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Aus Alt mach Neu

Das Erscheinungsbild eines Unternehmens visualisiert den Zustand eines Unternehmens. Hier einige Ansatzpunkte, wie ein Bauunternehmen zu neuen Kleidern kommt.

RALF TURTSCHI Die Lange Mast- und Tiefbau GmbH mit Sitz in Berlin ist ein relativ junges Bauunternehmen mit rund 30 Mitarbeitern, welches sich mit der Planung und dem Bau von Masten für Lichtsignalanlagen oder Beleuchtungen beschäftigt. Das Erscheinungsbild der Firma war bis anhin mehr oder weniger «organisch» ­gewachsen. Verschiedene Schriften, Papiere und Farbtöne liessen zuweilen einen etwas laienhaften Eindruck entstehen. In einem Markt der fallenden Preise ist das Erscheinungsbild auch eine Frage des Vertrauens. Das Unternehmen wurde zudem als eines der ersten Bauunternehmen in Berlin ISO-zertifiziert, auch aus diesem Grund passten die «ausgeblichenen» Kleider nicht mehr so richtig.

Geschäftsinhaber Martin Lange übertrug der Agenturtschi, Adliswil, den Auftrag, das Erscheinungsbild neu zu gestalten.

Gesetzt wurden die beiden Farben Gelb und Blau, weil der Fuhrpark bereits in Gelb bestand und nicht alle Fahrzeuge neu lackiert werden konnten. Aus­serdem wünschte der Geschäftsführer das Beibehalten des Signets in Form eines stilisierten L, welches er früher selbst kreiert hatte. Im Verlauf der Entwurfsarbeiten beschrieb der Kunde die Baubranche als eher behäbig und konservativ, allzu viel Kreativität würde wohl falsch verstanden.

Die Gestaltungsarbeiten erfolgten in drei Konkretisierungsphasen. Dabei wurden folgende Gestaltungsaufgaben angegangen:

  • Logo (Wortmarke «Lange»),
  • Signet (Bildmarke),
  • Typografie,
  • Papier,
  • Schriftwahl,
  • Farbgestaltung,
  • Bilderwelt.
  • Diese gestalterischen Zutaten, die das Erscheinungsbild ausmachen, wurden anhand ausgewählter Geschäftsdrucksachen aufgezeigt. Denn die einzelnen Komponenten Logo, Farbe und Schrift wirken allein ganz anders als in der Kombination. Dazu gesellten sich ein Bauplakat und verschiedene Beschriftungen des Fuhrparks und der Geschäftsräumlichkeiten. Die Entwurfsarbeiten wurden in zwei Phasen präsentiert. In der ersten Phase ging es um ein breites Spektrum von Möglichkeiten. In einem Booklet von 30 A3-Seiten wurden die Entwürfe verkleinert dokumentiert und zusätzlich im Masstab 1:1 ausgedruckt und zugeschnitten. Bei der Sichtung zeigte der Kunde seine Präferenzen auf und verwarf, was für ihn nicht in Frage kam. Die Phase zwei beinhaltete nur noch Entwurfsrichtungen, die generell schon mal in Frage kamen. Das Vor­gehen bei der Präsentation änderte sich nicht: Ein 15-seitiges A3-Booklet diente als Dokumentation, es wurde wiederum von Laserdrucken im Massstab 1:1 begleitet. Die in Phase eins bevorzugten Gestaltungen wurden verfeinert und erneut präsentiert. Auch hier gabs natürlich wieder Gewinner und Verlierer. Gleich vor Ort wurden noch wenige Kundenwünsche angebracht. Die letzten Entwurfsvarianten entstanden, während der Kunde im Café darauf wartete. Kurz darauf waren die «Nägel» für das neue Erscheinungsbildes eingeschlagen. Die dritte Phase nahm sich nun der Ausführung der richtigen Geschäftsdrucksachen an. Die offenen Daten aus InDesign gingen an einen Drucker in Berlin, der fortan das Bauunternehmen beliefern wird.

    Loslassen

    Redesign hat immer etwas zu tun mit Loslassen. Wenn die Farben, das Signet oder das Logo nicht angetastet werden dürfen, behindert dies die krea­tive Arbeit. Zudem sind die Kundenwünsche oft nicht ganz frei von Ängsten, sich neu «einzukleiden». Lieber behält man noch etwas Vertrautes an. Zum Glück gelang es, Lange zu überzeugen, dass ein separates L als Bildzeichen nichts bringt, wenn die Marktpräsenz in Berlin nicht massiv erhöht wird. Das L als Signet auf dem Fuhrpark allein ist nicht in der Lage, «Lange» zu kommunizieren. Was Nike mit dem Swoosh gelingt, hat zu tun mit Marktpene­tration. Der Fokus lag deshalb auf der Entwicklung eines neuen Schriftzuges, der ohne ein zusätzliches Bildzeichen auskommt. Der gelbe Balken auf den Geschäftsdrucksachen wurde als Farb­akzent in den neuen Entwurf im Sinn von Kontinuität integriert.

    Zeitverhältnisse

    Vom Briefing bis zur Präsentation vergingen zwei Wochen, von der ersten bis zur zweiten Präsentation nochmals zwei. Die Druckdaten waren fünf ­Wochen nach dem Briefing Anfang November 2008 für den Druck bereit. Die Einführung des Erscheinungsbildes wird nun stufenweise ins Auge gefasst. Zuerst die Geschäftsdruck­sachen, dann nach und nach die ­Beschriftungen am Gebäude, in den Räumlichkeiten und am Fuhrpark. Bis das letzte Post-it-Blöckchen mit dem neuen Logo hergestellt ist, wird es wohl Mitte 2009 sein. Ein neues Erscheinungsbild bedeutet immer eine gewisse Phase, in der das alte Design ausläuft und Schritt für Schritt durch das neue ersetzt wird. Insofern bedeuten die Druckkosten für das neue ­Erscheinungsbild keine Zusatzkosten, da es sich um eine laufende Ergänzung der Druck-Erzeugnisse handelt, die man auch mit dem alten Erscheinungsbild hätte bestellen müssen.

    Über Risiken und Nebenwirkungen

    Kunde und Gestalter haben am Anfang des Projektes wenig Ahnung, was beim Gestaltungsprozess herauskommen wird. Die Referenzen der Agentur oder des Grafikers schaffen Vertrauen, dass die Aufgabe überhaupt gelöst werden kann. Selbstverständlich sorgen ein detailliertes Angebot über die Agenturleistungen und über die verschiedenen Phasen mit entsprechenden Präsentationen für Sicherheit. Dabei spielt eine Rolle, ob der Kunde 3 oder 6 verschiedene Logos sehen will. Und ob die Anwendung des Logos mittels 15 oder 3 Fahrzeugbeschrif­tungen vermittelt werden soll. Wenn dann noch 4 Vorschläge für ­eine neue Hausschrift vorliegen, wird die Präsentation mit allen Kombinationsmöglichkeiten schnell uferlos – sie wird jeden Kunden überfordern. Die Agentur darf mehr als 5 Logos entwickeln, mehr als 10 Schriften ins ­Auge fassen, sie sollte aber nicht ­alles dokumentieren. Auch wenn 5 gute Logos zur Auswahl stehen, 4 davon werden ausgemustert, weshalb dann nicht gleich schon vor der Präsentation? Als Agentur muss man nicht Fleiss zeigen, sondern erlesene Qualität. Das «Unglück», dass der Kunde nicht die Lösung wählt, die die Agentur als die beste ansieht, wird so minimiert.

    Das Risiko des Nichtgefallens liegt beim Kunden – diese Formulierung sollte in jeder Offertstellung stehen. Sie bedeutet, dass der Kunde die Leistung auch dann honorieren muss, wenn ihm keine Lösung gefällt und er keine realisiert. Der Kunde muss sich im Vorfeld schlau machen, ob der Grafiker die von ihm verlangte Leistung höchstwahrscheinlich zu seiner Zufriedenheit lösen kann. Autorkorrekturen an einem neuen Logo können ebenfalls zu Streitpunkten Anlass geben. Deshalb ist ein detailliertes Angebot notwendig, worin ersichtlich ist, was an Korrekturwünschen inbegriffen und was separat zu entgelten ist.→