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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Ralf TurtschiEFZ-Berufsbilder sollen alle fünf Jahre wieder an der Praxis ausgerichtet und justiert werden. Eine solche Justierung ist der Medientechnologe, der aus dem Drucktechnologen entwachsen ist. Der Namenswechsel vom Druck- zum Medientechnologen ist wohl der fortschreitenden Digitalisierung geschuldet. Der Beruf ändert sich vom Maschinenoperateur hin zum Medienproduzenten, der die Probleme vielgestaltig auch in der Datenaufbereitung zu bewältigen weiss. Kunde und Medienbetriebe wachsen produktionstechnisch immer näher zusammen. Die Personalisierung und die Datenaufbereitung mittels Adobes Photoshop, Illustrator und InDesign, die Office-Welt mit Microsoft Word oder die Bedienung eines RIP (Raster Image Processor) werden im Beruf des ehemaligen Druckers zunehmend gefragt. Das autonome Auto ist im Versuchsbetrieb Tatsache, die autonome Druckmaschine, die sich weitgehend selbst reguliert, ist ebenfalls weit fortgeschritten.

Die Bezeichnung Medientechnologin oder Medientechnologe ist jetzt gleich wie in Deutschland. Die Fachrichtung Printmedia­technik anstelle von Reprografie ist von Laien und Berufsberatern nicht ganz verständlich, in der Branche wird man sich daran gewöhnen müssen.

Wichtig ist schliesslich nicht der Name, es sind die Ausbildungsplätze, die geschaffen werden sollten. Interessierte Betriebe können bei ihrem Verband eine Broschüre ­anfordern, der die wesentlichen Voraussetzungen und die Bildungsziele beinhaltet. Diese Infos sind auch digital auf den Webseiten der Verbände zugänglich. Die Lehrzeit dauert vier Jahre, die drei überbetrieblichen Kurse (üK) insgesamt 24 Tage.

Die Bildungsverordnung gibt vor, welche Kompetenzen an den drei Ausbildungsorten Betrieb, Schule und üK ausgebildet werden. «Wenn jemand einen A3+-Drucker mit RIP und zugehöriger Software betreibt, verfügt er bereits über die Voraussetzungen, Lehrlinge auszubilden», meint Mario Delvecchio. «In der Regel wird der Betrieb zuerst besucht, um im Gespräch zu klären, ob die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lehre gegeben sind. Wir lassen niemanden allein. Sowieso muss man von der Arbeit mit Jungen angetan sein, so als Basis. Um Kompetenzen zu vermitteln, gibt es immer eine Lösung. Aus meiner Erfahrung ist die Ausbildung von Jugendlichen eine Bereicherung für den ganzen Betrieb.»

Die individuelle praktische Arbeit (IPA) ist neu als Qualifikationsverfahren auf die praktische Ausrichtung des Betriebs abgestimmt. Die einheitliche Prüfungsarbeit ist somit Vergangenheit. Die dafür budgetierte Zeit wird mit 20–32 Stunden beschrie­ben. Auch die üK werden neu bewertet, die Noten fliessen in das Qualifikationsverfahren ein. ↑

«Die Ausbildung des eigenen Nachwuchses ist unternehmerische Pflicht und das beste Rezept gegen Fach­kräftemangel.»

Mario Delvecchio hat die Druckerei seiner­zeit vom Schwiegervater übernommen und durch die Digitalisierung in die heutige Zeit transformiert. Die Meier Druck AG besteht aus drei Filialbetrieben in Baden-Dättwil, Brugg und Lenzburg. Eine typische Druckerei, die von vielseitigen Aufträgen lebt, welche vom umliegenden Gewerbe, von der Industrie, von der öffentlichen Hand, von Vereinen und von Privatkunden geordert werden. 14 Mitarbeitende, darunter 3 Lehrlinge, die Drucktechnologen EFZ, Fachrichtung Reprografie, werden wollen. Delvecchio steht als Präsident dem Verband Copyprint­suisse vor, dem 115 Mitglieder der ganzen Schweiz ­angeschlossen sind. Etwas über 30 Betriebe bilden Drucktechno­logen aus, das Ziel ist es, in den nächsten 3 bis 5 Jahren 30–50 neue Betriebe, auch Nichtmitglieder, zu motivieren, ebenfalls auszubilden.

Copyprintsuisse trägt nebst anderen Berufsorganisationen das überarbeitete Berufsbild Medientechnologe mit, das erstmals im Spätsommer 2019 in Kraft tritt. «Die Verbände und deren Funktionäre sollten sich von den Hahnenkämpfen um ihre Pfründe verabschieden und Sachpolitik betreiben, die dem Wohl der Jungen und der Branche dient», meint der Unternehmer.

Die Fachrichtung Printmediatechnik ersetzt die ehemalige Fachrichtung Reprografie, sie soll die Tätigkeitsgebiete antönen: Print, Media und Technik. Die Medientechnologen Printmediatechnik sind Allrounder, welche die Kunden von A bis Z bedienen. Sie stehen am Desk, nehmen Aufträge entgegen, können Preise berechnen, den Auftrag in der Vorstufe mit Adobe-Programmen bearbeiten und via RIP eine Digitaldruckmaschine bedienen. Auch Large-format Printing gehört zur Auftragspalette. Wer nicht das ganze Spektrum ausbilden kann, hat die Möglichkeit, mit Partnerbetrieben zu kooperieren.

Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG, ­visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der ­­Autor hat sich während Jahren mit Ausbildungsthemen beschäftigt, er war Ausbildner von Polygrafen, Lehrmeister und Prüfungsexperte. Heute ist er als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als ­Dozent beim zB. Zen­trum Bildung, Baden, tätig, wo er beim ­Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie (HF) das ­Studienfach Design unterrichtet. ­Kontakt: www.agen­turtschi.ch, ­turtschi@agenturtschi.ch, Telefon +41 43 388 50 00. 

* Zugunsten der besseren Leserlichkeit nenne ich hier nur die männliche Berufsbezeichnung. Selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.