Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


«Wieso braucht es Drucker? Weil es die Hersteller bis heute nicht geschafft haben, Druckmaschinen zu bauen, die alleine drucken!» Mit diesem damals sehr provokativen Statement eröffnete Hans-Georg Wenke vor Jahren ein Fachseminar – und das poppte bei mir jetzt wieder auf, als ich an der Drupa in der Heidelberg-Halle stand. Keine klassische Offsetmaschine war hier zu sehen – alles digital: Keine Drucker, die mit Schraubenschlüsseln hantieren, sondern Operator im weissen Hemd.

Automatisierung ist der grosse Trumpf der Digitalisierung und das Schlagwort Industrie 4.0 lag in Düsseldorf überall in der Luft. Da denkt man an komplexe Druckfabriken, wie sie die grossen Online-Portale konsequent hochziehen. In dieses Bild passt die Ankündigung, dass Cimpress/Vistaprint gleich 20 Landa-Nanographic-Systeme ordern will. Klar, bei den Grossen da geht die Post ab! Und die Kleinen werden daneben einen schwereren Stand haben.

Dies waren meine Gedanken, bis ich abseits der hallenfüllenden Keyplayer an den kleinen Ständen von Zünd und swissQprint ein anderes Aha-Erlebnis hatte. Hier fütterten Roboterarme fleissig die Flachbett-Druck- beziehungsweise -Schneidesysteme und benahmen sich dabei ganz kollaborativ und unbedrohlich. Die legen auch mal unbeaufsichtigt eine Nachtschicht ein, so liess ich mir erläutern – also ein Produktivitätssprung, der Industrie 4.0 alle Ehren macht.

Solch flexible Roboterhilfen sind ein ganz anderer Ansatz als komplexe Produktionsstrassen. Weiter entwickelte Roboter, wie sie auch Google im Visier hat, könnten in der klassischen grafischen Industrie speziell Kleinbetriebe beflügeln. Also das smart automatisierte Druck-Atelier als Gegenentwurf zur Drucksachen-Fabrik. Und vielleicht kommt es mit Industrie 4.0 ähnlich wie bei der Entwicklung des Computers. Da machten ja auch nicht die Grosssysteme mit ihrer konzentrierten Power das Rennen, sondern die anfangs belächelten kleinen, kollaborativen, «persönlichen» Computer mit ihrer Flexibilität.

Martin Spaar