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�berzeugend pr�sentiert ist halb gestaltet

Serie Präsentieren

Überzeugend präsentiert ist halb gestaltet

Manche Gestaltung und manche Argumente finden den Weg vom Urheber in die Köpfe der Kunden nicht, weil sie zu wenig überzeugend präsentiert wurden. Ein paar allgemeine Hinweise für Gestalter und Referenten.

RALF TURTSCHI Da hat man nun den genialen Einfall, arbeitet ihn zur perfekten Gestaltung aus, sendet diese per Express an den Kunden und hört am Telefon die Reaktion «gefällt uns nicht». Solche Tiefschläge hat jeder Gestalter mehr oder weniger häufig zu verdauen. Es nützt hinterher rein gar nichts mehr, Argumente nachzuliefern. Die vom Kunden gefasste Meinung lässt sich praktisch nicht mehr umstossen. Die tolle Idee, die ganze Arbeit, die Mühe fürs Detail, die Nachtarbeit, alles ist mit einem Handstreich vom Tisch. Solche oder ähnliche Situationen lassen sich nicht gänzlich vermeiden. Aber das Risiko, dass sie überhaupt auftreten, lässt sich minimieren.

Verkaufen ist manipulieren

Das Thema Präsentation muss sich nicht auf einen PowerPoint-gestütz­ten Vortrag beschränken. Präsentation heisst verkaufen. Gleichgültig, ob eine Botschaft in einem Referat, einem Lehr­thema übermittelt, ob eine gestalterische Dienstleistung verkauft oder eine Werbekampagne vorgestellt wird, die Zuhörer und/oder Zuschauer wollen immer auf die gleiche Art und Weise «abgeholt» werden. In der Fachsprache soll man dem Zielpublikum ein «dosiertes Diskrepanz­erlebnis» vermitteln. Die Botschaft soll nicht allzu neu und unverständlich sein, aber auch nicht kalter Kaffee. Irgendwo dazwischen findet man die goldene Mitte. Je mehr Leute zuhören, desto schwieriger wird es, alle gleich zu begeistern. Bei völlig unterschiedlichem Vorwissen ist eine begeisternde Präsentation nur noch über «sekundäre» Leistungsmerkmale machbar. Als primär meine ich den sachlichen Inhalt, das Thema, als sekundär bezeichne ich das Drumherum wie die Präsentationsmittel oder die Rhetorik. Das «Wie» ist oft entscheidender als das «Was». Genauso wie das geflügelte Politikerwort: «Mit einer Million machen wir aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat.», kann man auch behaupten, dass mit einer guten Präsentation jedes gestalterische Unding an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht werden kann.

Ein Grafiker ist nicht nur deshalb erfolgreich, weil er gut ist, sondern auch, weil er seine Leistung gut verkaufen kann. Daran scheitern viele Gestalter, zu deren Ausbildungsplänen eher das Aquarellmalen als das erfolgreiche Verkaufsgespräch zählt. Ohne geöltes Mundwerk ist mancher Frust vorprogrammiert. Jeder kleine Gegenwind von der Kundenseite wird tapfer geschluckt und mit gehörigem Gejammer über angebliches Unverständnis quittiert. Grafiker oder Gestalter aller Couleur müssten sich einmal fragen, weshalb der eine vom Erfolg verwöhnt wird, während sie selber unter Plagen mehr oder weniger über die Runden kommen. Die Lösung liegt nicht im Fachwissen, sie liegt in der Rhetorik: «Überzeugend geredet ist halb gestaltet.»

Präsentieren heisst immer ein Stück weit manipulieren. Wobei der hässliche Beigeschmack völlig ausgeklammert werden kann. Wertfrei gesehen ist jedes Verkaufsgespräch nichts anderes als eine Manipulation. Was ich hier tue, ist nichts anderes als eine Beeinflussung Ihrer Gedanken. Sie haben die Freiheit, mir zuzustimmen, aber auch weiterzublättern und mich zu ignorieren. Im weiteren Sinn ist jedes Gespräch, jede Art Kommunikation eine Beeinflussung. In einer Agentur gibt es Leute, die gestalten, und solche, die verkaufen können. Zum Thema Präsentation und Verkauf gibt es Dutzende von Büchern, die man sich halt gelegentlich ansehen sollte.

Verschiedene Eingangskanäle benützen

Lebendig wirkt eine Präsentation, wenn sie verschiedene Eingangskanäle ins Hirn nutzt. Mit Eingangskanälen meine ich unterschiedliche Medien und Hilfsmittel. Medien sind Bildtafeln, Musik, gesprochene Sprache, Texttafeln oder eine Kombination davon. Hilfsmittel sind Flip-Chart, LCD-Projektor, Diaprojektor oder Wandtafel. Nicht jeder Mensch reagiert auf Reize gleich. Eine PowerPoint-Präsentation aus lauter überquellenden Texttafeln wird niemanden eine Stunde lang fesseln, wenn dazu noch der Text abgelesen oder kommentiert wird. Wenn die Präsentation aber in Form von Bildern erfolgt und die gesprochene Sprache eine Ergänzung dazu bildet (Typ Diavortrag), werden bei den Zuschauern bereits zwei Eingangskanäle aktiviert. PowerPoint bietet standardmässig Überblendfunktionen, bewegtes Bild und Ton. Der Referent sollte sich nicht dazu verleiten lassen, mehr Zeit in die Effekte als in den Inhalt zu stecken. Niemand im Saal interessiert sich, ob er in der Lage ist, 20 verschiedene Überblendungen zu demonstrieren. Je bombastischer, desto lächerlicher. Musik oder andere Tonunterlegungen können die gesprochene Sprache empfindlich stören. Es ist nicht originell, jede Texteinblendung mit einem lauten «Boing» zu begleiten.

Lokalität

Viele Präsentationen finden in denkbar ungünstigen Verhältnissen statt. Wenn der Garagenbesitzer sein neues Logo auf der Werkbank sehen möchte oder ein Flyer in der vollbesetzten Personalkantine präsentiert werden muss, dann stehen die Vorzeichen schlecht. Die Bedürfnisse des Präsentierenden nach Platz, Infrastruktur und Ruhe sind der Nährboden des Erfolges. Sie müssen im Vorfeld angemeldet und durchgesetzt werden. Eine Präsentation in einem Verwaltungsratszimmer wirkt wohl anders als auf dem Katzentisch. Man kann nun einmal nicht 10 Kartons A2 vernünftig auf einen Besuchstisch stellen, der für acht Personen gebaut wurde. Die Raumhöhe ist für eine Projektion sehr wichtig. Eine normale Bürohöhe von etwa 2,5 m ergibt nach Abzug der Tischhöhe eine Netto­höhe von nur noch 1,5 m – für eine Leinwandgrösse ist das nicht mehr allzu viel. Dort, wo Projektor und Leinwand fest eingebaut sind, kann man von optimalen Voraussetzungen ausgehen. Als Aussenstehender, der die Infrastruktur nicht kennt, ist man auch froh um einen Supporter, der einem zur Seite steht, wenns mal umstehen sollte. Es kann durchaus sein, dass ein umfangreiches Schalttableau für verschiedene Lichtquellen und Storen bedient werden muss.

Persönliche Vorbereitung

Die Vorbereitung ist das A und O jeder Präsentation. Es gilt, das Lampenfieber auf ein kontrollierbares Niveau zu senken. Jeder, den ich danach befragt habe, hat Lampenfieber. Je wichtiger das Ereignis, desto mehr schlägt das Nervensystem Kapriolen. Angstschweiss, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit oder ein Blackout sind mögliche Folgen. Wenn ich genau weiss, was ich in welcher Folge erzählen werde, dann bin ich automatisch ruhiger. Dazu muss ich meinen Part jedoch einstudieren. Den Anfang und den Schluss lerne ich auswendig. Oft spreche ich die ganze Präsentation laut durch. Ich höre mich und stoppe die Zeit, dies gibt mir Sicherheit. Karten mit Stichwörtern benützt sogar Thomas Gottschalk, so daneben kann dies also nicht sein.

Zur Vorbereitung gehört das Hineinversetzen ins Zielpublikum. Wer kommt? Wie viele Personen sind anwesend? Welches Vorwissen besteht? Ich frage mich dann: «Was kann ich denen bieten und was können die von mir profitieren?» Ich frage mich bewusst nicht: «Was erwarten die von mir?» Daraus würde mein Kopf folgern: «Kann ich deren Erwartung erfüllen?» Was sich wiederum auf meine Atmung und meinen Stuhlgang auswirken würde. Ganz wichtig sind die Erkundung der Lokalität, Platzverhältnisse, Bestuhlung, Ablageflächen, Verdunkelungsmöglichkeit und selbstverständlich die technischen Hilfsmittel. Ein Beschnuppern der «Bühne» wirkt sich sogleich als Beruhigungsspritze aus. Man nimmt seinen Platz in Beschlag, macht ihn sich zu Eigen. Alles Bekannte beruhigt und macht die Gedanken frei für die Sache. Eine letzter Checkup vor der Abfahrt zur Präsentation soll sicherstellen, dass alle Hilfsmittel oder Materialien vorhanden sind. Folien vergessen, falsche Dias eingepackt oder Kopien liegen gelassen – Peinlichkeiten ohne Ende. Zum Glück passiert dies jedem einmal.

Problempunkt Stimme

Ab etwa 50 Personen ist die menschliche Stimme zu schwach, um die nötige Resonanz im Saal zu erreichen – sie muss verstärkt werden. Leider werden auch Nebengeräusche wie Husten, Schnäuzen, Rascheln, Räuspern oder das unsichere «äh» vor jedem Hauptwort verstärkt. Dafür hört der Redner seine Stimme nicht mehr. Man hat keine Kontrolle mehr, wie gut die Zuhörer einen verstehen. Die blödeste Erfindung sind Tischmikrofone an Rednerpulten. Die Dinger stehen entweder zu weit weg oder zu nah von der Kehle, der Ton ist permanent zu laut oder zu leise. Die Kombination von Tischmikrofon und Hellraumprojektor ist die Quadratur eines didaktischen Unsinns. Ausserdem müssen die nervlich blank liegenden Stimmbänder gehörig gefeuchtet werden, ein kleines Salbei-Bonbon kann weiterhelfen, wenns mal nur noch kratzt.

Präsentatoren wirken dann am souveränsten, wenn sie frei von der Leber weg erzählen können. Das Ablesen von schriftsprachlichen Manuskripten ist langweilig und eine Zumutung. Es sei denn, der Vortragende sei besonders geschult und versteht es, die Zuhörer zu verzücken. Doch wer ist das schon? In einem Land, wo mindestens die Hälfte der geschulten Fernsehleute ein ausgesprochen schlechtes Hochdeutsch redet und Politiker landauf, landab kaum ein weiches ch oder ein stimmhaftes s über die Lippen bringen, in einem Land, wo Deutsch weniger gilt als Frühenglisch, da haben deutsch Sprechende einen schweren Stand. Die Entscheidung, schweizerdeutsch oder deutsch zu sprechen, wird meistens mit der sinnigen Frage ans Publikum eingeholt: «Verstaht mich öper nöd, oder mues i hochtütsch rede?» Auf diese Frage kann es keine Einwände geben, oder? Ab etwa 100 Personen ist deutsch angesagt, übrigens kann die Sprache auch im Voraus abgesprochen werden.

Hilfsmittel

Ich habe schon Erzählern gelauscht, bei denen keine einzige Folie, keine Dias oder andere Krücken vom Inhalt ablenkten. Dann habe ich schon Multivisionen gesehen, bei denen ich am Schluss nicht mehr gewusst habe, worum es sich handelte. Aber ausgesehen hats ganz toll. Es gibt keine Rezepte für die Wahl der Hilfsmittel. Sie müssen einfach der Situation angepasst werden. Eine Folienorgie vor zwei Personen wirkt ebenso lächerlich wie ein Zeigebuch vor 15 Personen.

Problempunkt Kartonsteller

Unter Grafikern ist es so üblich, ausgedruckte Kampagnen, Broschüren oder Erscheinungsbilder auf Präsentationskarton aufzukleben und diese mit Stellern zu versehen, damit sie wie ein Display frei auf dem Tisch stehen können. Ein zu dünner Karton übersteht die sengende Hitze oder die Feuchtigkeit im Kofferraum nicht und biegt sich wie eine Kinoleinwand. Wer keine massiv gebauten Steller benützt, dem werden die Kartons bei jedem Lüftchen reihenweise wie Dominosteine umfallen. Eine professionellere Präsentation kann man sich kaum vorstellen. Ob man die Gestaltungsvorschläge überhaupt aufziehen soll oder nicht? Aufgeklebt wirken sie professioneller und wertvoller. Man gibt damit der Arbeit ihren krönenden Abschluss. Der Kunde wird die Gestaltungsarbeit gerne weiter da stehen lassen oder sie im Büro aufstellen. Allerdings kann man vom Kunden nicht erwarten, 10 grossformatige Kartons unter den Arm zu klemmen und abzuziehen. Für den Transport gibt es diese schicken schwarzen Plastikköfferchen in verschiedenen Grössen und Dicken, die allerdings nicht ganz billig sind. Präsentationskarton (AMG 104, anthrazit/mittelgrau) und Steller gibts bei Gebr. Bühler AG, Wehntalerstrasse 286, 8056 Zürich, Tel. 01 371 52 22.

Problempunkt Leinwand

Einen Knackpunkt bildet die Leinwandgrösse. Gross genug kann sie nie sein, oft ist sie jedoch zu klein. Die Leinwandgrösse hat mit der Projektionsgrösse zu tun und diese wiederum schreibt den Projektionsabstand und die Lichtstärke vor, die in ANSI-Lumen angegeben wird. Je stärker das Licht, desto weiter weg kann die Projek­tionsdistanz gewählt werden. Auch das Objektiv muss der Distanz angepasst sein, soll die Leinwand ganz ausgefüllt werden. Ideal ist, wenn die Leinwand so hoch aufgehängt ist, dass die Präsentation nicht vom Vordermann teilweise verdeckt wird. Das untere Ende sollte sich bei sitzenden Menschen etwa auf Kopfhöhe befinden, was 1,5 m ab Boden entspricht. Bei einer normalen Raumhöhe von 2,5 m bleibt eine Nettohöhe der Leinwand von nur noch einem Meter. Zwangsläufig wird in solchen Räumen die Leinwand halt bis fast hinunter auf den Boden gezogen. Mit der Konsequenz, dass die Hälfte nicht gesehen wird.

Problempunkt LCD-Projektor

Moderne LCD-Projektoren gibt es heute ab Preisklassen um 3500 Franken, sie sind leicht und transportabel. Die Leistungsfähigkeit ist natürlich nicht dieselbe wie bei einem Projektor der Preisklasse um 10000 Franken. Wer viel zu präsentieren hat, wird sich überlegen, ob er sich einen Projektor leisten will. Es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man die Technik im Griff hat. Alle Vermittler von Seminarräumen, alle Schulen und überhaupt alle sagen immer, es gäbe kein Problem, der Beamer sei VGA-kompatibel. Vor Ort sieht es dann anders aus.

Der Supporter hat noch nie einen Macintosh gesehen, geschweige denn an einen Projektor angehängt, und niemand hat eine Ahnung, wo man die entsprechenden Einstellungen vornimmt. Da ist jeder Referent froh, wenn die technischen Checks bereits früher stattgefunden haben oder wenn ein Supporter diesen Titel auch verdient. Die Technik hat immer wieder ihre Tücken, z.B. die: Angesagt ist ein Referat um 11 Uhr morgens, 45 Minuten. Referent in Zürich, Referat in Darmstadt. Abfahrt mit Auto morgens um 6 Uhr. Leider schlechtes Wetter. Stau, die Zeit verrinnt. Man schafft es dennoch, ziemlich entnervt, um 10.45 Uhr einzutreffen. LCD-Projektor ist da, Macintosh angeschlossen – leider haben die in Deutschland andere Steckdosen. Der Mac läuft ab Batterie, Batterieladestand etwa 50%. Wer hier noch trocken bleibt, kann sein Deo weiterempfehlen ...

Problempunkt Hellraum­projektor

Hellraumfolien haben den angenehmen Vorteil, dass der Raum nicht abgedunkelt werden muss. Vor allem in der Schulung ein Vorteil, da die Zuhörer nicht automatisch in den Tiefschlaf verfallen. Der Hellraumprojektor ist technisch weniger anfällig, doch wer schon mal ein Panne erlebte und an einem unbekannten Gerät die vermeintliche Öffnung für die vermeintliche Ersatzlampe suchte, während die Schüler kaffeetrinkenderweise sich über das Missgeschick belustigten, der kennt die Tücken.