Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck
Kürzlich hat mir mein Sohn von seinem Besuch einer Zivildienst-Infoveranstaltung erzählt, wo er – was naheliegt – viele gleichaltrige junge Menschen angetroffen hat. Was ihm dabei aufgefallen ist: In den Pausen zeigten (fast) alle das gleiche verhalten: Smartphone gezückt und nicht mehr ansprechbar. Ist das die neue Generation der News- und Social-Media-Junkies? Mein Sohn hat eine andere Erklärung: Er meint, die Beschäftigung mit dem Smartphone diene in dieser Situation vor allem dazu, eine Verlegenheit zu überspielen: Soll ich jetzt jemanden ansprechen – und wenn ja, wie?
So interpretiert zeigen die jungen Menschen hier ein ganz und gar archaisches Verhalten. Aus der Geborgenheit der eigenen Höhle gerissen, mit fremden Menschen zusammengewürfelt, fühlt man sich unwohl. Diese Verlegenheit wird mit geschäftigem Blick auf das Smartphone überspielt. Die moderne Technik erzieht uns also nicht zu neuen Menschen, welche die Archaik nach und nach ablegen, sondern es scheint im Gegenteil so zu sein, dass die Archaik obsiegt und wir die moderne Technik dieser unterordnen.
Es ist nun interessant, den heutigen Medienwandel unter diesem Aspekt zu betrachten. Beim Stichwort Archaik denkt man natürlich zuerst an die klassischen Medien, insbesondere an das Papier. Klar, dieses kann diesbezüglich mit Haptik und physischer Präsenz gewichtige Trümpfe ausspielen.
Und doch ist es so, dass mein Sohn kaum Printmedien nutzt. Wenn schon lesen, dann auf einem handlichen eBook-Reader; aber seine Präferenz sind ganz eindeutig Hörbücher. Tatsächlich steht die schriftliche Kommunikation der Archaik entgegen: Wer will schon im Schweisse seines Angesichts Bücher herumschleppen. Und einem Erzähler zuzuhören, entspricht sicher einem ursprünglicheren menschlichen Verhalten als das mühsam antrainierte Lesen.
So betrachtet spricht in der Medienwelt gerade die Archaik für den Siegeszug des Neuen. Ton, Animation und bewegte Bilder entsprechen ganz dem ursprünglichen Wahrnehmungskonzept des Menschen. Hightech bedient unsere archaischen Bedürfnisse in vielen Aspekten besser als die klassischen, ganz auf dem Kulturgut Schrift basierenden Printprodukte. Das schleckt keine Geiss weg!
Martin Spaar