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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


angela starck Kaum ein Thema liegt derzeit deutlicher im Trend als der industrielle beziehungsweise der 3D-Druck. Der Markt für diese Technologien ist noch nicht durch eine klare Konkurrenzsituation gekennzeichnet, verspricht faszinierende Anwendungsmöglichkeiten sowie ein hohes Wachstumspotenzial. So stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten sich Druckunternehmen in diesen Bereichen bieten.

Zwar sind die Ähnlichkeiten, so be­haupten zumindest kritische Stimmen, zwischen dem industriellen und dem traditionellen Druck auf das Wort «Druck» begrenzt, aber schaut man einmal genauer hin, so sind und waren auch in der Vergangenheit durchaus Überschneidungen beider Bereiche zu erkennen.

Definiert wird der industrielle Druck als Teil eines Fertigungsprozesses. Damit bezeichnet er ein Verfahren, das durch den Aufdruck von Tinte oder einer anderen Substanz eine Funktion oder die Dekoration eines Produktes ermöglicht. Die Einsatzbereiche für den industriellen Druck sind vielfältig und reichen von der Anbringung funktionaler Schichten bei elektronischen Geräten und individuell gestalteten Verbrauchsgütern bis hin zur dekorativen Beschichtung und Veredelung von Oberflächen aller Art.

Hier spielte und spielt auch weiterhin zum Beispiel der Siebdruck eine wichtige Rolle. So nutzen viele Betriebe im industriellen Bereich den Siebdruck bereits zur Produktion – etwa bei der Glas- und Keramikherstellung, bei der Fertigung von Folientastaturen und vor allem in der Autoindustrie. Unter anderem wird das schwarze Punktraster am Rand von Autoscheiben im Siebdruck produziert, genau so wie heizbare Heckscheiben. Die Antennen werden eingedruckt und auch die Armaturen im Siebdruck gefertigt. In der Verpackungsindustrie werden immer häufiger zum Beispiel RFID-Chips gleich mit auf die Verpackung gedruckt. Zudem lassen sich mithilfe aufgedruckter Elektronik interessante Effekte realisieren, die eine Verpackung zum Beispiel in einem bestimmten Rhythmus leuchten lassen.

Aber warum rückt der industrielle Druck gerade jetzt derart in den Fokus der Druckindustrie? Die Antwort liegt in den technologischen Entwicklun­gen der jüngsten Zeit. Durch die digitalen Ausgabeverfahren, insbesondere die Inkjet-Technologie erhält der Be­reich des industriellen Drucks neuen Anschub. Denn mit den sogenannten Inkjet-Druckköpfen lassen sich nicht nur Tinten verdrucken, sondern auch andere Flüssigkeiten, die viskos genug sind, um durch die Düsen der Druckköpfe hindurchzupassen. Auf diese Weise wird das einfache Aufbringen von Sub­stanzen auf verschiedenste Oberflächen ermöglicht, um die Herstellung von Produkten zu unterstützen oder deren Funktionalität zu erweitern. Darüber hinaus können im Gegensatz zum Siebdruck auch individualisierte Produkte und Verpackungen sowie Kleinauflagen und Einzelexemplare ohne steigende Kosten produziert werden.

Der industrielle Druckmarkt

Die industriellen Drucktechnologien können auch für Druckunternehmen im grafischen Bereich verschiedene Anwendungsbereiche eröffnen, die sich zum Teil etwa mit dem Werbetechnik-Sektor überschneiden. Das breite Spektrum reicht von Anwendungen im Verpackungs-, Textil-, Dekor-, Keramik- und Glasbereich bis hin zum funktionalen Druck im Elektronik- und Automobilsegment.

Branchenkenner sehen im industriellen Druck die Zukunft. Dabei soll gerade der qualitativ immer besser werdende Inkjetdruck mit seiner sich weiter vergrössernden Auswahl an druckbaren Materialien ein grosses Potenzial bieten und die Märkte für den Druck vorantreiben. Hier sind es vor allem die UV-härtenden Tinten, die interessante Anwendungen in allen möglichen Teilbereichen erlauben.

Die Entwicklung verläuft äusserst dynamisch, denn die Nachfrage nach individuell gestalteten Massenprodukten steigt und mit diesen Technologien können zum Beispiel Designs freier gestaltet werden und schneller die Produktion erreichen. Zudem werden Risiken und Kosten minimiert, weil Hersteller flexibler auf Kundenwünsche und Marktveränderungen reagieren können. Heutige Schätzungen der Marktgrösse, bezogen auf den Druckwert, unterscheiden sich je nach Quelle, dürften aber zwischen 40 und 80 Milliarden Euro liegen. Alle Quellen sind sich darin einig, dass ein künftiges Marktpotenzial von 100 Milliarden Euro und mehr durchaus erreichbar ist.

Doch wie ist es um die Marktchancen für Druckunternehmen in diesen Segmenten bestellt? Ob diese Technologien zum eigenen Unternehmen passen, muss natürlich jeder Druckunternehmer selbst entscheiden. Klar ist aber, dass angesichts neuer technischer Entwicklungen die Karten neu gemischt werden und Unternehmen, die bereit sind, in neue Technik und entsprechendes Know-how zu investieren, mit dem industriellen Druck Chancen haben, sich einen spannenden und möglicherweise sehr ertragreichen Markt zu eröffnen.

Neue Produktionssysteme

Kaum stossen der industrielle sowie der 3D-Druck auf steigendes Interesse in der Branche, so gab es mit der Inprint, die Mitte April im direkten Umfeld der Industrieveranstaltung Hannover Messe stattfand, gleich eine Messe zum Thema industrielle Drucktechnologien. Die Inprint gab einen ersten Vorgeschmack auf das äusserst breite Spektrum von Anwendungen, die sich unter die Thematik des industriellen Drucks fassen lassen, und zeigte, wie gross das Interesse an dieser Thematik tatsächlich ist.

Laut dem Messeveranstalter FM Brooks war die Messe ein voller Erfolg und hat, unter anderem hinsichtlich der Besucherzahlen und der Qualität des Fachpublikums, die Erwartungen übertroffen. Die Besucher kamen zum Beispiel auch aus der Keramik- und Textilindustrie, aus dem Verpackungssektor, aus der Luftfahrt, der Automobil- und Modebranche und der Pharmazie. Für das nächste Jahr sei dank der positiven Resonanz wieder eine Inprint geplant.

Die neue Veranstaltung wurde auch gleich von mehreren Herstellern zum Anlass genommen, ihre neuen Produkte für den industriellen Bereich vorzustellen. So präsentierte zum Beispiel Thieme erstmals ihr neues UV-Drucksystem Thieme 3000D – dabei wurde lediglich die Druckeinheit gezeigt, das komplette System feierte auf der Fespa 2014 Premiere. Die 3000D wurde speziell für individuelle Anforderungen im industriellen Bereich entwickelt. Sie ist modular aufgebaut, lässt sich auch mit Siebdruckeinheiten kombinieren und bietet dem Anwender dank ihrer offenen Maschinenplattform ganz unterschiedliche Möglichkeiten bei der Konfiguration. Interessant ist auch die freie Auswahl der Tinten – hier kann der Anwender unter mehreren freigegebenen Systemen unterschiedlicher Hersteller wählen und ist nicht, wie es sonst in der Regel der Fall ist, an die Tinten eines bestimmten Herstellers gebunden.

Ein weiteres neues Drucksystem für industrielle Anwendungen kommt von dem vor Kurzem neu gegründeten Tochterunternehmen Durst Industrial Inkjet Application (DIIA). Der Rho IP bedruckt mit bis zu sechs Farbkanälen sowie einer Auflösung von 1000 dpi eine breite Auswahl an Oberflächen. Dank eines neu entwickelten Vakuumtischs mit mikroskopischen Poren in der Aluminiumplatte sowie mechanischer Punktregistrierung sollen sich auch kleine Objekte mit hoher Qualität bedrucken lassen. Das UV-System ist in zwei Versionen erhältlich, als Rho IP 203 mit einem Druckbereich von 210 × 297 mm und als Rho IP 507 mit einem Druckbereich von 500 × 700 mm. Im High-Speed-­Modus soll der IP 203 weniger als 30 Se­­kunden und der IP 507 weniger als 60 Sekunden für einen Druckdurchlauf benötigen.

Druckköpfe, Schneidelösungen und Tinten

Einen neuen Druckkopf, der für industrielle Anwendungen optimiert wurde, stellte Xaar vor. Der Xaar 1002 AMp ist der Erste in einer neuen Reihe von piezoelektrischen Drop-on-Demand-Druckköpfen, die speziell für Anwendungen in der Produktion entwickelt wurden. Mit variablen Tropfengrössen von minimal einem Picoliter soll sich der Kopf auch für feine Merkmale, Muster und Beschichtungen eignen und damit fortschrittliche Produktionsprozesse in Bereichen wie Anzeigen, Platinen, Halbleitern und Fotovoltaik ermöglichen. Die Düsen der Serie 1000 verfügen über eine verbesserte Geometrie. Damit garantiert der neue Druckkopf, so der Hersteller, eine genaue Tropfenplatzierung und ein gleichbleibendes Tropfenvolumen auch bei Flüssigkeiten, die einen hohen Gehalt an Feststoffen, einschliesslich metallischer Partikel, besitzen.

Auf dem Inprint-Stand von Canon zeigte Eurolaser die weiterentwickelte automatische Version des M-800. Das Laserschneidsystem eignet sich zum Schneiden, Gravieren und Markieren einer Vielzahl von Materialien wie etwa Kunststoffen, Schaumstoffen, Textilien, Klebefolien, Hölzern, Acryl oder Verbundstoffen. Es bietet eine Bearbeitungsfläche von 1330 × 830 mm und lässt sich für unterschiedliche Anforderungen konfigurieren. Mithilfe eines Shuttletisch-Systems soll sich die Produktivität nahezu verdoppeln lassen. Neuerdings ist es möglich, Laserleistungen von 60 bis 600 Watt zu verwenden, so sollen sich Materialstärken von bis zu 20 mm bearbeiten lassen. Ausserdem können parallel die hochwertigen mechanischen Werkzeuge der Zünd Systemtechnik AG verwendet werden.

Auch Agfa beschäftigt sich intensiv mit dem industriellen Druckprozess, da viele Anwendungen spezifische Anforderungen auch an die Tintenformulierungen stellen. Dabei verweist das Unternehmen auf seine langjährige Erfahrung insbesondere mit UV-härtenden Tinten, die aufgrund ihrer Eigenschaften wie ihrer extrem schnellen Aushärtung eine wichtige Rolle in diesem Bereich spielen. Industriellen Anwendern bietet das Unternehmen zum Beispiel massgeschneiderte Tintenzusammensetzungen für spezielle Einsatzgebiete an und es kann nach eigener Aussage auch die Abstimmung von Systemtinten auf die Eigenschaften bestimmter Inkjet-Geräte übernehmen. Spezielle migrationsarme Tinten wurden unter anderem für den Etikettendruck im Lebensmittelbereich entwickelt. Ebenfalls interessant sind die neuen, leitfähigen Nanosilbertinten, die Silberflöckchen enthalten. Sie stellen Anwendern die Senkung der Materialkosten sowie die Miniaturisierung bei vielen Anwendungen wie etwa RFID-Chips und Smart Cards in Aussicht. Die Agfa-Tinten sollen für alle industriellen Piezo-Druckköpfe, beispielsweise von Konica Minolta, Xaar, Ricoh, Seiko und Kyocera, verfügbar werden.

3D-Druck im Trend

Auch der 3D-Druck besitzt das Potenzial, die Produktion in vielen Bereichen grundlegend zu verändern, denn auch dieses digitale Ausgabeverfahren ist dazu in der Lage, individualisierte Produkte ohne steigende Kosten herzustellen. Dabei findet der Aufbau dreidimensionaler Werkstücke computergesteuert aus flüssigen oder festen Werkstoffen (Kunststoffe, Kunstharze, Keramik, Metalle) durch physikalische oder chemische Härtungs- oder Schmelzprozesse statt. Es gibt ganz unterschiedliche Technologien, etwa das selektive Lasersintern, das Elektronenstrahlschmelzen, die Stereolithografie, das Multi-Jet Modeling oder die Fused-Deposition-Modeling-Technologie.

Der 3D-Druck kommt zum Beispiel für die Prototypenentwicklung oder für die Massenfertigung in Segmenten wie Kunst und Design, Architektur, Modellbau, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrtindustrie, Medizin- und Zahntechnik sowie der Verpackungsindustrie zum Einsatz. Es wird sogar am Druck von tierischen und menschlichen Organen mithilfe von organischen Substanzen gearbeitet. Nachdem 3M vor Kurzem gar ein komplett im 3D-Druck gefertigtes Haus vermeldete, das die Firma Voxeljet, ein Hersteller industrietauglicher 3D-Drucksysteme, im Schichtbauverfahren aus Sand und einem Bindemittel fertigte, scheint fast alles druckbar zu sein.

Auch in diesem Bereich haben neuere technologische Entwicklungen dafür gesorgt, dass der 3D-Druck inzwischen nicht mehr nur ein Verfahren für wenige Spezialanwendungen in der Industrie darstellt, sondern dank günstigerer Preise für Drucker und Materialien dabei ist, einen Massenmarkt zu erobern.

Markt mit Wachstumspotenzial

Der 3D-Markt entwickelt sich rasant und die Konkurrenzsituation ist derzeit noch überschaubar. Laut der Prognosen von Investoren und Banken soll das jährliche Wachstum in diesem Segment zwischen 20 und 30 Prozent liegen. Ein Vorteil für Druckunternehmen liegt darin, dass sie eine ganze Reihe der für einen Einstieg in diesen Markt erforderlichen Kernkompetenzen bereits besitzen. So gibt es in diesen Betrieben in der Regel bereits ein Frontend zum Kunden, Erfahrung im Datenmanagement und ein umfassendes Know-how zum Handling kleiner Aufträge. Allerdings erfordert dieser Markt auch die Bereitschaft, sich mit der neuen Technologie und der relativ komplizierten Datenaufbereitung zu beschäftigen sowie gänzlich neue Produkte und Leistungen zu kreieren. Seminare zu Themen wie 3D-Druck, -Software und -Scannen führt zum Beispiel der Anbieter 3Dmensionals in Köln durch.

Erste Dienstleister wie Sculpteo, Shapeways, i.materialise und Fabber­house bieten inzwischen über das Internet für jedermann die Möglichkeit an, auch eigene dreidimensionale Objekte drucken zu lassen. Dazu muss der Kunde lediglich das entsprechende 3D-Modell (in Form einer CAD-Datei) hochladen.

Ganz neu im 3D-Markt ist auch die Manhillen Drucktechnik GmbH aus Rutesheim. Dort will man zum Beispiel für Architekturbüros und Museen 3D-Modelle von Gebäuden bzw. Innenräumen anbieten. Ausserdem wird es ein 3D-Fotostudio geben, mit dem Personen und Haustiere einem 360-Grad-Scan unterzogen werden können.

Hardware für den 3D-Druck

3D-Drucker gibt es inzwischen in grosser Auswahl. Diese Systeme sind in ganz verschiedenen Ausführungen und Preiskategorien für unterschiedliche Zielgruppen erhältlich. Neuerdings gibt es auch den multiplen und mehrfarbigen 3D-Druck, der Werkstoffmischungen im kombinierten Druckverfahren und in verschiedenen Farben ausgeben kann.

Für Heimanwender sind bereits seit einiger Zeit preiswerte 3D-Drucker zum Teil als Bausatz erhältlich, die unter 1000 Euro kosten – bei diesen Geräten soll die Qualität der Druckerzeugnisse allerdings oft zu wünschen übrig lassen. Hersteller von 3D-Drucksystemen für den professionellen bzw. industriellen Einsatz sind unter anderem Stratasys, Eos, Envision oder 3D-Systems. Auch HP plant einen neuerlichen Eintritt in dieses Segment. Nachdem der Hersteller seine Kooperation mit Stratasys im August 2012 beendet hatte – HP hatte Stratasys 3D-Drucker unter eigenem Namen als Designjet 3D vertrieben –, hat HP für Sommer dieses Jahres Neuvorstellungen für den 3D-Druck angekündigt.

Kein Wunder, denn dieser Bereich ist auch für die Hersteller äusserst attraktiv. Allein für 2014 prognostizierte Gartner, dass der Absatz von 3D-Druckern mit Preisen unterhalb von 100 000 US-Dollar um 75 Prozent wachsen und sich im kommenden Jahr verdoppeln wird. Laut der Studie werden Unternehmen in diesem Jahr 536 Millionen US-Dollar für 3D-Drucker ausgeben, das Verbrauchergeschäft wird auf 133 Millionen US-Dollar geschätzt.

Drucker für den Einstieg in den professionellen Bereich sind ab etwa 10 000 Euro erhältlich. Ein Beispiel für ein entsprechendes 3D-Druckermodell ist der Mojo von Stratasys. Dieser Desktop-3D-Printer arbeitet mit der Fused-Deposition-Modeling-Technologie (FDM-Technologie), bei der Thermoplastmaterial in Drahtform durch den in X- und Y-Richtung verfahrenden Maschinenkopf gezogen, dort geschmolzen und anschliessend durch die Düse extrudiert und auf der Bauplattform aufgebracht wird. Dabei verfestigt sich das Material sofort und wird schichtweise aufgebaut. Beim Druck kommen zwei Materialien zum Einsatz: das Modellmaterial, aus dem das fertige Teil besteht, und ein lösliches Stützmaterial, das als Gerüst fungiert und damit die Fertigung komplexer Geometrien und Hohlräume sowie beweglicher Teile in einem Druckvorgang ermöglicht. Die fertigen Thermoplastteile sollen hitze- und chemikalienbeständig sein, sich für feuchte und trockene Umgebungen eignen und mechanischen Belastungen widerstehen. Für den Mojo, dessen Bauraum 12,7 × 12,7 × 12,7 cm umfasst, stehen derzeit Thermoplastmaterialien in neun Farben zur Verfügung.