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Schweizer Fachzeitschrift
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Als die Computermonitore das Laufen lernten

Animationen auf dem Bildschirm haben bereits zwanzig Jahre auf dem Buckel. Sie nutzen den Vorteil des Monitors aus, dass dieser seinen Inhalt innerhalb Sekundenbruchteilen aktualisieren kann.

Jürgen Franck Die Möglichkeiten des Mediums Print sind im Bereich der Animation begrenzt. Eindrücklich zeigte die letzte Publisher-Ausgabe mithilfe eines Linsenraster-Bilds, wie sich auch auf Papier Bilder animieren lassen. Eine Serie von 30 Bildern waren notwendig, um einen harmonischen Übergang zwischen dem Gesicht eines Berg­löwen und dem einer Frau hin und her zu wechseln oder um eine dreidimensionale Wirkung entstehen zu lassen und damit unseren Augen Bewegung oder eine dritte Dimension vorzutäuschen, was es beides «in Wirklichkeit» auf dem Umschlag nicht gibt. Damit sind die Animationsmöglichkeiten im gedruckten Medium aber nach heutigem Stand der Technik an ihre Grenzen angelangt.

Dass Bildschirme das besser können, ist nichts Neues. Der blitzschnelle Bildaufbau lässt Bildsequenzen zu, denen unsere Augen ebenfalls nicht mehr folgen können. Auch hier werden unsere Augen getäuscht. Unser Gehirn setzt etwa schnell hintereinander eintreffende Bilder zu Filmsequenzen um.

Dennoch wurden diese Möglichkeiten anfänglich gar nicht genutzt. Animationen und Filme waren jedenfalls kaum der Fokus bei der Entwicklung der ersten Computer. Als die ersten Rechner für private Anwender erschwinglich wurden, war deren Verwendung an sich schon spannend genug. Für Animationen und das Wiedergeben von Filmsequenzen fehlte es noch lange an Entwicklungsumgebungen und vor allem auch an schnellen Grafikkarten. Beides ist heute längst vorhanden; Computer, Tablets oder Smartphones sind heute vor allem multimediale Ausgabegeräte. In der Konsequenz müssen Betreiber von Websites oder Entwickler von Apps immer mehr tun, als nur statische Inhalte abzubilden. Auf dem Monitor muss etwas passieren, um den oder die Davorsitzende(n) hinter dem Ofen hervorzulocken, um ihn oder sie zum Klicken auf einen Link oder Button zu bewegen. Während beim gedruckten Medium die Gestaltung und Typografie, Papierwahl oder Veredelung für Aufmerksamkeit sorgen, ziehen auf dem Monitor vor allem Animationen und Bewegtbilder das Interesse auf sich.

QuarkImmedia für Multimedia

Die Zeit in der Mitte der 1990er-Jahre war so etwas wie der «Kalte Krieg im Publishing». Das viel kleinere, aber hoch profitable Unternehmen Quark hatte doch tatsächlich ein Angebot für die Übernahme des seinerzeit schwächelnden Softwareherstellers Adobe Systems unterbreitet. Adobe schluckte den PageMaker-Entwickler Aldus, fiel damit an der Börse aber in Ungnade.

Just zu dieser Zeit schwamm Quark, das bis heute in Privatbesitz geblieben ist und sich damit den Vor- und Nachteilen eines börsenkotierten Unternehmens entzieht, obenauf. Für das Layoutprogramm QuarkXPress 3.32, eine Version, die allen Desktopern, die damals in der Druckvorstufe arbeiteten, heute noch bekannt sein dürfte, lancierte das US-amerikanische Unternehmen eine QuarkImmedia bezeichnete Programmerweiterung. Immedia war ein erster Ansatz, um das Desktoppublishing in ein neues Zeitalter zu überführen – heute würde man sagen, es war das erste so genannte Authoring-Tool, um multimediale Projekte zu erstellen.

Immedia war gleichzeitig eine Antwort von Quark auf den «Future­Splash-Animator», einer Art Vorläufer des heutigen Flash. Quarks Fokus war jedoch von Anfang an, der Anwenderschaft ein intuitives Tool zur Verfügung zu stellen und keine Programmiersprachen wie ActionScript zuzumuten. Das Interesse an Immedia war gross und die Bedeutung der Produktankündigung war damals in etwa dieselbe, wie wenn Adobe heute eine neue Runde seiner Creative Suite vorstellt. An von Druckereien durchgeführten Kundenveranstaltungen wurde hier und da gar von einer Zeitenwende gesprochen und das traditionelle Desktop Publishing schon mal für scheintot erklärt. Dass alles anders gekommen ist, wissen wir heute.

Das Konzept war dann auch bestechend: Mit der Programmerweiterung Immedia wurde Quark­XPress auf das parallele Entwerfen von Dokumenten für den Druck, die CD-ROM und das Internet ausgerichtet. Die damals vor allem hochgelobte CD-ROM als «Multimedia-Plattform» war jedoch so etwas wie ein Rohrkrepierer, womit das Konzept nicht ganz aufging; jedenfalls ist die Silberscheibe bis heute mehr als Datenspeicher denn als Multimedia-Träger in Erinnerung oder im Einsatz. Zudem wurden nur wenige gute «Multimedia-Anwendungen» produziert. Nicht zuletzt, weil der Markt dafür einfach (noch) nicht vorhanden war. Wenn auch die damaligen Typografen durchaus Interesse für Immedia aufbrachten, so war der Anteil an daraus resultierenden Produktionen vernachlässigbar. Zugegeben, es war auch eine andere Zeit; wie erwähnt war die Verbreitung von Multimedia-PCs erst am Anfang und ohne schnelle Grafikkarte und Lautsprecher macht Multimedia auch heute noch keinen Sinn. Quark­Immedia ist schliesslich auch deshalb verschwunden, weil es auf ein proprietäres Format setzte und am Anfang nur für die Apple-Plattform verfügbar war. Nach drei Jahren wurde Quarks Multimedia-Umgebung schliesslich sang- und klanglos eingestellt.

Flash … aha … Saviour of the Universe …

Wer in den frühen Jahren des Desktop­publishing mit XPress 3.2 oder vielleicht mit PageMaker 5 arbeitete, kennt bestimmt entweder den Film oder den von Queen produzierten Soundtrack Flash Gordon. Für alle anderen: Flash Gordon war ein Science-Fiction-Comic und Kult. Analog zu den Comics setzt auch das Multimediaformat Flash auf Bildfolgen – wenn auch am Computermonitor.

Doch so einfach fassbar ist Flash letztlich nicht, es ist etwas sehr Vielschichtigeres als nur ein Multimediaformat. Hinter Flash verbirgt sich ein Dateiformat, welches das Suffix .swf verwendet. Die Auflösung der Abkürzung «Shockwave Flash» bezeichnet eine Kombination aus Vektorgrafik und der Steuerungssprache Action­Script. Heute wird jedoch meist die Bezeichnung Small Web Format für die Entschlüsselung der Abkürzung herangezogen. Das trifft die Sache besser, denn genau das war die Absicht der ursprünglichen Entwicklerin FutureWave Software, die später von Macromedia übernommen werden sollte und letztlich unter dem Dach des Software-Giganten Adobe landete: Flash-Animationen sind bis heute in erster Linie kleinere Elemente, die in Webseiten eingebunden werden.

Flash ist eine vektor­basierende Umgebung, um damit Animationen im .swf-Format zu erstellen. Der Haken: Das Abspielen solcher Dateien erfordert einen eigenständigen Flash-Player oder ein Flash-Plug-in für den jeweiligen Browser. Nicht zuletzt aufgrund der ständigen Installation und Aktualisierungen gehen die Meinungen über Flash auseinander. Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass Flash als Ganzes oft nicht sauber auseinandergehalten wird. So ist Flash zum einen eine Software-Umgebung mit Produkten wie Adobe Flash Professional (für die Entwicklung von Animationen) oder den im Frühjahr 2012 mit dem Erscheinen der Adobe Creative Suite 6 eingestellten Adobe Flash Catalyst (für das Erstellen von Benutzeroberflächen). Weiter ist Flash-Video (.flv) ein Container-Dateiformat, das wie beispielsweise QuickTime Audio- und Video­dateien beinhalten kann und vor allem zum Streaming und damit zum kontinuierlichen Herunterladen von Videoinhalten entwickelt wurde.

Im weiteren Sinne ist Flash eine Entwicklungsbasis zum Erstellen von Rich Internet Applications (RIA). RIAs sind nichts anderes als Inhalte/Animationen, die im von Adobe gratis verfügbar gemachten Flash-Player oder in AIR-Umgebungen abgespielt werden können. AIR (Adobe Integrated Runtime) seinerseits ist so etwas wie ein erweiterter, jedoch plattformunabhängiger Player, der auch noch als Webbrowser funktionieren kann und neben den von Adobe beherrschten oder initiierten Formaten Flash und PDF auch Standards wie HTML und JavaScript unterstützt.

Die Entwicklungen von speziellen Playern und Umgebungen, die das Betriebssystem aushebeln können, wird von deren Herstellern offenbar nicht sehr gerne gesehen. Angeheizt wurde die Diskussion über Flash vor allem von Seiten Apples. In einem öffentlichen Brief an Adobe äusserte sich der inzwischen verstorbene Firmengründer Steve Jobs negativ über Flash und nannte Gründe wie Sicherheit («Flash hat Sicherheitsdefizite») oder den durch die Implementierung von Flash grossen Energiebedarf («FLV-Video muss decodiert werden; H.264-Video hingegen nutzt integrierte Bauteile»). Apple unterstreicht bis heute seine Überzeugung ganz einfach und resolut damit, indem der Hard- und Softwarehersteller Flash nicht auf dem iOS-System unterstützt. Im Brief von Jobs wird ein weiterer wichtiger Punkt erst gegen Ende erkennbar: Flash hätte das App-Store-Konzept von Apple wohl durcheinandergebracht und Apple wohl kaum in gleichem Stil von den Erfolgen dieser Software-Plattform profitieren können, wie es dem Konzern inzwischen gelungen ist. Auf Flash-Technik basierende Spiele hätten Apples Geschäftsmodell konkurrenzieren können. Diesen Aspekt, den Apple fairerweise ebenfalls erwähnt, sollte bei dieser Diskussion jedenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Für Adobe ist dies insgesamt eine schwere Last, da Flash bei der (teuren) Übernahme von Macromedia Ende 2005 offenbar von «strategischer Bedeutung» war.

Apple QuickTime

Seit mehr als zwanzig Jahren gibt es das von Apple entwickelte Containerformat QuickTime. Zu Flash bestehen Parallelen: So lässt sich das mit dem Suffix .mov oder .qt versehene Format ebenfalls für das Streaming von Audio- und Videosequenzen im Internet nutzen. Und auch QuickTime erfordert einen proprietären Player zur Wiedergabe. Auf der anderen Seite gibt es klare Unterschiede zu Flash. Es existiert keine QuickTime-Authoring-Software in dem Sinne, wie sie Adobe mit Adobe Flash vertreibt. Dafür sind im Quick­Time-Player selbst bereits viele grundlegende Funktionen für das Trimmen (Zuschneiden), Zusammenfügen und Verknüpfen von Audio und Videospuren möglich. QuickTime ist zudem ein praktisches Werkzeug, um Filme in Formaten für (vor allem) Apple-Produkte zu speichern oder um die Filmsequenzen in den angesagten Kanälen wie Facebook, Twitter, Vimeo oder Flickr zu veröffentlichen.

Auch QuickTime ermöglicht eine gewisse Interaktivität. Diese lässt sich aber in keiner Weise mit den Möglichkeiten von Flash vergleichen. So betrachtet reiht sich QuickTime eher unter die Player ein und sitzt mit dem Flash Player oder dem Windows Media Player im gleichen Boot.

Bleibt das bewegte Bild

All diese Probleme mit den Playern und Runtimes kennt ein weiteres Animationsformat nicht: Das Graphic Interchange Format, kurz GIF, benötigt ausser dem Browser rein gar nichts, um dargestellt werden zu können. Das Format haben wir dem ehemaligen Online-Dienst CompuServe zu verdanken, der heute zum US-Medienkonzern AOL gehört. GIF war damals das wichtigste Bildformat im Web; die heutigen Dateiformate, die dem GIF als reinem Bildformat den Rang abgelaufen haben, waren zu jener Zeit noch nicht entwickelt. Beim GIF ist es möglich, Bildsequenzen zu speichern und diesen ein Zeitverhalten zuzuweisen. Damit lässt sich auf dieser einfachen Basis eine Bildanimation erstellen. Das Erzeugen von fliessenden Animationen ist hingegen aufwändiger – eine professionelle Entwicklungsumgebung, wie sie etwa Flash bietet oder Quark mit Immedia bereitstellte, fehlt ausserdem. Interaktionen und Methoden zur Navigation fehlen hier gänzlich, weshalb ein ernsthafter Vergleich dann doch nicht stattfinden kann.

Das Bildformat Portable Network Graphic, kurz PNG, ist ein Bildformat, das viele Gemeinsamkeiten mit dem Tiff-Format teilt und auch Vorteile gegenüber dem GIF aufweist. So können indexierte Farben verwendet und Alpha-Kanäle gespeichert werden. Auf der anderen Seite hat es PNG trotz Bemühungen nicht geschafft, seine eigens entwickelte Variante für Animationen zu etablieren. Damit ist auch das PNG kein zu berücksichtigendes Dateiformat, um Animationen herzustellen.

Gehört dem animierten Bildschirm die Zukunft?

Es besteht die Gefahr, dass sich Animationen am Monitor auch «totlaufen» – irgendwann stumpfen die vielen blinkenden, sich drehenden, bildschirmfüllenden, effekthascherischen Komponenten den Anwender ab; genauso wie die mit viel Aufwand realisierte, x-te persönliche Ansprache plötzlich ihre Wirkung verfehlen wird.

Die Zeit wird kommen, wo die Ruhe und Sachlichkeit eines Printprodukts sich wieder wohltuend vom animierten Monitor abhebt. Bis dahin gehören den Animationen noch die Zukunft.

Der Autor

Der gelernte Schriftsetzer Jürgen Franck verfolgt seit vielen Jahren und mit sehr grossem Interesse die Entwicklungen rund um das «Digital Publishing». Der Autor ist hauptberuflich als Lehrperson an der Berufsschule für Gestaltung Zürich in der Grund- und Weiter­bildung tätig.