Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 2017 >> Publisher 3-17 >> Publishing >> Die Unbeugsamen schlagen zur�ck

Die Unbeugsamen schlagen zur�ck

Auch wenn der Kampf um die DTP-Vorherrschaft entschieden zu sein scheint – Quark steckt nicht zurück. Ende Mai ist die neue Version von XPress erschienen. Der Publisher hat sich diese vorab angeschaut.

Jürgen FranckWar früher die DTP-Szene mehrheitlich von den «­Römern» – also von XPress – besetzt, so präsentiert sich heute ein umgekehrtes Bild. Das im amerikanischen Bundesstaat Colorado ansässige Unternehmen Quark repräsentiert heute die «unbeugsamen Gallier», die sich gegen die Übermacht Adobe von der amerikanischen Westküste behaupten müssen. Und das tun sie mit der gleichen Regelmässigkeit, wie auch Adobe seine Software aktualisiert: jährlich. So kommt nun mit XPress 2017 die Neuauflage in den digitalen Softwareladen. Ausgewählte Änderungen der neuen Version sollen nachfolgend besprochen werden.

Nichtdestruktive Bildmanipulation

Nicht gänzlich neu ist der Versuch von Quark, den Bildbereich abzudecken. So können direkt in der Applikation ­diverse Bildmanipulationen vorgenommen werden. Um es vorwegzunehmen: Photoshop wird damit nicht obsolet, aber ein Teil der Bildbearbeitung kann sehr effizient und nichtdestruktiv vorgenommen werden. Der ursprüngliche Bildinhalt bleibt dabei erhalten und die Bildkorrektur oder -manipulation wird nur als Funktion hinzugefügt, die wieder geändert werden kann.

Als Vorteil sieht man die Anpassungen direkt im Layout, ohne die Änderungen zuerst in der Bildverarbeitung auszuführen und das Layout aktualisieren zu müssen. Das reduziert auch den Speicherbedarf und erspart das Abspeichern unzähliger Versionen, weil das gleiche Bild mit unterschiedlichen Anpassungen in mehreren Dokumenten oder mehrfach im gleichen Dokument verwendet werden kann. Das heisst aber auch, dass der Arbeitsablauf in der Vorstufe angepasst werden muss, weil das platzierte Ausgangsbild nicht mehr mit Photoshop verändert werden darf, denn die in XPress vorgenommenen Anpassungen basieren ja darauf. Ist man sich dessen bewusst, erschliessen sich neue Möglichkeiten und Workflows bei der Seitengestaltung.

Wenn Quark behauptet, dass Anwender mit neuen Bildbearbeitungsfunktionen ihre vertraute Layout-Anwendung nicht mehr verlassen müssen, stimmt das zwar nicht ganz, die Richtung aber ist korrekt. Direkt im Programm können Tonwertkorrekturen vorgenommen und Gradationskurven eingestellt werden und auch die Helligkeit und der Kontrast lassen sich anpassen.

Zu den Funktionen zählt ferner die Unschärfemaskierung, aber auch Relief-Filter oder Filter, die das Nachzeichnen von Konturen ermöglichen. Mit dem Blend- oder Mischmodus kann zudem eine Verrechnung zwischen zwei oder mehreren überlappenden Objekten erfolgen. Das geht auch mit Bildern. Die Bildbearbeitungspalette erlaubt es, dass ein Bild mit seinem Hintergrund multipliziert wird oder dass auf das Bild eine Rasterung angewendet werden kann.

Typografie und Text

Im Bereich Typografie und Text setzt die neue Version neue Akzente. So lassen sich unterschiedliche Strichstärken für Textumrandungen erzeugen und sogar Konturenstile (Vorlagen) erstellen – dies alles, ohne dass der Text dazu in einen Rahmen umgewandelt werden muss. Auch Textschattierungen sind möglich. Sowohl einzelne Wörter als auch komplette Absätze können durch Schattierungen – sozusagen die Hintergrundfarbe eines Textes – angepasst werden.

In der Praxis weit wichtiger als die Schattierungen ist in unseren Breitengraden wohl die neue Funktion Spaltenspanne. InDesign-Anwender kennen sie schon lange (auch wenn sie dort in der Praxis leider viel zu selten angewandt wird). Damit ist es möglich, einen Text – normalerweise eine Überschrift oder einen Lead – über mehrere oder alle Spalten des aktuellen Textrahmens laufen zu lassen. Dadurch kann die Anzahl der Textrahmen reduziert und das Bearbeiten des Inhalts vereinheitlicht werden. Als Schmankerl können zusätzlich noch Linien zwischen den Spalten hinzugefügt werden.

Platzieren von nativen Objekten

Mit QuarkXPress 2016 hat Quark dem Layout-Programm bereits eine interessante Funktion spendiert: Seither können geschlossene Daten – zum Beispiel eine PDF-Datei – nicht nur platziert, sondern sogar deren Inhalte zugänglich gemacht werden. Mit der Einführung dieser Funktion war QuarkXPress 2016 die erste Layout-Anwendung, mit der Dateien in den proprietären Vorstufenformaten .pdf, .ai, .eps und sogar .indd oder den Microsoft-Office-Formaten in native, bearbeitbare QuarkXPress-Objekte konvertiert werden können. Neu können, um beim Beispiel PDF zu bleiben, darin enthaltene Bilder optional auf die Festplatte gesichert und mit dem QuarkXPress-Layout verknüpft werden. Auflösung, Farbmodell und Farb­profile bleiben erhalten.

Leider sind derart platzierte Dokumente nicht unbedingt «korrigierfreundlich» aufgebaut bzw. sind die Texte oft nicht in der gewünschten Reihenfolge. Das passiert vor allem bei mit beispielsweise Microsoft Word erstellten Dokumenten. Damit diese Inhalte nun besser bearbeitet werden können, hat Quark in der neuen Version die Funktion Textrahmen vereinen hinzugefügt. Damit können die Elemente so vereint werden, dass der Text besser bearbeitet werden kann.

Digitales Publishing

Mit QuarkXPress 2016 führte Quark mit den HTML5-Publikationen bereits ein weiteres digitales Ausgabeformat ein. Solche Layouts lassen sich ohne zusätzliche Plug-ins auf allen modernen Browsern für PCs, Tablets und Mobilgeräte darstellen. Darüber hinaus können interaktive Zusatz­inhalte (scrollbare Bereiche, Diashows, Animationen) hinzugefügt werden. Mit XPress 2017 hat Quark diesen Bereich nun weiter ausgebaut. Neu können unbegrenzt iOS-Single-Apps kostenlos erstellt werden. Das Unternehmen weist vorsichtshalber darauf hin, dass die App-Erstellungsfunktionalität einigen Einschränkungen unterliegt. So ist eine Apple-Developer-ID notwendig. Weiter ist es derzeit nur möglich, SingleApps für iOS zu erstellen.

Wer mit diesen Einschränkungen leben kann, versetzt sich in die Lage, beliebig viele interaktive Dokumente auf der Grundlage von HTML5 erstellen zu können. Es ist weder ein Abonnement noch eine Per-App-Gebühr zu bezahlen – alles ist direkt aus QuarkXPress 2017 möglich.

Ebenfalls direkt mit QuarkXPress 2017 können mehrere digitale Layouts in unterschiedlicher Grösse als einzelne HTML5-Pakete exportiert werden: beispielsweise ein Layout für das iPad (vertikal und horizontal) und unter Zuhilfenahme der adaptiven Einstellungen eine Version für das iPhone (vertikal und horizontal).

Mit der adaptiven Umwandlung wird man in die Lage versetzt, anzugeben, welche Attribute des Layouts angepasst werden und welche die aktuelle Originalgrösse behalten sollen. Diese Funktion soll die Herstellung digitaler Publikationen signifikant beschleunigen – so jedenfalls die Aussage von Quark. Ausprobiert haben wir das noch nicht, aber der Ansatz, den Quark damit verfolgt, ist vielversprechend.

Die adaptive Layout-Umwandlung kann neu auch für Printprojekte genutzt werden. Wie bei InDesign (dort heisst die Funktion Alternatives Layout erstellen) wird dazu beispielsweise ein hochformatiges Layout anhand eines Regelwerks in ein querformatiges verwandelt.

Beide Endformate werden in dieselbe HTML5-Publikation exportiert. Der Empfänger der Publikation wird davon nichts merken, sondern einfach das jeweils korrekte Layout in der auf das Lesegerät angepassten Grösse erhalten. Das Ganze passiert responsiv, das heisst, das Dokument wird im Desktop-Browser beim Verändern des Fensters entsprechend angepasst. Im vorliegenden Fall wären das nur die Versionen für Tablet und Smartphone – selbstverständlich können weitere Formate hinzugefügt werden.

Wie lange wirkt der Zaubertrank?

Quark unternimmt viel und beschreitet neue Wege, um sich vom heutigen Platzhirschen InDesign abzugrenzen. Das ist gut so. Eine Marktdominanz bringt Desktop-Publishing nicht weiter. Auch PageMaker war seinerzeit wichtig, sonst würde die Layout-Aufbereitung heute vermutlich ausschliesslich von Quark beherrscht.

Der grösste Unterschied zwischen den beiden Anbietern ist das jeweilige Geschäftsmodell. Besonders erfreulich ist, dass auch QuarkXPress 2017 ein Kaufprodukt bleibt und nicht abonniert werden muss. Ausserdem erkundigt sich Quark immer bei der Anwenderschaft, was denn in die neue Version einzubauen ist. Auch die frischen Ansätze wie HTML-5-Ausgabe und die Erstellung von Single-Apps aus XPress heraus zeigen, dass man in Colorado das Rennen noch nicht aufgegeben hat.

Ob das Neuauflegen von Zaubertrankmischungen mit der aktuellen Rezeptur QXP 2017 allerdings reicht, um die «Römer» noch lange auf Distanz zu halten, wird die Zukunft zeigen. Es ist den Mannen und Frauen aus Denver mehr als zu wünschen – auch und vor allem im Sinne unserer Branche. ↑

Jürgen Franck ist gelernter Schriftsetzer. Er hat alle Stufen der Satzherstellung bis und mit Desktop­-Publishing miterlebt. Heute arbeitet er als Berufsfachschullehrer in der Grund- und Weiterbildung und ist selbstständig.