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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Die Wahl Donald Trumps hat heisse Diskussionen über die «Mitschuld» des Internets und speziell der sozialen Medien ausgelöst: Wie konnte es passieren, dass uns das derart unerwartet auf dem linken Fuss erwischt hat? Wie konnte die Befindlichkeit einer grossen, unzufriedenen Wählerschicht derart übersehen werden – was hat unsere Wahrnehmung solcherart getrübt?

Eine interessante Erklärung ist der Filterblasen-Effekt. Zwar ist die Segmentierung unserer Gesellschaft ein uraltes Thema – man bewegte sich auch in der analogen Welt vorzugsweise in mehr oder weniger geschlossenen Kreisen Gleichgesinnter. Mit den Algorithmen der sozialen Medien geht diese «Blasenbildung» jedoch nochmals weiter: Ich sehe nur noch, was zu mir passt, mich quasi als Honigtopf wieder auf die Plattform lockt. Alles Unbequeme und Störende wird mir von den Zuckerbergs dieser Welt bewusst vorenthalten – vom Algorithmus ausgefiltert. Nicht aus böser Absicht, sondern weil es nicht ins Geschäftsmodell passt. Derart in der Wahrnehmung manipuliert, reiben wir uns angesichts des Sieges Trumps immer noch die Augen.

Die konsequente Individualisierung der Kommunikation, von der wir im Digitaldruck noch immer träumen, bekommt vor diesem Hintergrund plötzlich einen bitteren Nachgeschmack. Und dies ausgerechnet in einem Moment, wo eines der ambitioniertesten und renommiertesten Digitaldruckprojekte der Schweiz zu Grabe getragen wird: Die Mengis Gruppe bricht das Digitaldruck-Projekt mit dem Walliser Boten Ende Dezember ab und vergibt den Auftrag im Offsetdruck (siehe Seite 13). Das Konzept mit der lokal differenzierten Zeitung liess sich offensichtlich kommerziell nicht wie angedacht umsetzen. So bekommt man in Visp weiterhin alles mit, was politisch in Zermatt passiert und die Rentner im Stöckli staunen, mit welchen Argumenten die Werbung die Zielgruppe der urbanen Jungen umgarnt.

Unter dem Aspekt des Filterblasen-Effekts ist dies für das Funktionieren unserer Gesellschaft wohl gar nicht so falsch. Gerade das ungefiltert Überraschende und Inspirierende ist eine Stärke von Print, die man bei aller Begeisterung für den individualisierten Digitaldruck nicht aus den Augen verlieren sollte. Und vielleicht kann das Internet diesbezüglich sogar noch etwas vom guten alten Offsetdruck lernen.

Martin Spaar