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günter schuler Wie jedes De-sign unterliegen auch Fotolooks und Bildeffekte gewissen Moden. Einige unter ihnen lassen sich unmittelbar auf den Erfolg bestimmter Movieproduk­tionen oder Serien zurückführen – der Bleach-Bypass-Effekt beispielsweise auf neuere Kriegsfilme, Color-Key-Farbspots in Schwarzweissbildern unter anderem auf den Erfolg des Neo-Noir-Films «Sin City». In den Vorspännen der US-amerikanischen Miniserie «True Detective» kam ein weiterer Gestaltungseffekt zum Zug – der Double-Exposure-Effekt, zu Deutsch: der Doppelbelichtungseffekt.

Was genau sind Double-Exposure-Effekte?

Wie die meisten zeitgenössischen Bildgestaltungseffekte basiert auch der Doppelbelichtungseffekt auf analogen Techniken. Die ursprüngliche Variante stammt aus der analogen Fotografie. Hierbei wird ein Bild fotografiert, der Weitertransport des (analogen) Films jedoch anders als normal unterbunden und auf den Träger des bereits belichteten Bildes ein zweites aufgenommen. Das Ergebnis hat zwar grobe Ähnlichkeit mit der Anwendung einiger Füllmethoden in Photoshop, allerdings nicht eins zu eins. Exakt am Rechner nachkonstruieren lassen sich analoge Doppelbelichtungen nur schwer.

Im konkreten Fall kommt ein zusätzliches Hindernis hinzu. Mit Digitalkameras lassen sich Doppelbelichtungen entweder gar nicht oder nur unter grossen Verrenkungen durchführen: etwa mittels Langzeitbelichtungen, bei denen man nach der Belichtung von Motiv eins die Abdeckung auf das Objektiv setzt, sich daraufhin in Position für die Aufnahme von Motiv zwei begibt, den Deckel wieder entfernt und das zweite Bild aufnimmt.

Die Double-Exposure-Effekte aus den Vorspännen der Serie «True Detective» haben mit der beschriebenen Vorgehensweise nur bedingt etwas zu tun. Stilistisch kombinieren sie Vin­tage-Versatzstücke aus den Siebzigern und Achtzigern; hinzu kommen Collage-Versatzstücke im Stil von David Carson. Technisch basiert diese Art von Effekt auf zwei Komponenten. Aus Komponente eins (Bild A; meist mit einer Person) wird im Verlauf der Bearbeitung eine Silhouette extrahiert. Komponente zwei ist ein zweites, innerhalb dieser Silhouette abgebildetes Foto. Wobei – und das ist der Clou – innerhalb der Silhouette Elemente von Bild eins in solche von Bild zwei übergehen.

Die restliche Gestaltung ist der Fantasie und dem Können des Erstellers überlassen: Schwarzweiss mit und ohne Farbtoning kommt zwar gern zum Zug, ist allerdings nicht obligatorisch. Optional stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der Raum ausserhalb der Silhouette weiss bleibt, der Effekt also freigestellt wird, oder ob weitere Fotos (zum Beispiel Texturen) den Raum ausserhalb der Silhouette ausfüllen.

Effektaufbau

In Photoshop lassen sich Double-Exposure-Effekte am besten über unterschiedliche Ebenen einrichten. Dabei kommen (mindestens) zwei unterschiedliche Bilder zum Zug – wobei eines davon das Motiv für die Silhouette enthält. Da die Silhouette als Rahmen für den Effekt fungieren soll, ist eine Freistellung in den meisten Fällen obligatorisch. Im Beispiel ist dies eine Balletttänzerin. Erster Schritt ist also das Erstellen einer Freistellungsmaske.

Im konkreten Fall sind zwei Vorgehensweisen möglich: a) das Herausarbeiten der Silhouette über eine kontrastverstärkte Kopie des Rot-Kanals, die später ausgemalt wird, b) eine ähnliche Vorgehensweise über den Befehl Auswahl > Farbbereich und eine Auswahl der braunen Hintergrundfarbe. Gute Dienste bei der Feinhervorarbeitung der Silhouettenkanten leisten das Abwedler- und das Nachbelichtungs-Werkzeug; die inneren Bereiche von Silhouette und Hintergrund können flächendeckend mit weisser und schwarzer Farbe ausgemalt werden.

Ist die Grobmaske in einem Alpha-Kanal erst mal angelegt, geht es ans Verfeinern. Hierzu wird – via Befehlstaste-Halten und Klick auf das Icon des Kanals mit der Maske – die Maske in eine Auswahl rücktransferiert und die Auswahl mit weiteren Mitteln optimiert. Tool der Wahl ist in den meisten Fällen der Befehl Auswahl > Kante verbessern (Befehlstaste + Optionstaste + R). Hilfreiches Werkzeug hier ist die Radius-Einstellung unter Kantenerkennung sowie die Aktivierung der Smartradius-Option für das Festlegen problematischer Übergangsbereiche. Ergebnis dieser abschliessenden Behandlung ist eine verfeinerte Maske, die separat in einem neuen Alpha-?Kanal gesichert wird und als Basis für die anschliessend zum Zuge kommende Freistellungsebenenmaske dient.

In welcher Bilddatei der Double-?Exposure-Effekt eingerichtet wird, ist letztlich gleich. Wegen der Maskenerstellung, die zu Beginn angegangen wird, bietet sich im konkreten Fall die Bilddatei mit der Tänzerin an. Der eigentliche Effekt wird mithilfe einer Ebenenmaske und einer Schnittmaske erstellt. In Schritt eins wird die Hintergrundebene dupliziert (Dateiname: «Inhalt Silhouette»), die Hintergrundebene selbst mit weisser Farbe gefüllt (Dateiname: «Background») und die Ebene «Inhalt Silhouette» abschlies­send mit einer Ebenenmaske versehen. Erstellt wird diese mittels eines Klicks auf das Icon des Alpha-Kanals mit der Feinmaske in der Kanäle-Palette (= Auswahl ist geladen) und anschliessender Aktivierung des Befehls Ebene > Ebenenmaske > Auswahl einblenden. Ist die Silhouette in Ihrer Maske schwarz und der Hintergrund weiss, müssen Sie entweder die Maske zuerst invertieren oder aber den Befehl Auswahl ausblenden auswählen.

Zwischenergebnis der bisher getätigten Schritte ist eine Freistellung vor einem weissen Hintergrund. Als zweite Komponente tritt nunmehr ein weiteres Foto mit einer Flusshafenszenerie hinzu. Ebenenbezeichnung, da dies in die Silhouette hinein soll: «in Silhouette». Klicken Sie nunmehr mit gehaltener Alt-/Optionstaste auf die Trennlinie zwischen den beiden Ebenen «in Silhouette» (oben) und «Inhalt Silhouette» (unten), wird letztere (genauer: deren Ebenenmaske) zur Schnittmaske für das obere Bild. Die Basiseffektvariante ist – wie die Abbildung oben in dieser Spalte zeigt – nunmehr angelegt.

Da wir zusätzlich jedoch auch Teile der Tänzerin innerhalb der Silhouette abbilden wollen, sieht die anschlies­sende Vorgehensweise wie folgt aus: Als Erstes duplizieren wir die Ebene «Inhalt Silhouette». Der Ebenenname «Inhalt Silhouette» für die Schnittmaskenversion wird beibehalten, die untere erhält die Bezeichnung «Silhouette». Das Hervorholen von Teilen der Tänzerin (mit weichen Übergängen in die Industrielandschaft, die innerhalb der Silhouette ebenfalls präsent ist) erfolgt mit einem grossen weichen Malpinsel (bildgrössenabhängig 500 px oder auch mehr) und schwarzer Vordergrundfarbe. Die schwarze Farbe malen Sie nunmehr in Form von Abdeckfarbe in die Ebenenmaske der Ebene «Inhalt Silhouette» hinein. Wichtig dabei ist, dass beim Malen der Kanal mit der Ebenenmaske und nicht das Bild selbst aktiviert ist. Alternativ können die Bereiche, in denen Partien der Tänzerin erscheinen sollen, auch mit einer Lasso-Auswahl mit starker weicher Kante (120, 250 oder sogar mehr Pixel) festgelegt und mit schwarzer Farbe gefüllt werden. Das Ergebnis ist eine klassische Variante des Double-Exposure-?Effekts (siehe oben rechts).

Mögliche Verfeinerungen

Der Vorteil des beschriebenen Ebenen­aufbaus besteht darin, dass Sie die einzelnen Elemente nach Belieben verschieben oder auch in der Grösse skalieren können. Wichtig beim Verschieben des Silhouettenrahmens mit der Tänzerin sind zwei Dinge: a) dass beim Verschieben oder Skalieren stets beide Ebenen ausgewählt sind, b) dass Ebene und Ebenenmaske jeweils miteinander verkettet sind (Indikator: Kettensymbol in der Ebenenpalette zwischen Ebene und Ebenenmaske). Das darüberliegende Bild ist gleichfalls verschiebbar oder skalierbar. Da hier weder Ebenenmasken noch zusätzliche Ebenen zu berücksichtigen sind, können die entsprechenden Schritte ohne Vorsichtsmassnahmen erfolgen.

In der vorgestellten Variante ist der Effekt freigestellt. Zwingend ist das nicht. Erzeugen Sie ein Duplikat der oberen Ebene («in Silhouette») und ordnen Sie dieses unterhalb der Ebene «Silhouette» an, erscheint die Tänzerin halbtransparent im Bild – was ganz nett, allerdings nicht gerade spektakulär aussieht. Spiegeln Sie die untere Bildversion (Ebene: «Industrielandschaft»), kommt allerdings Dynamik in das Ganze. Zusätzlich zum Einsatz kommen kann ein weiteres, zusätzliches Bild – hier ein Foto mit einer Wolkentextur.

Das A und O bei dieser Art von Effekt schliesslich ist die Farbgebung. Klassisches Schwarzweiss ist eine Option. Ebenso möglich sind unterschiedliche Farbstylings – erzeugt entweder über eine Color-Lookup-Einstellung oder unterschiedliche Einstellungsebenen. In der Auftaktillustration wurde die zusätzliche Wolkentexturebene fast, aber nicht ganz deckend über eine gespiegelte Version der Ebene «in Silhouette» gelegt und der Kontrast innerhalb der Silhouette durch Zuweisung des Modus Multiplizieren für die Ebene «Inhalt Silhouette» verstärkt. Bei der Kontrast- und Farbfinalisierung schliesslich kam eine kleinere Batterie an Einstellungsebenen zur Anwendung sowie – als Tüpfelchen auf dem i – eine leicht durchschimmernde Asphalt-Textur sowie ein Vignette-Effekt.

Fazit

Double-Exposure-Effekte bieten auch jenseits aktueller Kultfilmproduktionen jede Menge Ansätze für kreative Bild- und Werbegestaltungen – vom grafisch akzentuierten Siebzigerjahre-Stil bis hin zu grungigen Fotocollagen. Das Nadelöhr dabei ist stets die Freistellung der jeweiligen Silhouette (zumindest dann, wenn man auf die klassische Effektversion aus ist). Ist diese allerdings erst einmal erstellt, ergeben sich durch die Ebenenanordnung x Dutzend unterschiedliche Möglichkeiten; der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Spannung versprechen darüber hinaus andere kreative Doppelbelichtungsansätze.

Wie auch immer: In dem Sinn dürfte die Serie «True Detective» auch im Bereich der Bildbearbeitung die eine oder andere kreative Weiterentwicklung angestossen haben.