Interview: Jrg Badertscher
Digitalfotografie ist ein reifer Markt
Jörg Badertscher zeigt in unserem Interview die aktuellen Trends im Bereich der Digitalfotografie auf und erläutert die Hintergründe der Integration der Lübco AG in die GraphicArt.INTERVIEW: MARTIN SPAAR
Publisher: Die GraphicArt ist heute in ganz unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig. Wie kam es zu dieser Ausrichtung?
Jörg Badertscher: Die GraphicArt electronic AG wurde 1985 im Rahmen eines Management-Buy-out gegründet und war auf die Installation und den Support von Harris-Redaktionssystemen spezialisiert. Mit der Zeit kamen Peripheriegeräte dazu, vor allem Scanner von Scitex und Leaf sowie Proofsysteme von Iris. Mit dem Siegeszug des Desktop Publishing gewannen dann diese Bereiche ständig an Bedeutung, während die proprietären Redaktionssysteme ausstarben. Mit den Autologic-Produkten, deren Vertretung wir 1994 übernahmen, sind wir jedoch auch heute noch sehr erfolgreich im angestammten Bereich der Zeitungsverlage tätig.
Dank der Leaf-Vertretung waren wir bei der Digitalfotografie von Anfang an mit dabei. Zuerst waren das vor allem Scanbacks, die sehr oft an Reprobetriebe geliefert wurden, die sich in diese Richtung weiterentwickeln wollten. Als dann immer bessere Oneshot-Back von Leaf kamen und wir auch Nikon ins Sortiment aufnahmen, wurden die Profifotografen ein wichtiges Kundensegement für uns. Mit der Übernahme der Lübco im letzten Dezember haben wir jetzt diesen Bereich nochmals stark ausgebaut. So hat die Fotografie bei uns heute ein ähnliches Gewicht wie der ganze Autologic-Bereich, während die Scanner und Proofer nur noch knapp zehn Prozent des Umsatzes ausmachen.
Publisher: Was sind die Gründe für den Rückgang bei den Scannern? Spüren Sie hier die momentane Investitionsunlust der grafischen Industrie?
Badertscher: Ich glaube nicht, dass das viel mit der konjunkturellen Lage zu tun hat. Vielmehr ist der Scanner-Markt wohl einfach gesättigt. Dies ist auch daran zu erkennen, dass sich Hersteller wie Agfa und Heidelberg aus diesem Markt zurückziehen. Wer in den letzten fünf Jahren einen Scanner gekauft hat, ist damit auch heute noch gut gerüstet. Und mit der Verbreitung der Digitalfotografie nimmt die Nachfrage nach Scan-Dienstleistungen rapide ab.
Für uns ist das nicht so problematisch, da wir die Einbussen bei den Scannern im Bereich der Digitalfotografie mehr als wettmachen.
Publisher: Sie hatten schon auf ihr verstärktes Engagement im Bereich der Fotografie und die Lübco-Übernahme hingewiesen. Wie kam es dazu?
Badertscher: Die Digitalfotografie ist eine komplexe Angelegenheit und die Profifotografen wünschen beim Kauf einen entsprechenden Support. Dabei geht es nicht um die Kamera oder das Back alleine, sondern um das ganze System. Gefragt ist eine Gesamtberatung, wie wir sie nur bieten können, wenn wir auch die gesamte Palette anbieten. Also nicht nur das Back, sondern auch die Mittelformatkamera, das Licht, das Stativ etc. In diesem Sinn ist für uns die Übernahme der Lübco mit Vertretungen wie Mamiya, Kaiser und Profoto von grosser strategischer Bedeutung.
Publisher: Wie hat sich dieses Konzept in dem halben Jahr seit der Fusion bewährt?
Badertscher: Unsere Kunden schätzen es sehr, dass Sie jetzt bei uns alles aus einer Hand bekommen. Und das wirkt sich natürlich wiederum positiv auf unsere Umsätze aus. Wir stellen dabei fest, dass die neuen Impulse, die von der Digitalfotografie ausgehen, auch den Verkauf von konventionellem Zubehör beflügeln. So löst im Moment beispielsweise die Nikon D100 sehr viel aus. Mit ihrem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis verkauft sich diese Kamera sehr gut und viele Kunden bestellen dann neben dem Body gleich ein Objektiv und weiteres Zubehör mit. Die Digitalfotografie ist jetzt ein reifer Markt und wir profitieren davon, dass wir hier von Anfang an mit dabei waren und uns entsprechendes Know-how angeeignet haben.
Publisher: Wird hier nicht auch – wie wir das ja schon bei den Scannern erlebt haben – nach dem reifen Markt ziemlich bald der gesättigte Markt erreicht sein?
Badertscher: Die Frage nach der Sättigung des Digitalfotomarktes ist sicher berechtigt. Es ist tatsächlich so, dass man mit einer heute gekauften D1x auch noch in fünf Jahren professionell arbeiten kann. Was will man von einer Kleinbildkamera mehr erwarten, als die Bilder im A4-Format in einem 60er-Raster reproduzieren zu können? Trotzdem wird eine Marktsättigung nicht so schnell erreicht sein wie bei den Scannern. Einerseits ist der Markt hier viel grösser und nicht auf die grafische Industrie oder die Fotostudios beschränkt. Wir verkaufen schon heute sehr viele Kameras in andere Marktsegmente wie das Gesundheitswesen oder in die Industrie. Anderseits wird dieser Markt weiter wachsen, da Bilder in der Kommunikation immer wichtiger werden.
Publisher: Wenn Sie jetzt auch darauf hinweisen, dass eine Nikon D1x auch in fünf Jahren noch eine gute Kamera ist, so wird die Entwicklung ja nicht stehen bleiben. Was sind die künftigen Trends in der Digitalfotografie?
Badertscher: Der nächste grössere Entwicklungsschritt wird uns sicher digitale Kleinbildkameras mit Vollformat-Chips bringen. Damit wird die Brennweitenverlängerung wegfallen und man wird die ganze Objektivpalette wie vom analogen Kleinbild her gewohnt einsetzen können. Das wird wohl für viele Fotografen der definitive Auslöser sein, auf die Digitalfotografie umzusteigen. Mit dem Vollformat-Chip wird sicher auch die Auflösung nochmals verbessert, wobei das – wie schon erwähnt – heute nicht mehr der kritische Punkt ist.
Publisher: Wie schätzen Sie die Preisentwicklung ein?
Badertscher: Wir werden meiner Meinung nach künftig nicht mehr dieselben Preisrutsche erleben wie bis jetzt. Wenn man den Preis der D100 mit dem der analogen Modelle wie der F100 vergleicht, sieht man schnell, dass hier nicht mehr sehr viel drin liegt.
Publisher: Wir haben bis jetzt vor allem über die Kleinbildkameras gesprochen. Wie sieht es mit den aktuellen Trends bei den Digitalrückteilen für Mittelformatkameras aus?
Badertscher: Anders als bei den Kleinbildkameras wird sich bei den Digitalrückteilen bezüglich Auflösung und Preisen noch einiges bewegen. Nachdem Kodak schon seit einiger Zeit mit einem 4000x4000-Pixel-Chip auf dem Markt ist, werden die anderen Anbieter sicher auch bald mit Auflösungen über 10 Megapixel nachziehen. So bringt Philips einen 4000x3000-Pixel-Chip auf den Markt, den Leaf in ihre Rückteile integriert.
Publisher: Wie sieht es denn mit der von Leaf respektive Creo selbst entwickelten C-Most-Technologie aus. Hat Creo hier vor den beiden grossen Kodak und Philips kapituliert?
Badertscher: Die C-Most-Technologie bietet gegenüber den von Kodak und Philips verwendeten CCD-Chips einige entscheidende Vorteile: Der C-Most-Chip entwickelt weniger Wärme und die Daten lassen sich schneller auslesen. Zudem sind hier die Produktionskosten tiefer. Ich denke also, dass in dieser Beziehung von Creo/Leaf noch einiges zu erwarten ist!
Publisher: Herr Badertscher, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Kasten: Jörg Badertscher
Der Start ins Berufsleben begann für Jörg Badertscher (48) mit einer Berufslehre als Elektroniker und dem anschliessenden Abschluss der Ingenieurschule Burgdorf als Elektroingenieur.
Mit dem Eintritt in die GraphicArt AG erfolgte der erste, dafür sehr intensive Kontakt mit der grafischen Industrie. GraphicArt war zu diesem Zeitpunkt vor allem im Bereich der Prepress-Systeme für Zeitungen tätig.
Nach einem Management-Buy-out wurde die Bildverarbeitung mit den ersten s/w-CCD-Scannern für die Zeitungsproduktion zu einem wichtigen Tätigkeitsbereich. Beim vorhandenen privaten Interesse für die Fotografie war die frühzeitige berufliche Beschäftigung mit der digitalen Fotografie gegeben.