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Erste Erfahrungen mit Flash MX

Macromedias Flash in der Runde 6

Flash MX: Um Erfahrungen voraus

Das populäre Webprogramm präsentiert sich seit Anfang März in seiner sechsten Version. Der Programmname «Flash MX» (für Macromedia Experience) weist auf die nachfolgende neue Produktereihe von Macromedia hin. Nach ersten Tests wird das Programm seinem Namen gerecht.

REMO SCHILLIGER Beim erstmaligen Starten von Flash MX trifft man sofort auf ein Dialogfenster, bei dem sich der Anwender als Designer, Developer oder als Allrounder zu erkennen geben muss. Diese Differenzierung bewirkt eine spezifische Anordnung der Paletten. Ein Designer zum Beispiel verwendet kreative Werkzeuge beziehungsweise Paletten, wogegen der Developer stärker mit dem Action­Script-Fenster sowie der neu integrierten ActionScript-Referenz arbeitet. Die ganze Palettenanordnung ist in schwebende oder klappbare Elemente umgebaut worden, die nach kurzer Einarbeitungszeit zu überzeugen vermögen. Bei der Zeitleiste ist eine Funktion hinzugekommen, die es ermöglicht, Ebenen in Ordner zu verschieben und dadurch eine bessere Übersicht zu erstellen. Ein Transformationswerkzeug erlaubt neu das perspektivische Verzerren von Formen mittels Ankerpunkten. Zudem lassen sich anhand der neuen Eigenschaftenpalette jegliche Einstellungen von Bühnenobjekten betrachten und verändern. Einen weiteren typografischen Effekt hat Macromedia in MX eingebaut: Jetzt ist es endlich auch möglich, Text vertikal anzuordnen. Wer oft mit fremden Flash-Dateien arbeitet, kennt das Problem von nicht vorhandenen Schriften. MX listet fehlende Schriften auf und kann sie auf Wunsch ersetzen oder durch vorhandene System-Schriften simulieren. Diese Neuerung bringt vor allem im Datenaustausch grosse Erleichterungen. Eine sehr sinnvolle Arbeitshilfe bringt die Erweiterung, einmal erstellte Flash-Dokumente als Templates abzuspeichern, zu kategorisieren und beschreiben zu können. So werden Dokumente einmal erstellt, als Template gespeichert und danach bei Bedarf wieder als neues Dokument geöffnet. Diese Möglichkeit optimiert bei grösseren oder standardisierten Projekten den Workflow.

Einfache Integration von Videoformaten

MX ermöglicht nun die Integration von kompletten Videos. Flash importiert dazu verschiedene Videoformate (MPG, AVI, QuickTime, DV) über die Sorensen-Spark-Komprimierung. Der Anwender erhält vor dem Import verschiedene Einstellungsabstufungen für Qualität, Bildrate usw. und kann so die Datenmenge drastisch reduzieren. In der Vorgängerversion mussten die Videodaten noch als einzelne Bildsequenzen importiert sowie die Sound-Spuren zusätzlich separat auf eine Ebene gelegt werden. In Flash MX kann der Anwender also Videos direkt integrieren, einstellen und steuern und diese am Schluss als SWF-Datei exportieren. Die Komprimierungsrate der Videos erweist sich bei ersten Tests als sehr gut.

Erleichterungen für sehbehinderte Menschen

Immer mehr sehbehinderte Menschen nutzen das Internet und treffen oft auf nicht lesbare Flash-Inhalte. Das kann sich nun ändern, da in der neuen Version gewisse Flash-Elemente mit Namen, Kommentaren und Tastenkürzeln versehen werden können. Dafür muss eine so genannte Screen-Reader-Software installiert werden, die zusammen mit dem Flash MX-Plugin die bezeichneten Elemente im Browser vorliest.

Zukünftige Websites mit dynamischen Inhalten

In Sachen Dynamik wurde MX mit verschiedenen neuen ActionScript-Befehlen ausgestattet. Neu besteht für den Entwickler die Möglichkeit, externe JPEG-Bilder (ActionScript: loadMovie) oder externe MP3-Sounds (Action­Script: loadSound) zu laden. ActionScript-Erweiterungen erleichtern die Kommunikation mit serverseitigen Scriptsprachen wie zum Beispiel mit der Middleware ColdFusion oder über die überarbeitete und verbesserte XML-Schnittstelle. Bezüglich ColdFusion hat Macromedia Flash-spezifische Erweiterungen angekündigt, welche die Kommunikation zwischen Flash-ColdFusion-Datenbanken erleichtern und damit dynamisch generierte Inhalte weiter vorantreiben. Auf der gesamten serverseitigen Produktelinie kann von Macromedia in diesem Jahr noch viel erwartet werden, vor allem in Bezug auf die Verknüpfungen mit Flash.

Flash-UI-Komponenten für eine schnelle Kontrolle

Die UI-Kompontenten (UI steht für «User Interface») sind komplexe Filmsequenzen mit Parametern, die per Drag & Drop von der Palette auf die Bühne gezogen werden. Sie ersetzen die in Flash 5 eingeführten SmartClips. Auf der Bühne angewählt, lassen sich die Komponenten über die Eigenschaftenpalette einstellen und verändern. Mit dem Live-Preview lässt sich dann das Resultat direkt auf der Bühne betrachten, ohne dass der Film exportiert werden muss. Komponenten wie Radio-Button, Drop-Down-Liste oder eine Scrollliste sind bereits standardmässig in MX eingebaut und ermöglichen dem Entwickler einen raschen und effektiven Einsatz. Die Komponenten können spezifisch abgeändert oder sogar neu erstellt werden, falls ActionScript-Knowhow vorhanden ist.

Komfortables ActionScripting

Die von Macromedia eingeschlagene Richtung scheint anzuhalten: In jeder neuen Version von Flash wird stärker auf die Bedürfnisse der Programmierer eingegangen. Das heisst: die Flash-eigene Scriptsprache «ActionScript» bekommt immer mehr Gewicht. Der Editor wurde mit nützlichen Funktionen erweitert und bietet dem Entwickler mehr Komfort bei der Programmierung. Zusätzlich liefert das neue «code hinting»nützliche Tipps bereits während der Programmierung. Generell ist nun alles über ActionScript steuerbar, ansprechbar oder veränderbar. Filmsequenzen können als Masken definiert werden und die lang ersehnten Zeit­intervalle sind nun möglich. Heute können Grafiken, die «früher» mit dem Linienwerkzeug gezeichnet werden mussten, neu auch vollständig programmiert werden. Die neue Gewichtung in MX mag alle Grafiker und visuell Arbeitenden enttäuschen, waren sie doch früher einmal das Top-Zielpublikum für das Programm. Aber gerade die Verknüpfung der visuellen und der abstrakten Welt vermag immer noch stark zu faszinieren, sodass Grafiker und Programmierer weiterhin eng zusammenarbeiten werden, um ein ansprechendes und kundenorientierte Resultat zu erzielen.

Fazit

Die neuste Version der «Web-Spielerei der Welt» zeigt sich in einem überarbeiteten Kleid und ist der Konkurrenz wieder einige Schritte voraus. Wer mit MX noch immer der Meinung ist, dass Flash zur reinen Erstellung von Intros und Skip-Buttons gut ist, sollte sich von Flash schnellstens ein revidiertes Bild schaffen. Für den Programmierer gibt es neue Möglichkeiten in Hülle und Fülle und zusammen mit innovativen Ideen lassen sich attraktive Projekte realisieren. Auch die Video-Integration trifft den Nerv der Zeit, da sich die Breitbandtechnologie in Zukunft immer stärker durchsetzen wird. Gerade erst wurden alle Windows-XP-Versionen mit Flash-5-Plugins ausgerüstet und die MX-Verbreitung muss darum wohl ohne Betriebssystem-Hilfe auskommen. Im Klartext heisst das, dass noch ein Weilchen für Flash-5-Plugins entwickelt wird und die neuen Möglichkeiten noch ungenutzt bleiben. Durch das angekündigte Update von ColdFusion und die damit verbundenen Flash-spezifischen Erweiterungen wird die Realisation von dynamischen und intelligenten Applikationen (Rich Clients) realistischer werden und die Möglichkeiten grösser. Aber Vorsicht: Nicht die Technologien und ihre Möglichkeiten dürfen im Vordergrund stehen, sondern die entwickelten Applikationen und Websites wollen von Menschen genutzt werden, die Usability, Aktualität, Geschwindigkeit und Vielfalt wünschen. Darum müsste der Leitsatz «design follows function» heute richtigerweise folgendermassen erweitert werden: «design and technology follows function and usability».