Editorial
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Bald ein «Formularkrieg» Adobe gegen Microsoft?
Mit der Ankündigung von neuen Serverlösungen für das automatisierte Erstellen von PDF-Dokumenten (siehe Seite 8) läutet Adobe definitiv einen neuen Abschnitt der Firmengeschichte ein. Der einstige DTP-Pionier macht damit deutlich, was mit der Ausrichtung auf das «Network Publishing» konkret gemeint ist: Man will nicht mehr bloss Desktop-Softwarepakete anbieten, sondern komplexe, serverbasierte Lösungen für die Unternehmensinformatik. Adobes Schlüssel zu diesen Märkten ist Acrobat-PDF. Dieses soll nicht nur als Standard für elektronisches Papier, sondern als universeller Container für gestaltete Informationen in allen geschäftlichen Transaktionen etabliert werden. Vorerst geht es bei diesen Lösungen um Formular-Workflows, wo jetzt der Acrobat Reader 5.1 mit seiner Fähigkeit, freigeschaltete Formulare zu speichern und zu signieren, neue Perspektiven eröffnet.
Damit verfolgt Adobe eine ganz ähnliche Strategie wie Macromedia. Auch der Webpublishing-Pionier will sich über Formulare – hier im Internet auf der Basis von Flash – den Zugang zum Markt der Businessapplikationen sichern. Während jedoch Macromedia dabei auf die wohlwollende Unterstützung von Branchenprimus Microsoft zählen darf – Flash könnte hier helfen, die Java-Technologie des Erzrivalen Sun in Schranken zu halten –, droht Adobe mit den neuen Ambitionen der Gates Company ins Gehege zu kommen. Nur wenige Tage vor der Präsentation des neuen Acrobat Reader und der zugehörigen Server-Applikationen hatte nämlich Microsoft unter dem Codenamen «XDocs» eine Erweiterung der Office-Familie in Richtung Formular-Workflow angekündigt. Das Ganze scheint noch recht weit von einem fertigen Produkt entfernt, ist jedoch ein klares Singnal, dass Microsoft diesen «Claim» für sich beansprucht.
Vor allem dies dürfte eine harte Zäsur in Adobes Firmengeschichte darstellen. Bis anhin konnte Adobe wohl nicht zuletzt deshalb so gut gedeihen und zur Nummer 2 des PC-Softwaremarktes avancieren, weil man der Nummer 1 nie ernsthaft in die Quere kam. Nun könnte es mit diesem Frieden vorbei sein, denn die elektronischen Formulare sind für beide Seiten von grosser strategischer Bedeutung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil eine «Paper Elimination Act» der US-Regierung allen Ämtern vorschreibt, bis in einem Jahr elektronische Formulare zu unterstützen.
Interessant düfte dieser Wettstreit nur schon deshalb werden, weil Adobe und Microsoft bis jetzt bei der Eroberung neuer Märkte jeweils diametral entgegengesetzte Strategien verfolgten. Microsofts Strategie war es meist, sobald sich irgendwo eine Marktchance auftat, ein Quick&Dirty-Produkt zum Dumpingpreis in den Markt zu drücken und damit den Konkurrenten das Wasser abzugraben. Das Produkt wird dann Schritt für Schritt verbessert und mit zunehmender Marktdominanz wird die Lizenz- beziehungsweise die Preispolitik gestrafft. Genau umgekehrt bei Adobe. Hier wird jeweils zuerst mit einem qualitativ hochwertigen Produkt eine kleine Zielgruppe angesprochen, die bereit ist, einen relativ hohen Preis dafür zu bezahlen. Nach und nach wird dann der Zielmarkt vergrössert und mit den höheren Absatzzahlen wird auch der Preis gesenkt respektive eine abgespeckte Version des Produktes günstig angeboten. So war Adobe auch bei Acrobat gestartet, wo in der ersten Version sogar der Reader gekauft werden musste. Und genau so geht es jetzt weiter, indem eine Serverlizenz zum Freischalten von zehn Acrobat-Formularen 75000 Dollar kostet.
Welcher Strategie im sich jetzt abzeichnenden Kampf um die elektronischen Formulare mehr Erfolg beschieden sein wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Nicht auszuschliessen ist dabei eine Patt-Situation, ähnlich wie bei den PostScript- und TrueType-Schriften. Wir müssten uns in diesem Fall darauf einstellen, in den nächsten Jahren mit zwei verbreiteten Formularstandards zu leben; einem Highend-Standard von Adobe und einem Lowend-Office-Standard von Microsoft. Womit für uns Publishing-Profis wieder einiges an Ärger programmiert wäre ...
Martin Spaar