Interview: Alexandre Salzmann
Alexandre Salzmann, Country Manager Adobe Systems (Schweiz) GmbH
Auch als Marktführer gefordert
Alexandre Salzmann erläutert in unserem Interwiew, was Adobe mit Network Publishing konkret meint und weshalb seitens seiner Firma nicht mit einem monopolistischen Gehabe im Stile Microsofts zu rechnen ist.Publisher: Seit gut anderthalb Jahren verkündet Adobe jetzt schon die Vision des Network Publishing als dritte Welle nach der DTP- und der Internet-Revolution. Wenn ich die neuen Adobe-Produkte anschaue, sehe ich zwar viele nette Features wie das Liquify-Tool bei Illustrator 10 oder die Healing Brush bei Photoshop 7, jedoch kaum grundlegend neue Ansätze im Sinne einer dritten Publishingrevolution. Ist das mit dem Network Publishing bloss ein hübsches Marketingschlagwort oder tut sich da auch etwas in der konkreten Produkteentwicklung?
Alexandre Salzmann: Unser Ziel ist es, den Publishingprozess als Ganzes zu optimieren und zu beschleunigen. Das heisst, wir entwickeln die heutigen Desktopapplikationen in die Richtung weiter, dass diese im Rahmen einer Network-Publishing-Lösung mit anderen Applikationen und vor allem mit Servern und Datenbanken kommunizieren können. In dieser Beziehung haben wir viel Basisarbeit geleistet, die vielleicht tatsächlich nicht so offensichtlich ist wie die kreativen Features im Stil der Healing Brush.
Publisher: Das tönt noch immer reichlich abstrakt, können Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern.
Salzmann: Gerne; schauen wir uns das doch anhand unserer neuen XMP-Plattform in der Praxis an: XMP (Extensible Metadata Platform) basiert auf XML und offenen W3C-Spezifikationen und stellt sicher, dass Metainformationen applikationsübergreifend weitergereicht werden können. Nehmen wir also an, ein Grafikatelier erstellt mit Adobe Illustrator ein Logo für ein Produkt eines international tätigen Unternehmens. Dieses Illustator-Logo wird anschliessend auf unterschiedlichste Art weiterverwendet, zum Beispiel in einer Photoshop-Bildkomposition, die in InDesign als Frontbild für einen Prospekt verwendet wird. Dieser Prospekt wird nun in lokalisierten Varianten als PDF-Datei in die verschiedenen Ländervertretungen des Unternehmens verteilt. Dank XMP sind nun in all diesen über den ganzen Globus verteilten PDF-Dokumenten die vom Grafikatelier in die Logodatei eingebetteten Metainformationen – zum Beispiel das Copyright betreffend – noch immer enthalten und abrufbar. Dank XMP werden diese Informationen nämlich im ganzen Workflow automatisch von Applikation zu Applikation weitergereicht, ohne dass sich der Anwender darum zu kümmern braucht. Damit sind die Voraussetzungen gegeben für ein Asset-Management, das weit über das hinaus geht, was wir heute unter diesem Begriff kennen. Ein wirklicher Asset-Workflow nämlich im Sinne unserer Vision des Network Publishing.
Publisher: Für internationale Grosskonzerne ist XMP sicher eine tolle Sache, für den einzelnen Anwender hat das aber kaum einen so grossen Stellenwert.
Salzmann: Mit der Perfektionierung des digitalen Workflows werden Metainformationen immer wichtiger, und zwar auf allen Stufen bis hin zum privaten Anwender. Nehmen wir das Beispiel Digitalfotografie. Da fallen üppig Metadaten an, indem die heutigen Kameras von Datum und Zeitpunkt der Aufnahme bis zu Verschlusszeit und Weissabgleich-Einstellung alles protokollieren. Da ist es doch sogar für mich als Privatanwender interessant, wenn Photoshop diese Informationen dank XMP in einem sicheren und transparenten Gefäss unterbringt, sodass ich diese auch noch nach Jahren zur Verfügung habe und dadurch meine Bildinhalte und -elemente wiederfinden kann.
Publisher: Im Zusammenhang mit dem Network Publishing verweist Adobe immer wieder auf die eBook-Technologie als zukunftsträchtiges Konzept. Konkret tut sich hier jedoch herzlich wenig. Wo liegt das Problem?
Salzmann: Wir sind überzeugt davon, dass seitens der Anwender ein grosses Bedürfnis vorhanden ist, Dokumente und Schriftstücke in PDF über das Web zu nutzen. Das Problem ist hier eindeutig das Fehlen von geeigneten Vertriebs- und Verrechnungsmodellen, die den Verlagen ihr Einkommen garantieren. Wir sind jetzt allerding nicht mehr weit von der Einführung solcher funktionierender Modelle entfernt, und ich bin überzeugt davon, dass das eBook-Konzept bald entsprechend Auftrieb erhalten wird.
Publisher: Adobe ist heute weltweit das zweitgrösste unabhängige Softwareunternehmen und in der Publishingbranche unbestrittene Nummer 1. Habe wir es hier bald mit einem Monopolisten im Stile Microsofts zu tun?
Salzmann: Im Unterschied zur Firma Microsoft, die bei den Betriebssystemen und Office-Programmen den Markt klar dominiert, müssen wir uns in den verschiedenen Marktsegementen je gegen starke Konkurrenten behaupten. Beim klassischen Publishing ist das Quark, beim Web-Publishing Macromedia und im Enterprisemarkt stehen wir im Wettbewerb mit unterschiedlichen Herstellern, die in bestimmten Bereichen aber auch gute Partner für uns sind. Als Beispiel kann hier die Firma Microsoft genannt werden. Somit bleibt Adobe gefordert. Selbst im Publishingmarkt können und wollen wir kein Monopolist sein. Unser Ziel ist ohnehin nicht eine geschlossene «Adobe-Welt», sondern wir sind froh um jeden Impuls, den wir vom Markt erhalten. Zudem haben wir immer wieder bewiesen, dass wir auf offene Standards setzen, beziehungsweise unsere eigenen offen zu legen bereit sind.
Publisher: Dann ist in nächster Zeit auch nicht eine Zwangsregistrierung à la Microsoft zu befürchten?
Salzmann: Nein. Das ist im Moment kein Thema für uns! Die aktuellen BSA-Studien (Business Software Alliance) zeigen, dass in der Schweiz im betrieblichen Umfeld etwa ein Drittel der Software illegal eingesetzt wird. Natürlich werden wir versuchen, diesen Anteil zu senken, jedoch darf das auf gar keinen Fall auf Kosten der Mehrheit der ehrlichen Anwender geschehen.
Publisher: Zurück zu Ihren Mitbewerbern. Sie haben Quark, Macromedia und Microsoft erwähnt; wie sieht es mit Corel aus?
Salzmann: Corel war am Anfang für uns im Retailgeschäft ein Konkurrent. Heute konzentrieren wir uns vermehrt auf die anderen Wettbewerber.
Publisher: Und Apple? Mit den eigenen Softwareprodukten wie FinalCut und iPhoto scheint der ehemalige treue Partner Sie plötzlich zu konkurrieren!
Salzmann: Wir sehen das nicht als Konkurrenz, im Gegenteil! Durch Anwendungen wie iPhoto kommen breite Kreise von Anwendern auf den Geschmack, ihre digitalen Bilder am Computer selbst zu bearbeiten. Und wenn dabei die Ansprüche steigen, landen sie schliesslich doch bei uns... Was FinalCut betrifft, so beschränkt sich der Mitbewerb auf die Mac-OS- Plattform. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Video Authoring zu 95% auf der Windows-Plattform stattfindet. Wenn Apple nun auch in den DV-Markt vorstösst, belebt das auch unser Geschäft.
Publisher: Sie sind jetzt seit bald sechs Jahren Geschäftsführer von Adobe Schweiz. Was haben Sie in dieser Zeit erreicht?
Salzmann: Wir haben nach der ersten Aufbauphase unterdessen eine sehr gute Präsenz im Markt erreicht. Dabei sehe ich unsere Aufgabe als eine doppelte: Einerseits vertreten wir Adobe auf dem Schweizer Markt und andererseits nehmen wir quasi eine Anwaltsfunktion für den Schweizer Markt gegenüber Adobe war. Ich bin überzeugt, dass das die Voraussetzung ist, um glaubwürdig zu sein und langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. Ich denke, unsere solide Entwicklung im Schweizer Markt auch in den jetzigen stürmischen Zeiten gibt mir in dieser Beziehung recht.
Publisher: Was sind Ihre Ziele für die nächsten 12 Monate?
Salzmann: Wir möchten erstens Acrobat in den Schweizer Unternehmen noch stärker etablieren. Zweitens wollen wir InDesign zum Durchbruch verhelfen. Unser Ziel ist es dabei, dass bis Ende Jahr die Mehrheit der wichtigen Schweizer Vorstufenbetriebe InDesign-Dateien verarbeiten kann. Und schliesslich wollen wir unserer Vision des Network Publishing im Schweizer Markt, der für neue Technologien besonders aufgeschlossen ist, weiter vorantreiben.
Publisher: Herr Salzmann, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!