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Schweizer Fachzeitschrift
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mario aloise Alles begann mit einem Vortrag, der an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich stattfand. Das Thema war ein ausgeschriebener Lehrgang als Vorbereitungskurs auf die Eidgenössische Prüfung zum Werbetechniker beziehungsweise zur Werbetechnikerin ED. Ich war trotz meines Alters von 44 Jahren überzeugt von der Idee, diesen Lehrgang berufsbegleitend zu absolvieren und mich für die erste eidgenössische Prüfung im Jahr 2011 anzumelden. Die Frage, ob Ja, Vielleicht oder sogar Nein, stellte sich für mich glücklicherweise nicht, ich wollte die Weiterbildung einfach machen! Meine Freude war sehr gross, als ich erfuhr, dass endlich ein Weiterbildungskurs für die Werbetechnik- und Siebdruckbranche stattfindet, welcher mir tieferen Einblick in Geschäftsführungsthemen wie zum Beispiel die Personalführung, diverse Buchhaltungsfragen und das Marketing ermöglichen.

Der Start

Begeistert startete ich im Oktober 2009 in den ersten Lehrgang. Zusammen mit 25 weiteren Kolleginnen und Kollegen in je einer Klasse an der Berufsschule für Gestaltung Zürich und der Berufsschule für Gestaltung Bern und Biel in Bern nahm ich die Herausforderung an. Während zweier Jahre besuchte ich insgesamt 1080 Lektionen, welche aus einer grossen Vielfalt an Fächern und interessanten Studieninhalten bestanden. Diese Vielfalt und Tiefe war absolut notwendig, um mich zielgerichtet über einen überschaubaren Zeitraum auf die anspruchsvolle Fachprüfung vorbereiten zu können.

Die Herausforderung

Dieser erste Lehrgang war für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung – sowohl für die Kursanbieter als auch für die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, denn alle Beteiligten betraten damit Neuland. Der Verband Werbetechnik und Print (VWP) war damals in der unglücklichen Situation, dass die für die Umsetzung der höheren Fachprüfung verantwortliche Person kurzfristig das Amt niederlegte. Dadurch mussten einige wichtige Inhalte überarbeitet und in der Prüfungskommission besprochen werden. Die Prüfungskommission und die beiden Lehrgangsleiter aus Bern und Zürich engagierten sich stark dafür, dass die Vorbereitung sowie die Prüfung unter optimalen Verhältnissen durchgeführt werden konnten.

Der Stundenplan

Ich hätte mir noch mehr Lektionen in der Betriebswirtschaftslehre (BWL), der Platzkostenrechnung und der Personalführung gewünscht, denn diese Themen sind meines Erachtens für die Existenz einer Firma und die Erhaltung der Arbeitsplätze äusserst relevant. Die Lektionen zum Thema Gestaltung begannen aus meiner Sicht auf einem zu tiefen Niveau. Die Grundlagen werden bereits in der Ausbildung zum Gestalter Werbetechnik EFZ vermittelt und im Tagesgeschäft als Unternehmer bin ich täglich damit konfrontiert. Im Verlaufe des Lehrgangs wurden dann aber interessante und praxisnahe Gestaltungslektionen vermittelt. Der Lernstoff wurde inzwischen unter Berücksichtigung der Rückmeldungen und Stellungnahmen der Absolventinnen und Absolventen angepasst. Ich erlaube mir also zu behaupten, dass die zwei Klassen im ersten Lehrgang zusammen mit dem Kursanbieter echte Pionierarbeit geleistet haben. Fächer wie beispielsweise diejenigen zur Arbeitssicherheit oder zum Umweltschutz waren ein Auffrischen von bestehendem Wissen und brachten zugleich neue, aktuelle Erkenntnisse über diverse Gegebenheiten in der heutigen Wirtschaft. Eine weitere Erkenntnis war, feststellen zu müssen, dass sich zurzeit nichts derart schnell verändert und im positiven Sinn weiterentwickelt wie die in unserer Branche verwendete Gestaltungssoftware. Ich war erstaunt über den enormen Fortschritt der entsprechenden Programme und darüber, in welchem Ausmass man damit arbeiten konnte. Es ist unerlässlich, immer mit den aktuellen Programmen zu arbeiten und sich in dieser Hinsicht auch weiterzubilden, um neuste Funktionen und Programmanpassungen nicht zu verpassen.

Eine herausfordernde Zeit

Meine Motivation begleitete mich während der gesamten Zeit, in der ich am Lehrgang teilnahm, obschon mich das Führen meiner eigenen Firma bereits intensiv und mit vielen Arbeitsstunden forderte. Daher stand mir nur wenig Zeit zum Lernen und für Hausaufgaben zur Verfügung. Was ich am Freitag oder Samstag an der Schule nicht erledigen konnte, musste am Sonntag nachgeholt werden. Die Freizeit kam während des Studiums definitiv zu kurz, sogar meine Ferien nutzte ich zum Lernen. Mein ganzes Umfeld unterstützte mich dabei sehr und brachte mir glücklicherweise grosses Verständnis entgegen. Erkenntnisse aus dem ersten Lehrgang haben die Lehrgangsleiter nutzen können, um den Umfang der Lektionen und die Schultage optimal zu planen.

Vier Jahre nach der höheren Fachprüfung

Rückblickend ist für mich klar, das grosse Engagement, das Lernen und der zwischenzeitliche Verzicht auf Freizeit während des Vorbereitungslehrgangs haben sich definitiv gelohnt. Das Erlernte kann ich in meiner Firma tagtäglich anwenden und ich sehe vieles aus einem anderen Blickwinkel. Früher waren für mich nebst einer qualitativ hochwertigen Produktion die Ausgaben und die Einnahmen sowie der daraus resultierende Reingewinn wichtig. Heute verstehe ich dank den erlangten Kenntnissen die klaren Zusammenhänge zwischen Marketing und Betriebswirtschaft. Ich verstehe, was Kalkulation und Platzkostenrechnung bedeuten. Und ich weiss nun, wie sich der Preis für ein auf dem Markt angebotenes Produkt zusammensetzt und damit auch, welche Faktoren zur Definierung eines Preises berücksichtigt werden müssen. Obschon die Kalkulation niemals mein Ding war, bereitet mir nun auch eine seriöse Nachkalkulation absolut keine Probleme, das heisst, es ist sogar spannend daraus abzuleiten, ob die Arbeitsvorbereitung und die Produktion seriös nach Kalkulation ausgeführt wurden oder ob sich kostentreibende Unzulänglichkeiten eingeschlichen haben, die es zu korrigieren gilt. Nicht zuletzt hilft mir gerade diese Nachkalkulation, die Preise für unsere Produkte noch genauer bestimmen zu können. Das kann gerade bei Offert-Eingaben das Zünglein an der Waage sein.

Das Marketing

Dank dem erlernten Wissen im Bereich Marketing erkenne ich die Bedürfnisse der Kunden klarer und verstehe noch besser, wie unsere Produkte individuell gestaltet und vermarktet werden können. Ganz spannend sind für mich das Beobachten des Marktes und die Bewegungen der Marktbegleiter. Daran versuche ich heute das Angebot auszurichten, noch interessantere Produkte in einer für die Kunden sinnvollen Variation anzubieten. Nebst dem Preis, welcher trotz aller Innovation eine zentrale Rolle spielt, ist es wichtig, die Kundenanforderungen durch Individualität und Mitdenken möglichst genau umzusetzen und damit zum Erfolg der Kampagnen beizutragen.

Die Personalführung

Die grösste Herausforderung liegt für mich in der Personalführung. Hier geht es um Menschen und nicht um Produkte oder Zahlen. Die Personalführung beinhaltet sehr viele Faktoren. Sie beginnt bei der Selektion von Bewerbungen und der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Es ist nicht immer einfach, unter den verschiedenen Charakteren und Persönlichkeiten die passenden Mitarbeiter zu finden und in ein funktionierendes und aufeinander eingespieltes Team zu integrieren. Heute bevorzuge ich qualifizierte Bewerb­ungen, früher hat bei mir diese Qualifizierung eher Bedenken ausgelöst. Der Lehrgang und die gemachten Erfahrungen haben mir auch hier sehr viel gebracht. Ich habe meinen Führungsstil erkannt und entsprechend anpassen können, was von meinen Mitarbeitenden positiv zur Kenntnis genommen wurde und die tägliche Zusammenarbeit auf verschiedenen Stufen wesentlich vereinfacht.

Früher waren wir ein reines Familienunternehmen. Alles hat (fast) ohne Worte funktioniert. Ich habe mich damals nie gefragt, ob ich ein guter Chef bin, da alles sehr harmonisch abgelaufen war. Die Personalführung läuft heute anders ab, ist aber auch aufwendiger. Es braucht sehr viel Kommunikation, damit Projekte kundengerecht und in hoher Qualität abgewickelt werden können. Die Kontrolle der delegierten Aufgaben ist daher unumgänglich. Ich habe erkannt, dass ein effizientes Arbeiten nur dann möglich ist, wenn die Vorgesetzten die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeitenden genau kennen und fähig sind, diese entsprechend ihren Qualifikationen und Fähigkeiten einzusetzen. Zudem ist es mir wichtig, ein guter Geschäftsleiter und Motivator zu sein, auf den sich die Mitarbeitenden stets verlassen können. Meine Anforderungen an die Angestellten sind hoch, doch nur im Zusammenspiel aller sind die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu meistern.

Meine persönliche Weiterentwicklung

Die Weiterbildung hat ein gutes Fundament gebildet. Aufbauend darauf konnte ich mein Selbstmanagement stark verbessern. Ich habe gelernt, Aufgaben zu delegieren und meinen Mitarbeitenden Vertrauen zu schenken anstatt alle Aufgaben selbst bewältigen zu wollen. Ich habe gelernt, wo mein Platz in der Firma sein soll, und ich weiss, welche Aufgaben die meinen sind. Durch die Höhere Fachprüfung habe ich also gelernt, die betrieblichen Hintergründe zu erkennen und zu beurteilen. Ich plane nun längerfristig und treffe Entscheidungen selbstsicherer. Das erlangte Wissen kann ich somit professionell in meiner Firma anwenden und umsetzen. Sporadisch kommt es sogar vor, dass ich vor Situationen stehe, die im Unterricht besprochen und analysiert wurden. Deshalb ist für mich auch als selbständiger Unternehmer die höhere Fachprüfung zum Werbetechniker ED eine grosse Bereicherung und ich würde mich jederzeit wieder für diesen Lehrgang entscheiden.

Ich wurde während der Weiterbildung ab und zu gefragt, wieso ich in meinem Alter und als mein eigener Chef diesen Lehrgang überhaupt auf mich nehme, ich müsse mich ja nirgends mehr bewerben und mein Gehalt könne ich ja sowieso selbst bestimmen. Natürlich brachte mir der Lehrgang keine Gehaltserhöhung ein und auch die Schulkosten mussten selbst getragen werden. Diese waren nicht unerheblich, sie lagen nahe bei 15 000 Franken. Darin sind die Absenzen in der Firma noch nicht enthalten. All dies wiegt für mich nicht so schwer wie der Profit, den ich längerfristig daraus ziehen kann. Rückblickend hat sich die Investition allemal gelohnt. Neu sollen sogar die Finanzierungsmodelle vom Bund überarbeitet werden und die Lehrgänge sollen entsprechend subventioniert werden. Dies wird für zukünftige Absolventen und Absolventinnen eine enorme Erleichterung in finanzieller Hinsicht sein.

Der Gewinn für das Unternehmen

Ich bin auch fest davon überzeugt, dass das erlangte Wissen in Bezug auf die anstehende Nachfolgeregelung in meiner Firma für alle Beteiligten hilfreich sein wird. Ich gehe nun langfristige Entscheidungsfragen anders an, bin kritischer und kopflastiger als früher und bin auf die Zukunft bestens vorbereitet. Seit diesem Frühling beschäftigen wir einen Mitarbeiter, der ebenfalls die Höhere Fachprüfung absolviert hat und der mich persönlich in allen Geschäftsbereichen unterstützt und entlastet. Gerade wegen der bestandenen eidgenössischen Prüfung habe ich ihm die Kompetenz übertragen, stellvertretend die volle Verantwortung im Betrieb zu übernehmen, während ich mich selbst weiterbilde oder mich für die Bildung einsetze. Es ist für mich wichtig und zugleich beruhigend, diesen hoch qualifizierten Mitarbeiter in meiner Firma zu wissen und ich schätze seinen Einsatz sehr.

Fazit und gebliebene Freundschaften

Aus dem Lehrgang entstandene Freundschaften zu Mitschülern und Mitschülerinnen haben bis heute gehalten und sind eine grosse Bereicherung. Der Kontakt sowie der Austausch mit ihnen sind mir wichtig. Dieser Dialog und Erfahrungsaustausch trägt viel dazu bei, sich stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern. Aus meiner Sicht weist die eidgenössische Prüfung zum Werbetechniker und zur Werbetechnikerin ED einen grossen Nutzen auf und daraus hervorgehend viele Erfahrungen, Erkenntnisse und Neuheiten. Die Zukunft wird härter werden, die Anforderungen an Betriebsführung und Produktion werden zunehmen. Durch Globalisierung und Internet erwachsen neue Wettbewerber in unserem kleinen und in der Vergangenheit überschaubaren Markt. Es gilt, sich diesen Herausforderungen zu stellen und sie erfolgreich zu meistern. Permanente Weiterbildung ist eines der wichtigsten Elemente, um dies umsetzen zu können.