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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


«… mit dem Mietmodell profitieren unsere Kunden von häufigeren Updates, die die Funktionalität der Kreativwerkzeuge stetig erweitern – nicht nur bei einem vollen Versionssprung», so lautete eines der Hauptargumente für das Mietmodell der Adobe Creative Cloud. Für 70 Franken im Monat stehen alle erdenklichen Applikationen für die kreative Arbeit am Computer unbeschränkt zur Verfügung. Viel Geld, vor allem für die Anwendungen, die man gar nicht oder eventuell noch nicht (Adobe-Logik) braucht.

Ende letzten Jahres folgte dann, was von kritischen Anwendern befürchtet wurde: Adobe strafft per Mai 2015 den Umfang der Creative Cloud. Ab dann ist die Single Edition der Digital Publishing Suite (DPS SE) abgeschafft. Das «kostenlose» Erstellen einer App als Bestandteil des Creative-Cloud-Abos wird ersatzlos gestrichen. Wer dann bereits eine App mit der DPS SE erstellt hat, kann diese nicht mehr aktualisieren. Bei der Veröffentlichung von neuen Tablet-OS-Versionen muss damit gerechnet werden, dass die App plötzlich nicht mehr läuft. Wer, aus welchen Gründen auch immer, seinen Kunden gegenüber verpflichtet ist, die App à jour zu halten, dem bleibt nur die jährlich mindestens 3600 Euro teure Professional Edition der DPS. Erneut viel Geld – in diesem Fall für kleine Agenturen und Selbstständige wohl zu viel!

Adobes Begründung ist unbefriedigend. Angeblich haben die Anwender ein grosses Interesse an der Erstellung von EPUBs mit fixem Layout. Diese können beispielsweise aus InDesign ohne zusätzliche Plug-ins und Lizenzkosten ausgegeben werden. Bis anhin war die DPS SE die einzige Möglichkeit für Creative-Cloud-Abonnenten, ohne weitere Kosten eine App zu erstellen. Dass EPUB die DPS SE ablöst, bedeutet für den Ersteller einerseits, dass die bestehenden Layouts mit Interaktivität und Animation umgebaut werden müssen. Andererseits ist ein EPUB keine App, das heisst, dass die Publikationen nicht über die etablierten Stores (App Store/Google Play), sondern nur über die Bookstores (iBooksstore oder Google Play Books) bezogen werden.

Das Versprechen, wonach Adobe immer mehr in die Creative Cloud integrieren will, wurde nicht gehalten. Im letzten Jahr konnte erstmals etwas wie Akzeptanz für das Miet-Modell festgestellt werden. Zumindest ist der Anteil der kreativen Cloudianer erheblich gestiegen. Wirtschaftlich scheint sich die Umstellung vom Kauf- zum Mietmodell für Adobe auszuzahlen. Der Wert der Aktien jedenfalls hat sich seit Mitte 2012 verdoppelt. Jetzt gilt es aber, die Kunden bei der Stange zu halten. Ein Ansatz wäre vielleicht, in Analogie zur Fotografen-Cloud (Photoshop und Lightroom) individuelle(re) Cloud-Abos anzubieten. Die selbst kombinierbaren Applikationen hätten dann einen eigenen Preis und nicht einen einheitlichen von 28 Franken! Ein realistischer Preis für das Erstellen von Apps, wie es die DPS SE bot, liesse sich da sicherlich auch finden. Anderenfalls bleibt der Blick über den Tellerrand, wo sich mit Quark App Studio, Twixl Publisher oder anderen potente Alternativen zur App-Erstellung anbieten – aber nicht nur dafür, auch bei den Anwendungen für Bildbearbeitung und Layout tut sich einiges.

Romeo Hutter