC-Farbmanagement oder direktem PDF/X-Export könnte sich Scribus zu einer ernst zu nehmenden Alternative zu XPress oder InDesign entwickeln. Im Moment ist die Software noch nicht so weit. Auf Windows und Macintosh müssen erst stabile Versionen herauskommen, und auch in den Details der Funktionen ist Scribus noch nicht so ausgereift wie die beiden Platzhirsche. Dank dem unschlagbar günstigen Preis von null Franken wird sich der eine oder andere Anwender mit kleinem Budget aber trotzdem für Scribus entscheiden. Last but not least ist es mit Scribus möglich, auch unter Linux professionelles Desktop-Publishing zu betreiben.
Download und weitere Informationen:
Handbuch zu Scribus 1.2:
Auch wenn Adobe, Quark und Co. ihre Publishing-Werkzeuge nicht für Linux anpassen, ist es trotzdem möglich, unter dem kostenlosen Open-Source-Betriebssystem Desktop- und Web-Publishing zu betreiben. Zu jedem wichtigen kommerziellen Produkt gibt es eine Open-Source-Alternative. Diese Programme kommen zwar nicht an die absoluten Profiwerkzeuge heran, genügen aber für viele Einsatzgebiete. Zudem sind sie meist auch für Windows verfügbar.
Der grosse Vorteil: Mit Linux und Open-Source bezahlt man keinen Rappen. Die folgenden Programme gibt es alle auch auf Deutsch.
Bildbearbeitung: Gimp
Gimp verfügt schon seit Langem über einen reichhaltigen Funktionsumfang, hat aber eine sehr eigenwillige Oberfläche.
Siehe zu Gimp den Artikel in Publisher 3-04.
www.gimp.org
Vektorgrafik: InkScape
Ein kleines Vektorprogramm, nicht mit Illustrator vergleichbar. Wandelt Bitmapbilder erstaunlich gut in Vektorgrafiken um. Im Gegensatz zu Gimp wird die Entwicklung von InkScape stetig vorangetrieben. InkScape verwendet das SVG-Format, das sich in Scribus importieren lässt.
InkScape wird in Publisher 5-05 vorgestellt.
www.inkscape.org
Vektorgrafik II: OpenOffice
Man merkt es dem Zeichnungsprogramm der OpenOffice-Suite nicht auf den ersten Blick an, aber es ist ein verblüffend leistungsfähiges Werkzeug, mit dem sich sogar 3-D-Rotationskörper modellieren lassen. Auch OpenOffice-Zeichnungen importiert Scribus problemlos.
www.openoffice.org
Web-Publishing: Nvu / Kompozer
Kompozer ist die Weiterentwicklung von Nvu. Es handelt sich um einen relativ einfachen Webeditor mit WYSIWYG und Siteverwaltung.
Dem Nvu-Webeditor ist ein Beitrag in Publisher 6-05 gewidmet.
www.kompozer.net