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Typografie: Grenzen und Schr�nde

So grenzenlos wie es scheint, ist die Typografie auch heute nicht. Spätestens am Rand und im Bund ist eine gewisse Vorsicht am Platz, soll nicht Wichtiges einfach der Fräse oder Schneidmaschine zum Opfer fallen.

Ralf Turtschi — Der Computer bildet die grösste Grenze für Gestaltungsprozesse. Auf der einen Seite neigt man gerne dazu, nur gerade das zu gestalten, was man mit dem Computer in der Lage ist zu tun, also innerhalb der eigenen Computerkompetenzen zu agieren. Auf der andern Seite besteht die Gefahr, dass Gestalter sich wenig darum kümmern, was später im Produktionsprozess geschieht. Eigentlich schade, wenn der Bildschirm die kreativen Grenzen verdeckt.
Das Format und der Bund stellen für jede Gestaltung Grenzen dar, die mit der Weiterverarbeitung zu tun haben. Welche Anforderungen stellen diese Zonen an die Gestalter? Es gibt ganz verschiedene Produktionsverfahren und je nach Ausrüstung gelten andere Vorschriften.

Die Aussenseiten

Randangeschnittene Bilder benötigen etwa 3 mm Beschnitt, d. h., sie müssen um so viel Über die Formatbegrenzung hinaus laufen. Nach dem Falzen schneidet der Buchbinder das Druckformat aufs endgültige Papierformat. Schnitttoleranzen von bis zu 1,5 mm sind je nach Papier und Druckverfahren einzuplanen. Wer Linien, Flächen oder Bilder ohne Beschnittzugabe direkt an das Seitenformat legt, der muss mit Blitzern rechnen, weil der Buchbinder nicht so genau schneiden kann. Problematisch wirds bei der Schrift, die man nicht einfach wie eine Linie verlängern kann. Bei geraden Buchstaben kann man zwar Beschnitt ansetzen, bei runden oder spitz zulaufenden nicht.

Der Bund

Komplexer ist die Beschnittvorgabe im Bund. Bei Layoutseiten wird kein Beschnitt im Bund angesetzt, Bilder können doppelseitig über den Bund laufen. Bei ganzseitigen und randabfallenden Anzeigen kommt es darauf an, ob sie auf eine linke oder eine rechte Seite zu liegen kommen. Je nachdem muss innen kein Beschnitt, aussen müssen aber 3 mm angesetzt werden. Meistens weiss man die Platzierung im Voraus nicht. In diesem Fall setzt man ringsum je 3 mm Beschnitt an. Beim elektronischen Ausschiessen in der Druckerei wird dann der Beschnitt weggerechnet, wo er nicht stehen soll. Klebegebundene Broschüren brauchen Platz im Bund. Bilder dürfen zwar bundüberlaufend gestaltet werden, bildwichtige Teile gehören aber nicht in den Bund. Ebenso darf man keine Texte unbedarft über den Bund laufen lassen. Bei Titeln soll er möglichst zwischen zwei Wörter zu liegen kommen oder wenigstens zwischen zwei Buchstaben. Der Bund ist ein gefrässiger Schrund, der alles verschluckt, was ihm in den Rachen geworfen wird. Kleine Texte wie Bildlegenden dürfen nie bundüberlaufend gestaltet werden. Seitenzahlen gehören niemals in den Bund. Seitenzahlen dienen dem schnellen Auffinden nach der Konsultation des Inhaltsverzeichnisses. Wenn nun diese sich im Bund befinden, dann muss man alle Seiten immerfort aufschlagen, um zum Ziel zu gelangen. Das ist kein Dienst am Leser. Wer die Pagina in den Bund versenkt, hat wesentliche Lesevorgänge nicht begriffen.