Nachhaltigkeit visuell umsetzen
Ralf Turtschi Heute kann «Design» in Form von Templates bestellt werden, sogar das eigene Logo mitsamt Geschäftsausstattung. Doch eines der Ziele guter Gestaltung kann damit kaum erreicht werden: Design soll mit seiner visuellen Aussage ja den Zweck des Unternehmens unterstützen. Es muss demzufolge fast zwingend massgeschneidert werden, um nicht beliebig zu sein. Wer also denkt, ein blaues Quadrat vor einem Frutiger-Schriftzug würde es auch tun, gibt sich damit der Beliebigkeit hin. Vielleicht hat sogar eine andere Firma wie Geberitschon etwas Ähnliches.
Als die Anfrage, die Fusion mit dem Design zu schmücken, zu uns gelangte, waren wir gespannt, ob es gelingen würde, Nachhaltigkeit und Design stimmig zu «verheiraten». Umweltfreundliches (Offset-)Drucken war seit je die Kernkompetenz von Binkert Druck AG in Laufenburg. So prangen im Empfangsraum denn auch eine eindrückliche Zahl von Testaten und Zertifikaten. Die Buag Grafisches Unternehmen AG brachte ihrerseits neben Druckkapazität auch eine intelligente Web-to-Print-Lösung und IT-Know-how ein. Auf eine Kurzformel gebracht: Man will mit der Fusion nach wie vor nachhaltig drucken, dies jedoch IT-gestützt äusserst effizient.
Zum Glück war kundenseitig keine bestimmte Vorstellung vorhanden, wie das neue Erscheinungsbild zu gestalten sei. Wie geht man an eine solche Aufgabe heran?
Design heisst Partnerschaft
Es war unser Wunsch, das Design zusammen mit den Auftraggebern zu entwickeln und sie in mehreren Stufen am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Es ging also nicht darum, einfach etwas Schönes fertig zu gestalten und zu präsentieren, der Kunde sollte mit unserer Denkweise vertraut gemacht werden und das Erscheinungsbild «mitgestalten». Wir von Agenturtschi erhielten die kreative Rolle sowie ein «Kundencoaching», was nie ganz ohne ist, denn es darf davon ausgegangen werden, dass jeweils alle sich mit ihren Ideen einbringen möchten.
Im Nachhinein beurteilt hat sich das Vorgehen bewährt, der Gestaltungsprozess war zwar etwas langsamer – im Endeffekt wurde er durch den Kunden getragen und damit effektiv. Ein Hin und Her mit endlosen Variationen und Korrekturwünschen entfiel. Auch der Verwaltungsrat zeigte sich «gnädig» und begrüsste den von der Unternehmensleitung eingeschlagenen Weg. Die Neuentwicklung dauerte von April bis Juni 2013, am 1. Juli wollte man operativ am Markt sein. In dieser Zeit musste alles bis zur Gebäudebeschriftung und Website mit verschiedenen externen Dienstleistern, die aufgrund der InDesign-Templates produzieren konnten, zeitgerecht fertiggestellt werden.
Die Entwicklungsstufen
In einem Workshop definierten wir die Freiräume. Gemeinsam beschlossen wir, die Bilderwelt, die aus der bisherigen Kommunikation bei Kunden gut verankert war, beizubehalten oder sanft zu entwickeln.
In einem ersten Schritt zeigten wir auf, welche Ansätze bezüglich Dachmarke und Untermarken bestehen, welche Funktion der Schriftzug und ein mögliches Bildzeichen erhalten würden. Das fusionierte Unternehmen heisst neu Binkert Buag AG, die Schwesterfirma Binkert Medien AG, zudem war ein Schriftzug gefragt, der nur aus dem Namen Binkert besteht. In einem zweiten Schritt gestalteten wir ein Bildzeichen, welches in verschiedenen Variationen den Schriftzug ergänzte. Die gewählten Farben für Nachhaltigkeit liegen nachvollziehbar im Bereich Gelb-Grün-Blau.
Das provisorische Logo wurde danach in möglichen Geschäftsdrucksachen und Beschriftungen angewandt, um die Wirkung auszuloten.
In zwei weiteren Workshops diskutierte das zuständige Binkert-Team die disponiblen Punkte und verabschiedete Melanie Gerber, typografische Gestalterin FA, und mich mit entsprechenden Detailaufträgen.
Zusätzlich folgte die Wahl der neuen Hausschrift, der definitiven Farben und deren Anwendung in Geschäftsausstattung, Offertmappe, Beschriftungen usw. Bezüglich Bildern wurden Vorstellungen präsentiert, wie man die bestehenden Bilder (Vögel, Pflanzen) weiterentwickeln könnte, um nicht auf «Feld eins» beginnen zu müssen.
Der Designprozess stellt sich als Trichter dar. Je länger der Prozess dauert, desto präziser werden die Vorstellungen. Am Schluss ist es nicht wichtig, wie viele Vorschläge man unterbreitet hat, es zählt allein, wie der gewählte Schriftzug bei den Zielgruppen ankommt. Die Menge an Vorschlägen ist nicht immer ein gutes Zeichen für Kreativität. Es ist wie beim Putzschrank: Wer meint, jene Frauen oder Männer, deren Schrank voll mit Reinigungsmitteln sei, verstünden was vom Putzen, liegt falsch. Das Gegenteil ist richtig.
Logo
Der Schriftzug trägt immer die Hauptlast, ein Bildzeichen ist Beilage, führt trotzdem häufig zu mehr Disputen. Die Bildmarke wurde aus verschiedenen Ideen entwickelt: Vögel, Blumen und Blätter. Die beiden Buchstaben B aus Binkert und Buag, die Rücken an Rücken stehen, setzten sich schliesslich im Entwicklungsprozess durch und wurden bis hin zu einer freien Interpretation verfeinert. Das Zeichen hat keine feste Bedeutung wie ein Piktogramm: Man kann darin auch einen Schmetterling sehen, ein Kleeblatt oder anderes. Das Bildzeichen ist ein frisches und natürliches Berühren und Tragen von zwei Partnern. Partnerschaft, die sich auch als Begegnung von Kunde und Dienstleister interpretieren lässt.
Schrift
Welche Schrift wirkt nachhaltig? Dieser Frage sind wir auf den Grund gegangen. Gibt es Schriften, die der Pflanzenwelt ähnlicher sind als andere? Natur ist sicher nicht konstruiert, eine serifenlose Schrift hat nicht die gleiche Aussagequalität wie eine Serifenschrift. Dünne und dicke Striche, rundliche Formen, ein «rankendes Aussehen» waren gefragt. Fündig wurden wir beim Münchner Dieter Hofrichter, der eine ganze Reihe Fonts mit modernem Duktus gestaltete. Es lohnt sich, bei www.hoftype.de reinzuschauen: Die Civita und die ihr ähnelnde Corda, beide aus dem Jahr 2012, erfüllen mit ihrer anmutig-weiblichen Form genau unsere Bedürfnisse. Man vergleiche die bisher eingesetzte Bodoni (1798), mit ihren geraden Stämmen und rechtwinklig angesetzten Haarstrichen, mit dem Schwung der Civita. Die Civita ist als Grundschrift für die nüchterne Kommunikation in der Geschäftsausstattung eher nicht geeignet, weil sie in kleinen Graden nicht mehr funktioniert. So musste eine andere Grundschrift gefunden werden, um die gesamte Korrespondenz wie Rechnungen, Offerten usw. abwickeln zu können. Hierzu wurden verschiedene Schriften vorgeschlagen, aus unserer Sicht selbstverständlich, dass sie im OpenType-Format und auch als Webfont vorliegen sollten. Nachhaltig heisst nicht antiquiert, im Gegenteil. Die gesuchte Schrift darf also nicht klassisch und breit eingesetzt sein: Frutiger, Futura, Helvetica, DIN, Univers, Meta, Officina und all die alten Klassiker bleiben für Traditionalisten reserviert, die sich gerne in Retro sonnen. Aufbruchstimmung und frischen Wind erzeugt man damit aber längst nicht mehr. Als neue Grundschrift wurde schliesslich die FF Milo ausgewählt, die es als Antiqua- und Groteskschrift sowie als Webfont gibt. Die FF Milo und die FF Milo Serif wurden 2006 bis 2008 von Michael Abbink (USA) und Paul van der Laan (NL) geschaffen.
Bilderwelt
Obwohl nicht im Vordergrund stehend, sollten Eisvogel, Grünspecht und Pirol weiterhin benützt werden. Diese Bilder verkörpern Nachhaltigkeit, sind aber eher Kampagnenbilder, die später ersetzt werden können. Wir wollten mit unserer Ergänzung mehr den Part von Buag einbringen, es sollte mehr Richtung IT-Technologie und Publishing 3.0 gehen. Indem wir eine Computer-Leiterplatine grafisch zu einem Baum oder Busch stilisierten, schufen wir die «natürliche» Sitzgelegenheit. Farblich ist der Auftritt neu hellgrün statt cyanblau.
Papier
Was wäre Nachhaltigkeit ohne die entsprechende Papierwahl? FSC ist heute schon selbstverständlich, reine Recyclingsorten doch eher selten. Vor allem, wenn Naturpapier und gestrichene Qualitäten eingesetzt werden sollen, hat man mit dem Papiermix verschiedene Hürden zu überspringen. Da die Oberflächenbeschaffenheit und der Weissgrad störend unterschiedlich sein können – sogar innerhalb der gleichen Marke –, ist immer auch eine Ergänzung gefragt. Infrage kamen folgende Sorten: Cocoon von Antalis, Balance und RecyStar von Papyrus, wobei Balance das Rennen machte.
Der Autor
Ralf Turtschi ist gelernter Schriftsetzer, Buchautor und Publizist. Er ist Inhaber von Agenturtschi, visuelle Kommunikation, in Adliswil und schreibt im Publisher seit Jahren praxisbezogene Beiträge zu Themen rund um Desktop Publishing.