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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


«Schade, waren nicht mehr hier, denn das Thema Crossmediales Projektmanagement – das Erfolgsmodell für Stakeholders ist zukunftsweisend und hätte mehr Aufmerksamkeit verdient», meint Scholz, der für heute die Moderation übernommen hat. GFZ-Mitglied Ergün und Quästor Radosovic nicken düster.

Ich versuche zu trösten: «Ja, schade, Ausbildung wird heute anscheinend weniger gewichtet als auch schon. Man überlässt sie einfach den Berufsleuten selbst.»

«Weiss jemand, wie viel … sagen wir mal in den letzten fünf Jahren … pro Mitarbeiter in Bildung investiert wurde? 1000, 2000 Franken?»

«Mit Sicherheit nicht», widerspricht Radosovic, «die bringen nicht mal das Geld auf, jedem Lehrling ein Publisher-Abo zu finanzieren, geschweige denn bei der VSD-Lernwerkstatt mitzumachen.»

Lisa wedelt mit der Hand vor der Stirn auf und ab: «Weiterbildung besitzt leider keine eigene Hirnregion, weder bei den Unternehmern noch bei den Mitarbeitern, da kommt keine Hektik auf, keine Automation, kein automatischer Cloud-Download und keine Gestaltungskraft.»

«Im Haushaltswarenkorb wird der Posten Weiterbildung bei meinen Kollegen der Weltreise oder den Babys geopfert», meint Marjiana.

Der durchaus noch vitale Ergün bringt seine Erfahrung ein: «Wir könne doch nicht 20 Jahre mit gleiche Wissen funktioniere und nachher endlagern. Das kann Staat, seit 20 Jahren weiss, dass Ersatzflieger, und heute beginnt man fragen, wo Geld für Gripen. Natürlich auf Kosten Bildung, man kann sparen Bildung, weil keine Bildung nicht ist.»

Der Spagat zur Kampfjetbeschaffung ist mir dann doch etwas zu gespreizt: «Dafür erhalten Bauern mehr Subventionen, EC-Direct, die neue Losung heisst ‹hundertprozentige Kraftfutterversorgungsautonomie in Krisenzeiten›.»

Scholz verdreht die Augen: «Der Staat kommt bei uns nur für die Grundschule, die akademische Bildung und die Berufsschulen auf. Das muss reichen. Wer einen Beruf lernt und sich hochrappelt, zahlt seine Ausbildung eben selbst.»

Lisa blickt Marjiana tief in die Augen. «Ja, die ewigen Studenten, die erst nicht wissen, was sie studieren wollen, dann beschäftigen sie sich sechs Semester mit medizinhistorischem Staub in Mörgelis Museum, um hernach im ‹Sprüngli› Cappucino zu servieren. Ist doch echt ­be­scheuert.»

Beim Gewerkschafter Radosovic wird eine senkrechte Stirnfalte sichtbar: «Wir Bildungsphilen haben eben zu wenig politische Agitation, zu wenige Lobbyisten, zu wenige Politiker in Bern. Seit der Bigler von Viscom weg ist, interessiert der sich nur noch für die Gewerbler, Viehzeugs und Mist.»

«Ausbildung in Branch muss jede selbst finanziere. Gibt halt Gschiidi und Dummi, war frühe imme so.»

«Nein, nein, das stimmt so nicht», Scholz wendet sich Ergün zu, «es gibt zum Glück den allgemeinverbandlichen Berufsbildungsfonds, der seit über einem Jahr in Kraft ist. Der funktioniert wie eine Risikoversicherung. Der allerletzte produzierende Schweizer Polygraf EFZ wird mit einer Abgabe von 300 Franken pro Jahr belastet. Betroffen sind nicht die ausländischen Arbeitskräfte, nicht die Freischaffenden, nicht die, die in der Planung beschäftigt sind, nicht die, die in irgendwelchen Agenturen arbeiten, nicht die, die in Banken und Versicherungen arbeiten, nicht die, die gerade Babypause machen, nicht die, die kein Fähigkeitszeugnis haben, nicht die, die nur ein ausländisches Zeugnis haben, nicht diejenigen, die als ÜK- oder sonstige Lehrkräfte tätig sind, und nicht jene, die in Verlagen als Produzenten tätig sind, nicht jene, die nicht deklariert sind, nicht solche, die heute als Tauchlehrer in Sharm el Sheik nachrichtenlos verloren sind.»

Meine Kopfhaut juckt, aber es gelingt mir, sie durch feines Kratzen zu beruhigen: «Ja, ja, es gibt eben immer ein paar wenige Sonderfälle. Ich finde den Berufsbildungsfonds grundsätzlich eine feine Sache …»

«Allerdings sollte der Geldsegen nicht auf diese Art und Weise verbrannt werden», unterbricht mich Scholz, «die Ausbildung in Betrieb und Schule funktioniert seit Jahren kostendeckend. Nur seit diese ÜK aufgekommen sind, verbrätelt der Viscom Geld», Scholz wird jetzt eindringlich, «ich habs von einem ÜK-Instruktor, die ungefähr 300 Polygrafenlehrlinge pro Lehrjahr verursachten angeblich Kosten von 1,2 Millionen Franken im Jahr, nur für die ÜK, ist doch Wahnsinn.»

«Und wir vom Grafischen Forum stehen mit leeren Händen da», bedauert Radosovic.

«Die würden lieber das Geld in die Fortbildung giessen, wo die Leute stecken bleiben, statt überflüssige Kurse zu vergolden», Marjiana weiss, wovon sie spricht, «sicher die Hälfte der Polygrafinnen geht später weg vom Beruf oder wird schwanger. Reine Verschwendung. Man müsste doch die finan­ziell unterstützen, die dem Beruf die Treue halten, und nicht die Abschleicher.» Lisas Augen nehmen Doris Leuthardsche TV-Dimensionen an.

«Der Berufsbildungsfonds ist doch eine linke Solidaritätsidee. Wie bei der Krankenversicherung und der Altersvorsorge können die Dummen nicht für sich selbst vorsorgen und der Staat zwingt zum Sparen. Viscom und die beiden anderen Verbände im Schlepptau meinen, weil viele Betriebe zu bequem seien und nicht für eigenen Nachwuchs sorgten, müsse man den Profiteuren mit einer Finanzierungslösung auf die Sprünge helfen. Die Millionen, die heute in­transparent in die Grundbildung gesteckt werden, verpuffen wirkungslos. Die Branche, die Mitarbeiter erhalten nichts zurück. Die Polygrafen-Abstrafsteuer liegt bildlich gesehen in einer Mottenkiste, die von einem blinden Schatzmeister verwaltet wird, der immer wieder an einem Schlägli herummacht.»

Radosovic tätschelt mir die Schulter: «Sie kaufen jetzt sogar iPads, nur um die analogen Skripte für 27 Kurstage abzulösen, zu nichts sonst! Die Polygrafenrevision unter dem Motto ‹Zurück zu den Kernkompetenzen› erhält eine eigene Logik, das musst du mal schreiben.»

Scholz packt seine Mappe und macht sich daran, die Runde aufzulösen: «Warum eigentlich können Betriebe und Mitarbeitende nicht alle wie in die Pensionskasse in den Fonds einzahlen, sagen wir fifty-fifty, und damit ein lebenslanges Weiterbildungsprogramm anschieben? Nicht nur ein paar ehrlich Deklarierte – alle! 12.50 pro Monat für beide würden genügen, um sämtliche Weiterbildungsansprüche lebenslang zu erfüllen, wetten?»

Scholz gibt noch einen drauf: «Mit dem Geld könnte man sogar den Schwarzen Peter im ­Viscom frühpensionieren lassen, und alle ­hätten etwas davon.»