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Makrofotografie

Wie jedes fotografische Genre kennt die Makrofotografie eigene Gesetze. Die Liebe zum Detail, die Enthüllung des Ungesehenen, die Leuchtkraft der Farben und das Spiel mit der Schärfe machen den Reiz aus.

Ralf TurtschiEs gibt verschiedene Definitionen, von Makrofotografie. Bei einer davon wird ein Abbildungsmassstab eines Vollformatsensors (24×36 mm) zu Hilfe genommen. Wenn man eine Biene so fotografiert, dass sie auf 24×36 mm im Massstab 1:1 oder grösser zu sehen ist, dann sprechen wir von einer Makro­aufnahme. Diese technische Definition ist insofern unnütz, da man bei jedem Bild einen entsprechenden Ausschnitt wählen kann, um Details hervorzuarbeiten, sofern Schärfe und Auflösung stimmen. So ist Eidechsen mit einem Makroobjektiv kaum beizukommen, mit einem 400er-Tele hingegen schon. Für Makroaufnahmen gibts ­spezielle Makroobjektive mit verschiedenen Brennweiten oder Zwischenringe. Sie haben den Vorteil, dass die Schärfentiefe gegenüber einem Teleobjektiv sehr klein ist und reizvolle Unschärfen erzeugt. Ein Makroobjektiv schlägt mit etwa 300–500 Franken zu Buche und gilt als eher günstig. Kompaktkameras haben oft eine Makro­funktion, auch mit Handys kann man sich ans Thema heranwagen. Bestechende Aufnahmen gelingen hingegen nur, wenn Blende, Verschlusszeit und ISO motivgerecht vorgenommen werden können. Mit der Einstellung «auto» geht im Makrobereich gar nichts. Die passenden Motive finden sich überall, beliebt sind solche, die nicht wegrennen, wie Blumen, Blätter, Kieselsteine, Knöpfe usw. Zum Einstieg in die Makro­fotografie eignen sich eher unbewegte Sujets.

Makrosujets

Wie immer in der Fotografie sind das Motiv, die Position des Motivs im Umfeld und die Lichtführung entscheidend für ein gutes Bild. Wenn das Sujet einen angemessenen Abstand zum Hintergrund hat, kann man diesen leicht komplett in die Unschärfe legen. Bei einer Vogelfeder auf der Tischplatte geht das nicht so gut. Das Licht vom Kamerastandort her ist nicht ideal, weil oft die Kamera und der Fotograf in nahen Distanzen das Motiv beschatten. Seitliches Licht oder Gegenlicht bringt jeweils bessere Resultate. Vor allem bei durchscheinenden Motiven wie Schmetterlingen, Blüten, Blättern oder Libellen wird Gegenlicht zu leuchtenden Farben führen.

Bei unbewegten Motiven wie Blumen kann man ein Stativ verwenden, das Bodennähe zulässt, ich verwende unterwegs auch mal ein Gorillastativ mit seinen beweglichen Kugelarmen. Ein Stativ ist im Wald empfehlenswert, da dort die Lichtmenge reduziert ist und bei längeren Belichtungszeiten sonst Verwackelungsgefahr droht. Bei bewegten Motiven oder unter Windeinfluss ist man mit dem Stativ schlecht beraten, weil man damit einfach zu unflexibel ist.

Was die Natur so hergibt

Wer in der Natur mit Makro arbeiten will, kommt um Pflanzen und Insekten nicht herum. Letztere sind in der Morgenstarre weniger scheu und lassen den Fotojäger nah heran. Dennoch sollte man Zeit und viel Geduld mitbringen. Die Hast hat in der Naturfotografie überhaupt keinen Platz.

Die hier gezeigten Fotos habe ich mit einem 85-mm-Makroobjektiv ohne Stativ aufgenommen, ich musste mich den Tierchen bis auf etwa zehn Zentimeter nähern. Manchmal arbeite ich mit der Serienbildfunktion und dem kontinuierlichen Autofokus, anders ist den flatterhaften Gesellen kaum beizukommen. Immer wieder fokussiere ich erneut und drücke, drücke, drücke auf den Auslöser. Auf etwa zehn Bilder kommt jeweils eines, das meinen Ansprüchen bezüglich Schärfe genügt. Manchmal sind die Schmetterlinge längst weg, bevor ich sie anvisiere. Ich kontrolliere jeweils nach einer Serie die Schärfe auf dem Display und eliminiere die erfolglosen Versuche direkt aus der Kamera.

Einstellungen

Makrofotografie mit Schmetterlingen, Bienen, Hummeln, Libellen oder Käfern erfordert oft kurze Belichtungszeiten, wenn sich die Tierchen bewegen, so um 1/500 bis 1/1000 Sekunde. Die Kamera stelle ich auf «manuell» ein. Die zweite Einstellung betrifft die Blende, mit der die Schärfentiefe beeinflusst wird. Bei Blumen oder Insekten arbeite ich im mittleren Bereich, etwa f 8 bis f 13, so wird das Insekt teilweise oder ganz scharf abgelichtet, der Hintergrund verschwimmt komplett. Meine Offenblende von f 2,8 kommt praktisch nie zum Einsatz, da der Schärfentiefe­bereich dann bei wenigen Millimetern liegt – zu wenig. Je nach Sujet bevorzuge ich eine Schärfentiefe von etwa zwei bis vier Zentimeter.

Bei Schmetterlingen bevorzuge ich Gegenlicht ohne Blitz, da bei dieser Lichtart die zarte Transparenz der Flügel besonders gut zur Geltung kommt.

Bewegung macht den Autofokus unabdingbar – Schärfe manuell nachzuführen, ist fast unmöglich. Ich wähle die Einstellung «kontinuierlicher Autofokus», die die Schärfe stets nachführt. Da ich bei Schmetterlingen vor allem den Kopf mit seinen feinen Härchen und die Fühler scharf haben will, stelle ich die Kamera so ein, dass ich für die Schärfe möglichst wenige Messfelder aktiviere, am besten geht das mit einer Punktmessung.

Ich empfehle, den ISO-Wert auf «auto» zu stellen und ihn nach oben bei etwa 1000 ISO zu limitieren. Der ISO-Wert ist bei bewegten Motiven der variable Teil, wenn Blende und Belichtungszeit fix sind. Oft sind die Lichtverhältnisse bei der Makrofotografie relativ stabil. Daher erzielt man auch gute Resultate, wenn alle Einstellungen fix vorgegeben werden, auch der ISO-Wert. Die gewünschten Einstellungen findet man nach zwei, drei Probeaufnahmen und der Abmusterung auf dem Kamerascreen. Ich selbst habe gern die volle Kontrolle über Schärfentiefe, Verschlusszeit und Bildrauschen. Ein leichtes Bildrauschen bis etwa 1000 ISO ist mit Lightroom gut zu eliminieren, andernfalls sind wegen Motivbewegung oder Verwackelung unscharfe Bilder komplett unbrauchbar.

Fazit

Kleinigkeiten gross herauszubringen, übt eine grosse Faszination aus. Sie bringen uns zum Staunen, der Formen- und Farbenreichtum ist erschlagend riesig. Makrobilder kommen jedoch erst dann zur Geltung, wenn sie gross aufgemacht sind. Makros auf dem Handyscreen sind deshalb nie so eindrücklich wie auf einem Grossbildschirm oder als Fine Art Print an der Wand. ↑

Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG, ­visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der ­­Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als ­Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden, tätig, wo er beim Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie das ­Studienfach Design unterrichtet. ­

Kontakt: agenturtschi.ch, ­turtschi@agenturtschi.ch, Telefon +41 43 388 50 00.