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Canon will Oc� kaufen � Oc� sagt Ja

Verwaltungsräte und Management der beiden Firmen haben sich auf ein Übernahme­angebot geeinigt. Ziel ist es, zusammen zur Nummer 1 der Printing-Industrie zu werden. Noch ist offen, ob das nötige Mehr an Océ-Aktionären mitspielen wird.

MARTIN SPAAR Am 16. November gaben Canon und Océ zur Überraschung der ganzen Branche in einer gemeinsamen Erklärung bekannt, dass Canon im Rahmen einer freundlichen Übernahme alle Océ-Aktien aufzukaufen gedenke. Hier die wichtigsten Eckpunkte der geplanten Übernahme:

  • Océ bietet einen Kaufpreis von 8,60 Euro je Océ-Aktie, was gegenüber dem letzten Handelstag einen Aufschlag von 70% bedeutet. Inklusive aller Schulden ergibt das einen Wert von 1,1 Milliarden Dollar.
  • Océ soll als Marke und als rechtliche Einheit erhalten bleiben und Venlo weiterhin als Océ-Hauptsitz fungieren.
  • Die jetzige Océ-Production-Printing-Division soll zur Océ-Division innerhalb von Canon werden. Darin soll das gemeinsame Portfolio im Bereich Grossformat- und Produktionsdruck vereinigt werden; Océs Office-Ab-teilung soll in Canons bestehende Office-Imaging-Products-Division (OIP) integriert werden.
  • Der Zusammenschluss soll innert dreier Jahre abgeschlossen sein.

Mit dem Zusammenschluss sehen sich die beiden Partner als neue Num-mer 1 der Printing-Industrie. Tatsächlich schliesst Canon mit der Integration von Océ zu den Mitbewerbern Xerox, HP und Ricoh auf und kann nun wie diese ein umfassendes Portfolio an Print-Systemen vom kleinen Desktop-Drucker bis zum Hochvolumen-Produktionsdrucksystem vorweisen.

 

Enge Partnerschaft mit Konica Minolta

So sehr dieses Konzept Sinn macht, so kam diese Nachricht doch völlig überraschend. Wohl galt Océ seit längerem als Übernahmekandidat, als Partner wurde jedoch Konica Minolta gehandelt. Dies mit gutem Grund: Océ hatte im Januar 2008 angekündigt, die OEM-Partnerschaft mit Konica Minolta auszubauen und die Konica-Minolta-Produktepalette weltweit zu vertreiben. So ist die OEM-Version des Konica Minolta bizhub PRO C6501, die Océ CS665 Pro, die Umsatzstütze im Segment der Farb-Light-Production-Systeme. Im Gegenzug vertreibt Konica Minolta die Schwarzweiss-Systeme der Océ-VarioPrint-6000-Familie.

Zudem hatten die beiden Partner angekündigt, zusammen neue Farb-Produktionssysteme zu entwickeln. Dies war vor allem für Océ strategisch wichtig, da man mit den selbstentwickelten CPS-Farbsystemen (CPS 800/900)offenbar in einer Sackgasse angekommen war. Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Infotrends geht davon aus, dass von Océ und Konica Minolta gemeinsam entwickelte Produkte jetzt schon bald verfügbar sein müssten. Man darf gespannt sein, was mit diesen Produkten passiert. Denn genau in diesem Segment der Office und Light Production hat Canon mit den ImageRunner- und ImagePress-Systemen ein sehr starkes Produkteportfolio.

Grossformatdruck als Filetstück

Weniger Fragezeichen gibt es in den anderen Produktekategorien und Geschäftsfeldern. Im Bereich des Grossformatdrucks wird Canon mit Océs umfangreicher Produktepalette ein wichtiger Player. Die Arizona-UV-Systeme sind sehr erfolgreich, und mit Crystal Point hat Océ hier eine sehr interessante neue Technologie zu bieten. Der Grossformatbereich ist quasi das Filetstück im Océ-Portfolio. Dieser Bereich trug im letzten Geschäftsjahr bei einem Umsatzanteil von 29 Prozent stolze 89 Prozent zum Unternehmensgewinn bei.

Ebenfalls eine perfekte Ergänzung zu Canons Sortiment sind die in Poing bei München entwickelten Hochleistungs-Endlosdrucksysteme VarioStream, ColorStream und JetStream. Vor allem die Inkjet-Systeme dürften ein grosses Potenzial haben.

Widerstand eines Grossaktionärs

So gut das alles passt und zwischen Verwaltungsrat und Management der beiden Firmen abgesprochen scheint, so ist der ganze Deal noch längst nicht in trockenen Tüchern. Um Océ übernehmen zu können, muss Canon mindestens 85 Prozent des Aktienkapitals in seinen Besitz bringen. Gerade mal 25,3 Prozent könnte Canon bis zum 1. Dezember an der Börse aufkaufen. Das ist wenig, und dies hat wohl damit zu tun, dass mit Orbis Portfolio Management einer der Océ-Grossaktionäre zum Widerstand aufruft. Der Orbis-Aktienanteil wird auf 10 Prozent geschätzt. Der Grossaktionär wirft dem Management mangelhafte Verhandlungsführung vor und moniert, Océ sei mit dem gebotenen Übernahmepreis von 8,60 Euro je Aktie deutlich unterbewertet. Orbis drängt auf die Suche nach Interessenten für die einzelnen Geschäftsbereiche, da diese einen deutlich höheren Wert für die Aktionäre erzielen könnten.

Schwierige Bewertung der Océ-Aktie

Auf den ersten Blick scheinen die den Océ-Aktionären gebotenen 8,60 Euro ein sehr guter Preis zu sein. Dies speziell, wenn man sich vor Augen hält, dass die Océ-Aktie noch im März 2009 bei 1,90 Euro notierte. Und auch gegenüber dem Kurs vom 13. November, dem letzten Handelstag vor Bekanntwerden vom Canon-Übernahmeangebot, bedeutet der offerierte Preis einen Aufschlag von 70 Prozent.

Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man frühere Übernahmen in dieser Branche zum Vergleich heranzieht. So wurde IBMs Printing-System Division bei der Übernahme durch Ricoh im Jahr 2007 mit 1,4 Milliarden Dollar bewertet – dies bei einem Umsatz, der lediglich etwa einem Drittel von dem Océs entspricht.

Das letzte Wort bezüglich des Zusammenschlusses von Canon und Océ ist also noch nicht gesprochen. Dieses hat der Aktienmarkt, und der ist immer wieder für eine Überraschung gut!