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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass sich Xerox vertikal in zwei Firmen aufspalten will: in eine Hard-/Software-Firma (Document Technology), zu der auch das Digitaldruckgeschäft dazugehört, und ein Software-/Beratungs-Unternehmen (Business Process Outsourcing). Nun ist Xerox nicht irgendeine Firma, sondern schon fast die Publishing-Company par excellence. Von der Xerografie über die Maus bis zu Postsript/PDF hat vieles im heutigen Publishing hier seinen Ursprung. Was sich bei Xerox tut, war immer wieder wegweisend für die Branche und es lohnt sich, hier genau hinzuschauen.

Welche Strategie steckt also hinter dieser Spaltung und was bedeutet dies für die Branche? Offensichtlich wird hier der Trend zu vertikaler Organisation fortgesetzt und verstärkt. Dieser prägt seit Jahren das Geschehen bei allen grossen Konzernen. Bei vertikalen Organisationen laufen die Fäden jedes Bereichs zentralisiert zusammen. Es gib nicht mehr einen Länderchef, der über alle Bereiche lokal das Sagen hat, sondern Entscheide werden in europäischen Headquarters oder gar den Weltzentralen gefällt. So sitzen in diesen Firmen Mitarbeiter im selben Grossraumbüro nebeneinander, deren nächster gemeinsamer Chef der CEO auf einem anderen Kontinent ist.

Der Schweizer Digitaldruckmarkt wird interessanterweise noch durch ein anderes Modell geprägt: durch Schweizer Unternehmen nämlich, welche die Drucksysteme von Weltkonzernen ganz eigenständig vermarkten. Diese lokal verankerten Firmen gewinnen gegenüber ihren «ferngesteuerten» Konkurrenten in letzter Zeit immer mehr an Boden. Dies hat verschiedene Gründe und hängt zum Teil auch mit weltweiten Verschiebungen der Marktanteile zusammen. Ein wichtiger Faktor ist jedoch die Kundennähe, und diese hat nun mal auch einen geografischen Aspekt. So ist eine vertikal ins Ausland verlagerte Hotline nicht dasselbe wie eine lokale mit Menschen, die auch im weiteren Sinn dieselbe Sprache sprechen wie ihre Kunden.

Nun könnte man die Xerox-Spaltung auch positiv sehen: Das Resultat sind zwei kleinere Unternehmen, was mehr Flexibilität bringen könnte und damit mehr Fokussierung und im besten Fall auch wieder mehr Nähe zu lokalen Märkten. Bei diesen Überlegungen gilt es jedoch, eines zu beachten: Die treibende Kraft hinter der Spaltung scheint der Investor Carl Icahn zu sein, der erst kürzlich gross bei Xerox eingestiegen ist. Und der sagt ganz unverhohlen, worum es geht: um den Shareholder-Value. Da darf man sich die Frage stellen, ob wirklich eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens im Vordergrund steht oder nicht eher kurzfristige Gewinnmaximierung an der Börse. Denn nichts ist heute volatiler als der Aktienmarkt, und anders als Mitarbeiter und Kunden ist der Aktionär mit zwei Mausklicks fein aus der Sache raus und hat seinen Börsengewinn eingesteckt.

Immerhin scheint Icahn gar nicht an «unserer» Publishing-Xerox interessiert zu sein, sondern er lässt diese quasi als Rest links liegen und will sich ganz auf das künftige Beratungsunternehmen konzentrieren, wo ihm drei Sitze im Verwaltungsrat zustehen werden. Nicht im hauptsächlichen Fokus der Gewinnmaximierer zu stehen, könnte so gesehen auch eine Chance sein. Wir sind gespannt, wie sich der von Icahn verschmähte «Rest» in der Publishing-Branche entwickeln wird, und lassen uns von dieser neuen Xerox gerne positiv überraschen!

Martin Spaar