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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


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Kreativpapiere

Die Vorz�ge des Papiers kommen nicht mit �weiss, gestrichen� zur Geltung.
RALF TURTSCHI Der Begriff «Kreativpapier» steht etwas diffus für diejenigen Papiere, die vom Gewohnten abweichen. Die Grenzen sind fliessend. Es gibt Kreativpapiere, die sogleich auffallen, und solche, deren Kreativität erst beim näheren Hinsehen oder haptisch zum Vorschein kommt. Der Beschrieb von Kreativpapier ist schwierig, weil Haptik etwas zum Begreifen im Sinn von Befühlen ist. Genauso wie Textilien nur unvollkommen mittels Text beschrieben werden können, geht es beim Papier: Glatt und glänzend wird eben nur andeutungsweise einem Chromolux gerecht. Samtig gilt fürs 08/15-Kopierpapier genauso wie für Conqueror CX22, aber welch ein Unterschied besteht in Wirklichkeit!

Mit Papier wird Corporate Design unterstrichen, Papier kann auch eine Haltung vermitteln. Eine edle Uhrenmarke auf gewöhnlichem Normaset präsentiert, das ist schon ein schwieriger geistiger Spagat am Rande der Unglaubwürdigkeit. Den Jahresbericht von der Schweizer Berghilfe erwarte ich niemals auf einem Kunstdruckpapier.

Papier als Markenkernwert

Die Zeitschrift Publisher geht seit 2006 den Weg, den Umschlag auf ein im Markt neues Kreativpapier digital, teilweise personalisiert, zu drucken. Das Cover dieses Heftes ist schlangenhautgeprägt und vermittelt handgreiflich das darauf gedruckte Sujet. Kreative Oberflächen sind in vielen Variationen erhältlich: gerippt, geprägt, filzmarkiert, metallic, perlmuttschimmernd usw.

Der «Griff» eines Papiers übt auf den Konsumenten eine fast magische Wirkung aus. Ich erinnere an den «Gummiumschlag», Publisher 5/06, der beim Anfassen das Gefühl eines Latexhandschuhs hervorrief. Das Cover 4/07 mit dem chrombedampften Papier oder das letzte Cover 3/08 auf durchsichtige Folie zeigen den Publisher-Lesern, wie Papier inszeniert werden kann. Laut Verlag warten die Leserinnen und Leser geradezu gespannt auf weitere innovative Lösungen. Mit Krea­tivpapier konnte in der Zeitschriftenlandschaft innert zweier Jahre der Markenkernwert «innovativ» als Duftmarke gesetzt werden.

Dabei ist Kreativpapier im Zusammenhang mit Druck keinesfalls «courant normal». Ein neues Papier ist oftmals nicht auf Digitaldrucksystemen getestet, die Erfahrungen müssen on the job gemacht werden. So kommt es auch vor, dass Rückschläge folgen und man neue Wege suchen muss. Jedes Digitaldrucksystem hat andere Leistungsmerkmale, so ist zum Beispiel ein geripptes oder geprägtes Papier nicht mit allen Systemen gleich gut zu bedrucken. Die Kreativen tun gut daran, vor der eigentlichen Kreation bei Drucker und Buchbinder Beratung zu holen. Mögliche Gefahren bei der Bildwiedergabe, Informationen über Falzbarkeit, Klebefähigkeit oder Toleranzen sind besser vor dem Gestaltungsprozess abzuklären.

Das unterschätzte Couvert

Briefumschläge werden vielfach als funktionale Transporthülle angesehen, die man zuerst unbeachtet wegwirft. In vielen Bereichen mag dies zutreffen. Gerade deshalb ist ein auffälliges Couvert Gold wert, wenn es darum geht, sich von der Einheitsware abzugrenzen. Couverts sind erstklassige Augenöffner. Wer öffnet nicht eine Hülle aus einem edlen oder kreativen Papier? Man will schliesslich wissen, wer so einen Aufwand betreibt, um einen anzusprechen. Dass der Inhalt überhaupt die erste Hürde des Brieföffnens nimmt, verdankt er weitgehend dem Couvert.

Kreativ, aber teuer?

Kreativpapiere sind ganz klar teurer als Standardware. Der Mehrwert des Papiers ist nicht immer gerechtfertigt. Wenn das Kreativpapier allein so viel kostet wie der ganze Druckauftrag auf ein Normalpapier, dann spart jeder Auftraggeber beim Papier. Ein Papierbogen, aus dem 4 Blatt A4 resultieren, kann schon mal gegen CHF 2.– kosten. Bei kleinen Auflagen wie 200 A5-Postkarten macht der Papierpreis dann CHF 50.–, im ganzen Auftrag von rund CHF 300.– einen Sechstel. Wenn man aber 20000 Postkarten druckt, dann ist der Papierpreis CHF 5000.–, der Druckpreis liegt bei etwa CHF 2000.–. Der Papieranteil ist also zweieinhalbmal so hoch wie der reine Druckpreis. In diesem Fall fragt sich mancher Auftraggeber, ob der höhere Preis den Mehrwert des Papiers rechtfertigt. Auf der andern Seite kann man auch die CHF 2000.– «zum Fenster hinauswerfen», weil die Postkarte nicht oder weniger wahrgenommen wird. Mit Kreativpapier wird Image transportiert und dem Image wiederum ist mit einem Geldvergleich schlecht beizukommen. Etwas Besonderes darf und muss auch mehr kosten, sonst leisten es sich alle und es verliert an Besonderheit.

Kreativpapier und Corporate Design

Wer im Unternehmen konsistente Papiere einsetzen will, hat mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine Reihe von Anforderungen kämpfen um Priorität.

  1. Im internationalen Unternehmen sollte das Papier weltweit erhältlich sein. Das schränkt automatisch ein.
  2. Das Papier sollte verschiedene Funktionen erfüllen: Bilderdruck für Prospekte ist etwas anderes als Zeitschriftendruck; die Hauszeitung oder das Kopierpapier erfordern andere Papiersorten.
  3. Es sollte eine fein abgestufte Grammatur des Papiers vorhanden sein.
  4. Die Kollektion sollte passende Briefumschläge enthalten.
  5. Im besten Fall sollte das Papier auch Alternativen aufweisen, die zum Beispiel für festliche Anlässe eingesetzt werden können.
  6. Das Papier muss kostengünstig sein, um auch in der Office-Umgebung eingesetzt werden können.
  7. Das Briefpapier soll gleich aussehen wie das normale Kopierpapier.
  8. Das Briefpapier soll laserdruckfähig sein.

All diese Wünsche sind schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Beim kleinen Unternehmen eher als beim Konzern, der sich ja auch nicht unbedingt durch Kreativität hervortun muss. Da finden sich eher kostengünstige Standardpapiere.

Zwei Sorten möchte ich gleichwohl empfehlen, die ich immer wieder verwende: Conqueror, welches in acht Oberflächen/Qualitäten besteht. Wir selbst verwenden in der Agenturtschi Conqueror CX22 als Briefpapier, ich bin ganz hingerissen von der Weisse und der Feinheit!

My360° ist eine Kollektion mit einer grossen Palette vom Office-Bereich bis hin zu den Krea­tivpapieren – eben 360°.

Die Trendsetter

Die Kreativen können sich nicht über Innovationen beklagen. Im Jahresrhythmus werben Mailings oder Musterkollektionen um die Gunst der Agenturen und Grafiker. Speziell innovativ gelten die Hersteller Arjo Wiggins und Gmund, die mit ihren Kollektionen auf Augenhöhe mit der Modebranche stehen. Wie eingangs schon erwähnt, man kann es nicht beschreiben, man muss es fühlen, riechen und sehen. Benützen Sie den Musterservice bei den Herstellern.