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Schriftmanagement unter Mac OS X

Fontverwaltung unter Mac OS X

Mac OS X ist anders: Auch im Schriftmanagement

Mac OS X lockt mit Stabilität, echtem Multitasking einer neuen Oberfläche. Der Preis dafür ist die Umstellung auf ein UNIX-basiertes System, das gerade bezüglich Schriften anders funktioniert, als man es sich vom klassischen Mac OS gewohnt ist.

DAVID UHLMANN Schriftenverwaltung ist ein zentrales Thema auf einer Publishing-Workstation. Bei der heutigen Vielfalt an Schriften ist die Übersicht nicht einfach zu behalten. Der folgende Artikel soll zeigen, wie das Fontmanagement unter Mac OS X funktioniert und wie man hier Ordnung in seine Schriften bringt.

Einschränkungen

Unter Mac OS Classic (das sind alle Systemversionen zwischen 8.1 und 9.x) haben wir uns daran gewöhnt, nicht zu viele Schriften offen zu halten. Ebenfalls bestens bekannt ist die Tatsache, dass ein defekter Font das ganze System zum Absturz bringen kann. Unter Windows NT und 2000 kennt man diese Unzulänglichkeiten nicht.

Unterstützung unter Classic

Es gibt drei verschiedene Schriftenformate: TrueType, Type1 und OpenType. Mac OS Classic unterstützt nativ, d.h. von Haus, aus nur TrueType. Damit wir mit Type1-Schriften arbeiten können, benötigt es einen Postscript-Renderer, der von Adobe entwickelt wird und Adobe Type Manager heisst. Davon gibt es zwei Versionen, das Schriftenverwaltungstool ATM deluxe und die Light-Version. Diese wird benötigt, falls man mit Extensis Suitcase oder anderen Fontmanagern arbeitet. Bisher konnten nur die neuen Adobe- und Microsoft-Pakete mit dem neuen Schriftenformat OpenType vollumfänglich umgehen. Mehr zu diesem Thema finden Sie weiter unten.

Mac OS X, bitte!

Mac OS X bietet dank dem 2D-Layer Quartz wie Windows 2000 von Haus aus eine native Postscript-Unterstützung. Damit aber nicht genug: Das neue Schriftenformat OpenType wird ebenfalls unterstützt. Für Dienstleister in der grafischen Branche ist das Problem von Windows-Daten meist nur in der Inkompatibilität der Windows- und Macintosh-Schriftenformate begründet. Mac OS X unterstützt nun ebenfalls Windows-TrueType-Schriften, d.h., das Grauen von nicht bemerktem Übersatz beim Ersetzen einer Schrift hat ein Ende! Man kann beliebig viele Schriften offen halten, ein defekter Font reisst ganz sicher das System nicht runter.

Schriften und die Rechte

In diesem Abschnitt geht es nicht um die vielfach verletzten Copyrights durch das hemmungslose Kopieren von Schriften. Es geht um die Rechteverwaltung von Mac OS X. Das neue System hat als Boden einen Unix-Kern. Unix ist ein Multiuser-Betriebssystem: Jeder Benutzer hat seine eigenen «Home»-Verzeichnisse. Dort ist der ebenfalls benutzerabhängige Schreibtisch, einige von Apple bereitgestellte Ordner (Dokumente, Movies etc.) sowie das Verzeichnis «Library» untergebracht. In diesem Ordner befindet sich ein weiterer mit dem Namen «Fonts». Diese Fontsordner kann man mit den Zeichensätzen unter Mac OS Classic vergleichen. Unter Mac OS X gibt es im Minimum drei verschiedene Fontsfolder:
  • /System/Library/Fonts
  • /Library/Fonts
  • /Users/ich/Library/Fonts

Unter /System/Library/Fonts hat der Benutzer (auch der Administrator) keine Schreibrechte. Das ist auch gut so, denn diese Schriften werden zwingend für das Betriebssystem benötigt. Das Verzeichnis /Library/Fonts stellt allen Benutzern Schriften zur Verfügung, die auf dieser Station arbeiten. Und schliesslich /Users/ich/Library/Fonts, wobei «ich» für den Benutzernamen steht. Dort speichert man die Schriften, auf die nur der jeweilige Benutzer Zugriff hat. Sobald ein anderer User angemeldet ist, stellt auch der Library-Ordner ein anderes Objekt dar.

In der Praxis

Wenn man wie bis jetzt unter Mac OS X arbeiten will, müsste man seine Schriften immer in /Library/Fonts stellen, damit jeder Benutzer darauf zugreifen kann. Leider gibt eine gravierende Einschränkung: Schriften dürfen nur offen in diesen Ordnern platziert werden, sonst werden sie nicht gelesen. Und das macht die Mac-OS-X-eigene Fontverwaltung nur für Bereiche mit einigermassen konstanten Schriftsätzen interessant. Im Datenhandling sowie im Inseratebereich dürfte dieses System wenig Zustimmung finden, da mit offenen Schriften kein Schriftenmanagement möglich ist.

Back to the roots?

Adobe kündigte Mitte 2001 an, ATM werde nicht mehr weiterentwickelt. Braucht es ja auch nicht, das Betriebssystem stellt Postscript-Unterstützung zur Verfügung, und das ohne leidige Systemerweiterungen und Kontrollfelder. Aber der fehlende Schriftenmanager war und ist eine Lücke, die Adobe hinterlässt. Extensis sprang in die Bresche und entwickelte Flugs Suitcase 10.1 für Mac OS X. Das Schriftenmanagement gestaltet sich nun auch unter Mac OS X wieder so, wie wir es uns gewohnt sind. Zeichensätze können aktiviert und deaktiviert werden. Die Features von Mac OS X hinsichtlich der Unterstützung für Windows-Fonts bietet auch Suitcase. Am besten erstellt man als Administrator einen neuen Ordner auf der obersten Ebene mit dem Namen «Schriften».

OpenType, eine Synergie

Herkömmliche Schriftenformate sind etwas Lästiges: TrueType wird nicht von allen RIPs korrekt umgesetzt, Type1 ist komplizert im Handling, Screen- und Printfonts müssen immer zusammen vorhanden sein. Das neue Format OpenType wurde von Adobe und Mi­crosoft 1996 angekünigt. Die Ziele sind vielfältiger Natur:
  • Zusammenfassen der Print- und Screenfonts in eine Datei
  • ein einheitliches Fontformat für Mac und Windows
  • Unicode-Unterstützung für PS-Fonts • einheitliches Dateiformat für PS-Fonts
  • leistungsfähige typografische Funktionen, z.B. automatische Ersetzung von Ligaturen und Kapitälchen

OpenType basiert auf der Struktur von TrueType und enthält sämtliche Informationen, es werden also keine AFM- oder PFM-Dateien benötigt. Dazu kommt eine vollständige Unicode-Unterstützung, d.h., es können endlich mehr als 245 Zeichen in einer Schrift verpackt werden. Bei der Ausgabe werden auf älteren Betriebssystemen (dazu gehört Mac OS 9.2) die Outlines der OpenType-Fonts (Type2) in das alte Type1-Format umgesetzt, so wie es Postscript-Drucker erwarten. Level-1Drucker werden nicht mehr unterstützt. Adobe InDesign kann mit OpenType vollumfänglich umgehen, da Adobe seinen Produkten eine eigene Font­rasterengine eingebaut hat. Und das unter Mac und Windows. Die Funk­tionen beinhalten zum Beispiel die automatische Ersetzung von Buchstabenkombinationen durch passende Ligaturen, echte Kapitälchen, Tabellenziffern, um die Ausrichtung zu erleichern, usw.

Verfügbarkeit

OpenType wird von allen Schriftenherstellern unterstützt, bereits verfügbar sind jedoch erste vereinzelte Schriftfamilien wie die Palatino bei der Linotype Library. Auch Adobe liefert bereits Schriften im OpenType-Format aus, zum Beispiel mit dem InDesign-Programmpaket.

Fazit

Schriftenverwaltung wird anders in Mac OS X. Zusammen mit dem neuen Format OpenType und den hinzugekommenen Unterstützungen für Windows TrueType-Schriften dürfte manch kampferprobtem, vom Schriftenchaos gezeichnetem Mac-User ein Stein vom Herzen fallen. Auf der gegenüberliegenden Seite finden Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie Schriftenmanagement unter Mac OS X funktionieren kann.