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OpenType f�r korrekte Typografie

Gute Typografie unterscheidet Profisatz von einem simplen Word-Text. Nur wer die Schieber und Regler kennt, holt mit minimalem Aufwand das Maximum heraus.
HAEME ULRICH Gute Typografie in InDesign bedingt optimale Voreinstellungen. Zwar sind InDesigns Standardeinstellungen nicht schlecht, doch durch leichte Anpassungen bei Silbentrennung und Abstände zum Beispiel lässt sich die Qualität des Umbruchs massiv steigern.

Voreinstellungen für Text

Neuer Text basiert in InDesign immer auf dem Absatzformat [Einfacher Absatz]. Dieses Format ist auch sichtbar, wenn keine Datei geöffnet ist. Und genau dann sollten Sie sich dieses [Einfacher Absatz] mal vorknöpfen:

Öffnen Sie dieses Format – am einfachsten durch einen Klick mit der rechten Maustaste auf das Format und dann «[Einfacher Absatz]» bearbeiten... Ich öffne grundsätzlich nie Formate über einen Doppelklick. Denn durch den ersten Klick des Doppelklicks könnte es sein, dass ich dem zu bearbeitenden Format irrtümlich Text zuweise. Über die rechte Maustaste kann ich das Format öffnen, ohne es auszuwählen.

In der Kategorie Grundlegende Zeichenformate können Sie sich die gewünschte Standardschrift hinterlegen. In aller Regel sind die 12 Punkt als Schriftgrösse hier etwas gross. Ich verwende als Standard 10 Punkt.

Bei Silbentrennung scheidet sich Weizen vom Spreu. Hier geben Sie an, wo, wann und ob überhaupt getrennt wird. Für Deutsch nehme ich die Werte (von oben nach unten): 5, 2, 3, 3, 0. Wobei der Wert Null bei Trennbereich nur dann zum Tragen kommt, wenn im Flattersatz mit dem Adobe-Ein-Zeilen-Setzer gearbeitet wird.

Den Schieberegler ziehe ich ganz nach links, damit die Wortabstände im Blocksatz einheitlich werden. Das führt zu einem ruhigen und homogenen Schriftbild. Die Optionen am unteren Ende des Dialogs sind selbsterklärend. Sicher ist die Deaktivierung von Grossgeschriebene Wörter trennen (da sind Substantive gemeint) nur im Englischen eine mögliche Option.

Weiter geht es mit der Abteilung Abstände, wo Abstände zwischen Wörtern, Zeichen und das horizontale Skalieren von Glyphen geregelt werden. Bei Wortabstand hinterlege ich dem [Einfacher Absatz] die Werte 80, 100, 160. Sollten die Wortabstände für Ihr Empfinden zu klein sein, könnte hier der Optimalwert leicht erhöht werden. Jedoch sollte im Standard [Einfacher Absatz] auf solche Spezialitäten verzichtet werden. Bei Zeichenabstand habe ich die besten Erfahrungen mit den Werten –1, 0 und 1 gemacht.

Glyphenabstand ist in InDesign CS3 falsch übersetzt. Es müsste Glyphen­skalierung heissen. Denn hier geht es darum, die Glyphen horizontal leicht zu verzerren, damit InDesign einen optimalen Umbruch rechnen kann. Ich wähle hier 98, 100 und 102 Prozent. So ist der maximale Unterschied zwischen zwei Zeilen vier Prozent. Was in gedruckter Form nicht sichtbar ist, gewährt jedoch der Text-Engine von InDesign viel Freiheit beim Berechnen eines besseren Zeilenfalls.

Den Automatischen Zeilenabstand belasse ich bei 120 Prozent des Schriftgrades, was bei der 10-Punkt-Schrift einen Zeilenabstand von 12 Punkt ergibt. Einzelnes Wort ausrichten bestimmt, was bei aktiver Konturenführung passiert, wenn im Blocksatz nur noch ein Wort auf der Zeile Platz hat. Blocksatz sperrt das Wort, die anderen Optionen sind selbsterklärend.

Der Setzer ist eine Strategiefrage und kann nicht pauschal gesetzt werden. Der Adobe-Absatzsetzer berücksichtigt zum Rechnen des Umbruchs immer den gesamten Absatz. Der Adobe-Ein-Zeilen-Setzer schaut nur auf die aktuelle Zeile. Wer sich die Zeit nehmen kann, den Zeilenfall manuell zu regeln, sollte den Adobe-Ein-Zeilen-Setzer verwenden, weil der Absatzsetzer davon ausgeht, dass er den gesamten Umbruch allein managen darf.

Vorsicht ist bei Autorkorrekturen mit aktivem Absatzsetzer geboten. Weil der gesamte Absatz zum Berechnen des Zeilenumbruchs berücksichtigt wird, kann es sein, dass, wenn Sie auf Zeile zehn eine Korrektur machen, auch die Zeile zwei neu umbrochen wird.

Trotzdem verwende ich als Standard den Absatzsetzer, weil ich meist nicht die Zeit habe, von Hand einen optimalen Umbruch zu konstruieren. Falls InDesign in künftigen Versionen ein besser ausgebautes deutsches Wörterbuch bekommt, kann man für den konsequenten Einsatz des Absatzsetzers durchwegs grünes Licht geben.

Kontrolle der Einstellungen

Nun ist es in der Anwendung natürlich so, dass hier gemachte Vorgaben für den Umbruch nur dann eingehalten werden können, wenn dadurch keine grammatikalischen Regeln verletzt werden. Es könnte also durchaus sein, dass gut gemeinte Einstellungen bei Silbentrennung und Abstand überhaupt nicht praxistauglich sind.

Um gemachte Einstellungen zu prüfen, füllen Sie sich eine Spalte mit deutschem Text und schalten in den InDesign-Voreinstellungen unter Satz die Option Silbentr.- & Ausr.-Verletzungen an. InDesign hinterlegt nun Zeilen gelb, die orthografisch nicht gemäss Ihren Vorgaben umbrochen werden. Je stärker das Vergehen gegen Ihre Vorgaben, desto dunkler das Gelb.

Facts zu OpenType

OpenType ist ein Schriftenformat von Adobe und Microsoft. Obwohl es schon 1996 veröffentlicht wurde, ist es immer noch nicht in aller Munde. Warum? Schriften erneuern sich nur beim Neukauf/Update. Und: «Schriften klaut man, die kauft man nicht neu» ist leider das Motto vieler Softwarepiraten der grafischen Industrie. So setzen sich neue Schriftenformate wie OpenType nur zögerlich durch.

OpenType ist das Nachfolgeformat von PostScript Type 1 und TrueType. Wer heute investiert, sollte nur noch OpenType kaufen!

OpenType-Fonts sind plattformunabhängig, die gleichen Schriften laufen also auf Mac und PC. Pro Schriftschnitt gibt es wie bei TrueType nur eine Datei, bei den guten alten PostScript-Fonts hatte man bis zu drei. Für Fremdsprachensatz ist die Unicode-Basis der OpenType-Fonts extrem wichtig.

Schriften mit Funktionen

Aus typografischer Sicht sind Funktionen in OpenType-Schriften besonders hilfreich. Schriftenhersteller betten dabei Scripts in die OpenType-Schrift ein, die zum rechten Zeitpunkt die Glyphen tauschen. So sind echte Kapitälchen, unterschiedliche Ziffernvarianten, typografisch korrekte Brüche und vieles mehr möglich. Vorsicht: Nicht jede OpenType-Schrift ist gleich ausgebaut. Bei den meisten Schriftenherstellern sieht man den Umfang bereits auf der Website.

OpenType-Funktionen sind bei aktivem Textwerkzeug über das OpenType-Menü im Bedienfeldmenü oben in der Steuerung erreichbar. In diesem Menü werden alle von InDesign unterstützten OpenType-Funktionen aufgeführt. Der aktiven Schrift sind aber jeweils bloss die ohne eckige Klammer hinterlegt.

Brüche

Sind der OpenType-Schrift Brüche hinterlegt, markieren Sie Zähler und Nenner und weisen dann über das OpenType-Menü aus dem Bedienfeld der Steuerung die Bruchfunktion zu. OpenType-Brüche haben mindestens zwei gewaltige Vorteile gegenüber herkömmlichen Varianten: Sie sind typografisch korrekte Zähler und Nenner der Ziffern. Dann sind als Zeichen immer noch die ursprünglichen Werte hinterlegt. Aus den drei Zeichen 1/2, das sind zwei Zahlen und ein Strich, wird nicht plötzlich ein Zeichen, wie dies bei einem Bruchzeichen früher der Fall war. Bei der Mehrfachnutzung von Text ist dies ein entscheidender Vorteil.

Echte Kapitälchen

Bei Kapitälchensatz haben die Kleinbuchstaben die Form der Grossbuchstaben, sind aber kleiner. In den wilden Anfängen des DTP hat man die Grossbuchstaben einfach runterskaliert, um so die Kleinbuchstabenvariante der Kapitälchen zu erhalten. Aus typografischer Sicht ein Verbrechen, weil durch das Skalieren auch die Strichstärke der Glyphe verringert wurde. Bei OpenType-Schriften muss dies nicht mehr so sein. Sind Kapitälchen als Glyphen dem Font hinterlegt, werden die Glyphen der normalen Kleinbuchstaben durch Anwenden der OpenType-Funktion mit Kapitälchenglyphen ausgetauscht.

Ziffern je nach Verwendung

Im Lauftext sollten Ziffern ausgeglichen sein. Eine Eins sollte weniger Platz in Anspruch nehmen als jede andere Zahl. In der Tabelle hingegen muss die Eins die gleiche Breite haben. Dann gibt es noch die Ziffern-varianten mit Ober- und Unterlängen, die so genannten Mediävalziffern. Mit OpenType-Funktionen können die Ziffernvarianten mit einem Mausklick umgeschaltet werden. Es gibt die folgenden Ziffernvarianten: Versalziffern für Tabellen; proportionale Mediävalziffern; Proportionale Versalziffern; Mediävalziffern für Tabellen.

Null mit Schrägstrich ist eine OpenType-Funktion mit grossem Nutzen in Geschäftsberichten, wo Text und Zahlen gemischt werden. Die Null wird, wie in der IT häufig, schräg durchgestrichen, um sie klar von dem Grossbuchstaben O unterscheiden zu können.

Fremdsprachensatz

Doch es gibt aufwendigere Sprachen als Deutsch. Im Arabischen ändert sich die Glyphe beispielsweise je nach Position im Wort. Damit sich diese Glyphen selbst anpassen, gibt es als OpenType-Funktion die Positionalformen.

Eigene Funktionen

Schriftenhersteller können benutzerdefinierte OpenType-Funktionen programmieren. So liessen wir kürzlich für ein grosses Katalog-Publishing-Projekt eine Schrift so erweitern, dass ein- und zweistellige Ziffern automatisch zu einem negativen Kasten geändert werden. Das hat haufenweise Programmierungen bei der Datenbankimplementierung gespart und gleichzeitig die Sicherheit enorm erhöht.

OpenType im Absatzformat

OpenType-Funktionen werden normalerweise nicht händisch zugewiesen. So sollten die korrekten Ziffern natürlich dem Absatzformat hinterlegt sein. Sie erstellen je ein Absatzformat für den Lauftext und ein anderes für die Tabelle.

Fazit

Mit InDesign gewinnt Toptypografie wieder an Stellenwert. Ohne viel Handarbeit können die guten alten Werte wieder eingehalten werden.

 

Glyphe

Bei OpenType müssen «Glyphe» und «Zeichen» strickte unterschieden werden. Das Zeichen ist der «sprachliche Wert», die Glyphe das «optische Erscheinungsbild» des Zeichens.

 

Der Autor

Haeme Ulrich von ulrich-media ist Trainer und Berater für Adobe InDesign.

www.ulrich-media.ch
ulrich@ulrich-media.ch

 

Tipp

Auch an der swiss-publishingweek geht es um Typografie und OpenType-Schriften.

www.swiss-publishing-week.ch