Romeo HutterDieser Publisher fällt nicht nur optisch auf, das Cover berührt den Leser auch haptisch – und das nicht ganz ohne eine gewisse Irritation. Es fühlt sich rau an und ergänzt damit den ersten visuellen Eindruck.

Entstanden ist das Cover in Zusammenarbeit mit der René Faigle AG, der Howigra AG und der Agenturtschi. Nach einer ersten Besprechung im Juni stand lediglich eines fest: Die Banneroption der Develop ineo+ 2070 soll dafür zum Einsatz kommen. Sie ermöglicht die Verarbeitung von Papierbogen mit einem maximalen Format von 330 × 1200 Millimeter. So erscheint das Cover dieser Ausgabe mit Klappe und einer Gesamtbreite von 330 Millimetern (560 mm inkl. U4).

Gerasterte Quadrate

Für die Gestaltung des Covers zeichnet Ralf Turtschi verantwortlich, der als Autor und Gestalter regelmässig für uns tätig ist. «Ich bin ein Punktfetischist», sagt Turtschi über sich selbst. Den Umschlag mit Albert Einstein vor Augen (siehe Publisher 3-12) entschied er sich erneut für die Gestaltung eines Covers, das auf ein Punktraster setzt. Auf dem Stockfotoportal Fotolia ist ihm schnell ein Bild einer «sympathischen» Business-Frau ins Auge gestochen. Dieses diente als Basis für die weiteren Gestaltungsschritte.

Mit dem Hintergrund, dass Faigle in ihrer Kommunikation auf Quadrate setzt, sollten diesmal anstelle runder Punkte Quadrate in unterschiedlicher Grösse zum Einsatz kommen. Nachdem das Originalbild über den Vergröberungsfilter Farbraster in Photo­shop umgewandelt war, wurden die Quadrate in mehrstündiger Arbeit in Illustrator entsprechend der Kontur des Originals nachgezeichnet beziehungsweise neu gesetzt.

Ein Cover soll auffallen – beim ersten Kontakt. Die eingeklappte Klappe kann das nicht. Sie entfaltet ihre Wirkung erst, nachdem der Leser Hand angelegt hat. Um die Auffälligkeit zusätzlich zum Visuellen zu erhöhen, wollte Ralf Turtschi eine haptische Dimension ins Spiel bringen. Erst sollte dies über ein entsprechendes Papier in die Gestaltung integriert werden, die Option Veredlung überzeugte die Beteiligten jedoch mehr. Mit der Howigra AG aus dem appenzellischen Oberegg konnten wir einen erfahrenen Siebdruckveredler an Bord holen.

Effekte testen

Um die Wirkung einer Siebdruckveredlung vor dem Druck erahnen zu können, hat Howigra ein kleines Labor eingerichtet, in dem eine Vielzahl verschiedener Lacke getestet und die Wirkung simuliert werden kann. Um dem Cover eine möglichst starke haptische Wirkung zu geben, einigten sich Ralf Turtschi und Martin Fürer vor Ort auf einen groben Strukturlack.

Anders als bei der visuellen Gestaltung basiert die Druckvorlage für den Strukturlack zwar auf derjenigen für den CMYK-Digitaldruck, allerdings sind es hier runde Punkte, die nicht mit den Quadraten übereinstimmen und zum Lack einen gewissen Kontrapunkt setzen: Die Business-Frau, die etwas kratzig wirkt. Auch für diese Vorlage war nochmals eine stundenlange Gestaltungsarbeit nötig, um die Punkte in der richtigen Grösse in einer anderen Rasterwinkelung anzuordnen.

Nachdem die Gestaltung weitestgehend abgeschlossen war, wurden bei Faigle Andrucke auf der Develop ineo+ 2070 produziert und von Howigra gleich auch testhalber veredelt.

Druck im Showroom von Faigle

Das Schweizer Familienunternehmen Faigle bietet Lösungen rund um das Dokumentenmanagement: von Officegeräten über die Archivierung und den 3D-Druck bis hin zum Production Printing. Faigle verfügt über ein feinmaschiges Vertriebs- und Servicenetz, das Kunden aus sämtlichen Regionen der Schweiz zeitnah betreuen kann. Seit mehr als zehn Jahren gehören auch Lösungen im digitalen Produktionsdruck zum Portfolio. Mit der dp-i AG konnte man vor einigen Jahren einen versierten Digitaldruckspezialisten als Partner gewinnen. Die Mitarbeiter der dp-i AG greifen auf eine über 20-jährige Erfahrung zurück und erarbeiten für ihre Kunden Gesamt­lösungen – von der Evaluation bis hin zur Integration mit Farbmanagement und automatisierten Workflows. So stand dp-i auch beim Start dieses Projekts mit Rat und Tat zur Seite. Gedruckt wurden die knapp 9500 Umschläge schliesslich von Vedran Leko, Leiter Product Management, im Showroom von Faigle in Oerlikon.

Um beim Bedruckstoff einen Akzent zu setzen, gleichzeitig aber auch ein gutes Druckbild erzielen zu können, fiel der Entscheid zugunsten des Papiers Eminent (240 g/m2) von Fischer Papier. Das Offsetpapier besitzt eine natürliche Haptik, eine hohe Weisse und ein relativ hohes Volumen.

Sind die Daten einmal aufbereitet, druckt die Develop ineo+ 2070 mehr oder weniger im Alleingang. Ein integriertes Inline-Spektraldensitometer behält die Kontrolle und führt gegebenenfalls eine automatische und medienbezogene Halbtondichtekorrektur aus. Dadurch bleibt die Farbreproduktion über die gesamte Auflage stabil. Mit einer Geschwindigkeit von 71 A4-Seiten pro Minute war die Auflage innerhalb von zwei Tagen fertig gedruckt und konnte an die Howigra AG zur Veredlung spediert werden.

Raue Haptik durch Strukturlack

Der grobe UV-Strukturlack verleiht dem Cover schliesslich einen haptischen Effekt. Es fühlt sich beinahe wie ein grobkörniges Schleifpapier an. Dieser mit UV-Licht härtende Lack ist einer von bis zu 70 Varianten, die vom Siebdruck-Spezialist Howigra eingesetzt werden. Grundsätzlich sind aber noch viele weitere Lacke im Siebdruck anwendbar. Viele Effekte sind mit keinem anderen Verfahren realisierbar, so auch derjenige auf dem Cover. Viele Drucksachen, die im Siebdruck veredelt werden, setzen wie bei diesem Cover einen einzelnen Lack ein. Lacke lassen sich aber auch beliebig kombinieren, wodurch beispielsweise ein haptischer Effekt durch einen Duft oder einen Glanz ergänzt werden kann. Und: Eine Siebdruckveredlung ist nicht ungemein teuer, zumal sie die Wertigkeit einer Drucksache um ein Vielfaches steigern kann. «Einfach gesagt, sind die Kosten pro Lack etwa gleich wie diejenigen einer zusätzlichen Farbe im Druck», sagt Roland Eichmüller, Geschäftsführer der Howigra AG.

Bei Howigra stehen für die Produktion manuelle Siebdruckmaschinen ebenso zur Verfügung wie halb- und vollautomatische Systeme. Mit einem maximalen Durchsatz von 4000 Bogen pro Stunde ist die SPS Vitessa SL2 das schnellste Siebdrucksystem in der Schweiz. Die gesamte Auflage war in einem halben Tag veredelt.

Drucksachen mit Effekt

Dieses Cover zeigt, welche Möglichkeiten der Digitaldruck in Kombination mit einer Siebdruckveredlung bietet. Mit einer speziellen Gestaltung und einem unerwarteten haptischen Effekt lassen sich Drucksachen realisieren, die den Betrachter auf unkonventionelle Weise ansprechen. Kommunikation über mehrer Sinne bleibt erwiesenermassen in besserer und bleibender Erinnerung.

Faigle bietet als exklusiver Vertriebspartner der Develop-Systeme in der Schweiz Digitaldruck-Lösungen, mit denen kleine und grosse Volumen in Agenturen, Copy-Shops oder Druckereien produziert werden können. Howigra ist Siebdruck-Spezialist und steht jedem bei seinem Veredlungsvorhaben mit Rat und Tat zur Seite.

Gefordert sind die Drucksachenauftraggeber und die Agenturen: Sie sollten Drucksachen konzipieren und gestalten, die beim Empfänger für Eindruck sorgen.