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Swiss Airlines Ltd

Lifestyle

Wir sind also sexy

Nun fliegt sie also wieder, die neue Swiss Airlines Ltd. Mit Hilfe von Schweizers Geldbeutel und des Magazin-Grafikers Tyler Brûlé.

RALF TURTSCHI Swiss heisst sie also, die neue nationale Fluggesellschaft. Die Ansprüche sind ebenso hoch wie die Emotionen, die seit dem Grounding die Medien überschwappen liessen. Die Namensgebung, so mussten wir uns berichten lassen, sei juristisch diffizil, und so machten die Herren Dosé und Brûlé aus der Not eine Tugend. Resultat: einfach swiss. Ob sich die Grossschreibung oder die Kleinschreibung durchsetzen wird, kann aus heutiger Sicht nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Da gibt es schon mal die erste Unsicherheit. Denn immerhin wurde das Wort Swissair vom altehrwürdigen Duden der Aufnahme für würdig befunden: Swissair, die; – (engl.) (schweiz. Luftfahrtgesellschaft), steht da geschrieben. Was steht wohl künftig in den Reisekatalogen oder in den Zeitungen? Swiss, swiss, Swissair oder Swiss Air Lines? Eine schwer wiegende Frage, auf welche die Dudenausgabe 2008 bestimmt eine treffende Antwort weiss. Gemäss einem Gerücht soll Brûlé auf Geheiss linksgerichteter Rechtschreibreformisten zur radikalen Kleinschreibung genötigt worden sein. swiss schreibt man ebenso klein wie schweiz, suisse, svizzera und svizra.

Ich finds fantastisch, wie es der unerfahrene Brûlé geschafft hat, mit einfachsten Mitteln all die Platzhirsche auszustechen, so dass die ganze Schweiz platt erschlagen ist. «Reduce to the max» wird in den Medien mit dem Smart-Slogan argumentiert. Das ewig alte Lied vom neuen Minimalismus. Bauhaus lässt grüssen. Man stelle sich einmal vor: Er hat nur das visualisiert, was uns allen ebenfalls in den Sinn gekommen wäre. Eine gewöhnliche Schrift für einen Namen. Der i-Punkt ist aus Gründen der Kompaktheit näher zum Stamm gerückt, eine andere Banalität Stufe Grafiker, erstes Lehrjahr. Wie die es hinkriegen, die kleinen Wörter rechts von swiss z.B. im Internet, auf den Espressolöffeln und den Strings der männlichen Flight Attendants ­kleinformatig verlustfrei und erst noch farbig aufzubringen, bleibt der werktätigen Bevölkerung wie unsereins verborgen. Man wird dazulernen müssen. Das sollten Sie Brûlé mal nachmachen: Setzen Sie sich vor den Bildschirm und schreiben Sie mit Arial 24 Punkt Ihren Firmennamen. So könnte Ihr neues Logo aussehen, sehr sexy. Marken- und firmenrechtlich lässt sich sowohl der Name swiss als auch die einfache Gestaltung mit der gewöhnlichen Univers nur schwer schützen. Aber er hat einen draufgesetzt, er zügelt dafür einen erklecklichen Teil unserer Millionen ab. Der Durchschnittsschweizer ist perplex, die Sachverständigen aus Marketing und Werbung freuts, sie finden den Namen aussergewöhnlich. Als Gewöhnlicher muss man wissen, dass es den omnipräsenten Talkern (zu deutsch Schwätzern) wie Klaus J. Stöhlker vorbehalten ist, das Geniale im Banalen zu verstehen.

Das zu schlanke Schweizerkreuz begründen die Macher damit, dass es sich dabei um ein Logo handle, das habe nichts mit Heraldik zu tun. 1899 definierte der Bundesrat das seit 1815 gültige Wappen wie folgt: «Die vier Arme des aufrechten Kreuzes müssen um einen Sechstel länger als breit sein». Der Abstand des Kreuzes zum roten Grund ist hingegen nicht festgelegt. Das Kreuz auf der Heckflosse ist ein bisschen schlanker, sonst ist das nicht gelifestylt – eben sexy und schlank, das Ebenbild der Schweizer, eben swissness. Nach einem Sturm der Entrüstung ist das Ding nun mehrheitsfähig überarbeitet worden. Über die Farbe ist mittels Internet wenig herauszubekommen, sie soll Norweger-Rot heissen. Offenbar sieht der Bundesrat hier weniger Handlungsbedarf. Bei 800 kg Gewicht pro Fliegerbemalung würde ich ein Rot der RAL-Reihe «Light» empfehlen. Pantone wird mit der neuen Farbbezeichnung «Swiss Red» nachziehen müssen. Big Business für alle.

Die internationale Situation des Preisdruckes scheint swiss nicht zu kümmern. «Wir positionieren uns halt anders», äusserte sich Brûlé zu entsprechenden Journalistenfragen. Als Erstes soll es im Flugzeug kein Plastikbesteck mehr geben. Metallmesser mit Sollbruchstelle werden nur gegen Vorweisung von Pass und Leumundszeugnis ausgehändigt. Die traditionsverbundenen Swisser dürfen als Privileg zum Essen das Original Swiss Offiziersmesser verwenden. Das nennt sich dann Lifestyle. In der Economy mit eng anliegenden Ellbogen über der dampfenden Alufolie im Kampf mit dem Nachbarn – grandiose Erlebnisgastronomie! Da geben wir uns Mühe, uns mit gesunder Kost fit zu halten, regionale Produkte frisch vom Markt zu kaufen, wir meiden die Mikrowelle wie der Teufel das Weihwasser – und nun das.

Zukünftig werden strenge Gesichtskontrollen vorgenommen, denn eine Lifestyle-Gesellschaft verträgt nur ein bestimmtes Publikum. Aller Biederkeit wird der Garaus gemacht. Das kann beim Vorabend-Check-In auf den Bahnhöfen geschehen. Dort werden neue Beauty-Farmen als Bahnnebenbetriebe eingerichtet, alte Schnäuze abgeschnitten, modischere Brillen verpasst, Finger- und vor allem Fussnägel kürzer geschnitten und in modi­sche Markenschuhe gesteckt. Birkenstock ade.

Für den Schriftzug swiss und die Corporate Type wird die Linotype Univers benützt, die neue Univers, welche mit drei Ziffern den Schnitt definiert (s. Publisher 6/01). Gerüchte, wonach Brûlé einen Deal mit Linotype geschlossen hat, um 5000 Lizenzen der Schrift in der erneuerungsunwilligen Schweiz verkaufen zu können, sind frei erfunden.

Das Design Manual (Vor-Vor-Betaversion?) ist unter www.crossair.ch downloadbar. Ein erster Blick lässt raffiniertes Design vermissen, weisse Schrift auf roten Rechtecken, Dutzendware, einem modischen Trend folgend, sicher nicht Trend setzend. Da gehe ich einig mit den Machern, das ist schweizerisch. Was will man nun wegen der Schenkel des Kreuzes Theater machen, während bei der Farbe alles erlaubt ist und das Logo keine Heldentat bedeutet? Brûlé belebt die Konjunktur – und das ist sexy.