Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 1999 >> Publisher 3-99 >> Hard- und Software >> Nikon Coolpix 950: Bilderf�nger mit wohlgeformten Rundungen

Nikon Coolpix 950: Bilderf�nger mit wohlgeformten Rundungen

Mit der pechschwarzen Coolpix 950, einer digitalen Schnappschusskamera mit einer 2.1-Mpix-Auflösung, lanciert Nikon eine würdige Nachfolgerin der viel gelobten silbernen Coolpix 900 und hofft mit ihr, den Weg für kommende Produkte ebnen. Unser Praxistest zeigt, dass die Coolpix hält, was der Name Nikon verspricht.

Nikon gehörte mit Geräten zur elektronischen Bildübermittlung, professionellen Digitalkameras und Filmscannern zu den Pionieren der Digitalfotografie. Nach anfänglichen Flops auf dem jungen Consumer Markt für Digitalkameras und dem Erfolg der zweiten Kamerageneration (Coolpix 900) strebt Nikon nun die Marktführung bei Digitalkameras an. Insgeheim hofft Nikon über die Digitalfotografie wieder die Gilde der Profifotografen zurück zu gewinnen.

Die kleine Schwarze

Als ersten Schritt in diese Richtung präsentiert Nikon die Coolpix 950 im mattschwarzen Profi-Look und mit einer Auflösung von 1600 × 1200 Pixeln. Immerhin reicht diese im Zeitschriftendruck für einen querformatiges Bild in voller Breite, und selbst fürs Screen-Publishing macht das Plus an Information Sinn. Denn entgegen der oft vertretenen Meinung, dass für Bildschirmpublikationen eine niedrigauflösende Kamera reicht, zeigt die Erfahrung, dass mehr Pixel sowohl mehr Qualität als auch einen grösseren Spielraum bedeuten. Bei der Bildbearbeitung sind exakteres Arbeiten und feinere Filtereinstellungen möglich, bevor die Auflösung aufs gewünschte Bildschirmformat runter gerechnet wird. Zudem lassen sich bei höherer Auflösung öfters mal bessere Ausschnitte wählen.

Ganz im Sinn optimaler Qualitätssicherung kann denn auch die Coolpix 950, die Fotos nicht nur als JPEG, sondern auch als unkomprimierte 5.5-MB-TIFF-Dateien sichern, wobei es auf der mitgelieferten 8-MB-CompactFlash-Karte richtig eng wird. Ärgerlich ist, dass sich der Steckschlitz für die Bildspeicherkarten unten befindet, die Kamera also allenfalls erst vom Stativ entfernt werden muss, und dass die Abdeckung aus einem Plastikdeckel besteht, der ästhetisch nicht passt und nach einiger Zeit nicht mehr richtig schliessen will.

Handliches Design

Im Gegensatz zur eckigen 900 ist die 950 mit weichen Rundungen versehen, welche die Kamera gut in die Hand schmiegen lässt, ihr aber auch ein etwas plumpes Aussehen geben. Immerhin hebt sie sich angenehm vom modischen Metallic-Look ab und ist unauffällig genug, um unbemerkt Schnappschüsse zu schiessen. Dabei hilft auch, dass die Kamera zweigeteilt ist, d.h. beide Kamerahälften über ein Drehgelenk verbunden sind. Sucher- und Objektivteil können gegeneinander verdreht werden und damit Fotos aus ungewohnten Perspektiven geschossen werden, wobei stets die Bildkontrolle über das Farb-LCD bestehen bleibt. Vom Drehgelenk und LCD abgesehen, sieht die Coolpix 950 wie eine gewöhnliche kompakte Kleinbildsucherkamera aus.

Wer Nikons aktuelle 35mm-Spiegelreflexkameras, die F5 und die F100, kennt, dem sticht die grosse Ähnlichkeit der Coolpix zu diesen ins Auge – schwarz gummiertes Metallgehäuse mit roter Fingerbeerenmulde.

Die Coolpix ähnelt nicht nur einer grossen Nikon, sondern liegt ähnlich gut und vertraut in der Hand. Der Auslöser befindet sich auf dem Knauf und gleich unterhalb befindet sich ein Einstellrad, das ebenfalls mit dem Zeigefinger bedient wird. Rückseitig mit dem Daumen erreicht man die üblichen Tasten fürs Zoom bzw. als Up-Down-Tasten für die Menüsteuerung der Einstellungen auf dem Display. Nebenan befinden sich Tasten zum Einschalten des LCDs und des Einstellungmenüs. Unterhalb dieser Tasten befindet sich ein gutes, leicht überdurchschnittlich grosses Farb-LCD mit einer Bildschirmdiagonale von 5 cm, das als Aufnahmesucher und Wiedergabemonitor funktioniert. Allenfalls kann die Kamera auch dafür an einen Fernseher oder Videorecorder angeschlossen werden. Ebenfalls ist die Kamera mit einem optischen Echtbildsucher ausgestattet, auf den man in gleissendem Sonnenlicht, wenn die LCD-Anzeige nur noch schwer zur erkennen ist, oder aus Stromspargründen zurückgreift.

Profi Features

Während bislang digitale Schnappschusskameras meist durch eine dauernde Energiekrise im Halbstundentakt geradezu unbrauchbar erschienen, haben die Hersteller dieses Problem gelöst. Auch Nikons Coolpix 950 vermag diesbezüglich zu überzeugen. So wurden mit vier 1.5-V-Batterien der Standardgrösse AA im Schnitt etwa 230 Aufnahmen gemacht, wobei der Blitz allerdings eher spärlich zum Einsatz kam, das LCD dagegen mehrheitlich in Betrieb war.

Zu den Profifeatures gehört der Anschluss eines externen Blitzgerätes. Leider setzt Nikon hierbei nicht wie Sony und die Canon bei ihren Topmodellen auf einen ISO-Standardschuh. Statt dessen handelt es sich um eine spezielle Buchse, an der per Kabel ein externer Blitzschuh mit TTL-Blitzkontakten angeschlossen wird. Dazu bietet Nikon eine geschwunge Blitzschiene an, die Raum für Objektivdrehbewegungen lässt. Alles in allem eine unhandlich und wenig professionell anmutende Konstruktion, die einem lieber den eingebauten Automatikblitz mit den üblichen Funktion (Autozuschalt, generalle Ausschaltung, Doppelblitz zur Reduktion von roten Augen, Aufhellblitz) bevorzugen lässt.

Der Anpassung an die verschiedenen Lichttemparaturen, der Weissabgleich kann automatisch erfolgen oder durch manuelle Eichung, konnte jedoch nicht restlos überzeugen und führt zu minimal farbstichigen Bildern. Doch damit steht die Coolpix 950 nicht allein, vermochte bislang keine getestete Kamera diesbezüglich zu überzeugen.

Die Stärke der Coolpix sind ihre drei Messmethoden, die sich seit in den Profikameras bewähren. Neben der alten mittenbetonten Messung bietet Nikon eine Mehrfeldmessung, die Ergebnisse aus einzelnen Feldern mit gesammelten Datenprofilen vergleicht und so eine ausgezeichnete Treffsicherheit erzielt. In Spezialfällen wie dem angestrahlten Gesicht eines Schauspielers auf eine Bühne setzen Profis die Spotmessung ein, und können so Bildteile auf Wunsch ausmessen und ihre Erfahrung spielen lassen.

Klassentypisch ist das Dreifach-Zoomobjektiv mit einem Brennweitenbereich von 38-115mm. Die Lichtstärke von f=2.8 ist bescheiden im Vergleich zu Konkurrenzmodellen mit f=2.0 und wohl durch die kompakte Bauweise des Objektivs bedingt. Um die die Einsatzmöglichkeiten der Kamera zu erweitern, bietet Nikon drei Vorsatzlinsen an, die in das Filtergewinde des Zooms eingeschraubt werden. Es handelt sich um einen Weitwinkel- und eine Televorsatz zu je rund 200 Franken. Sowie einer grosse Fish-Eye-Vorsatzlinse für Aufnahmen mit einem Bildwinkel um die 180 Grad. Die knapp 500 Franken teure Linse wird in das Filtergewinde des 38-115mm-Zoomobjektive geschraubt und öffnet den begrenzen Weitwinkelbereich des Zooms nach unten. Die Vorsatzlinse ermöglicht vollformatige und kreisrunde Abbildungen – als ob man durch eine Röhre gucken würde.

Das Digitalzoom mit den Stufen 1.5x, 2.0x und 2.5x ist eine reine Notlösung, zumal ein nachträglicher Ausschnitt mit bikubischer Interpolation und Nachschärfung im PC bessere Resultate erzielt. Immerhin kann das Digitalzoom dann von Vorteil sein, wenn anschliessend direkt ab den Bildspeicherkarten mit einem Tintenstrahler gedruckt werden.

Führend punkto Bildqualität

Gesamthaft hinterlässt die Kamera ein sehr guten Eindruck – nicht zuletzt dank gutem Energiemanagement und hoher Bedienerfreundlichkeit. In den Details steckt allerdings noch einiges an Verbesserungspotential. Die Bildqualität ist momentan in dieser Kameraklasse kaum zu übertreffen und im Vergleich zu der von den meisten aktuellen Konkurrenzmodellen gut bis sehr gut.

Markus Zitt