Hoftype: im Schriftenparadies
Ralf Turtschi Die deutschsprachigen Schriftdesigner liegen mir besonders – Deutsch mit den vielen Kuppelwörtern und Grossbuchstaben sieht einfach anders aus als Englisch, Französisch oder Spanisch. Und ich traue diesen sprachvertrauten Designern einfach mehr zu, einen Font für ihre Kultur zu zeichnen und zuzurichten, als solchen fremder Zunge. Die Amerikaner haben einen ganz anderen Geschmack als wir Schweizer – Umlaute und andere «Feinheiten» kennen sie nur vom Hörensagen.
Dieter Hofrichter hat seit 2011 36 eigenständige Schriften gestaltet, um die keiner herumkommt, der moderne Schriften einsetzen möchte. Der heutige Output lässt sich dank digitaler Techniken und Interpolieren von Strichstärken nicht mehr vergleichen mit dem früheren Zeichnen der Buchstaben mit Tusche und Tipp-Ex. Doch wie viel ist heute «Augen-mass» und wie viel «Copy & Paste»? Gibt es so etwas wie Designmerkmale, die sich in bestimmten Fonts wiederfinden? Weist eine Schrift den «Fingerabdruck» des Designers auf?
Plagiatsvorwürfe gehören da-zu, weil sich Buchstabenformen nicht unendlich neu erfinden lassen: The Sans vs. PMN Caecilia, Frutiger vs. Segoe, Helvetica vs. Arial, Garamonds gibt es in verschiedenen Ausprägungen.
So gehört die Suche nach Ähnlichkeiten ganz natürlich zum Geschäft. Die Epoca lehnt sich vage an die Optima an, die Sonus hat etwas von der Syntax, einzelne Buchstaben, wie das s der Halifax meine ich auch bei der Gill zu sehen und die Sixta erinnert mich irgendwie an die Eurostyle. Aber eben nur irgendwie, und damit hat sichs.
Von Adrian Frutigers Schriften ist bekannt, dass er die Querstriche des kleinen a immer rechtwinklig aus dem Stamm wachsen liess. Dieser Umstand macht mich neugierig, ob bei Dieter Hofrichters Schriften solche Merkmale zu finden sind, die vielleicht sogar mit einer «Macke» oder anders zu erklären sind.
Die Spurensuche führt über die Hoftype-Bibliothek www.hoftype.de. Hut ab! Denn die Schriften sind nicht etwa die 23. Nachempfindung eines Klassikers, sie sind eigenständig und charakterstark. Die Schriften sind für den täglichen Praxiseinsatz ausgelegt. Man hat grosse Lust, sich darin zu verlieren.
Hofrichter zeichnet seine Fonts in 6 bis 16 Stärken, alle Schriften gibts in einer kursiven Fassung. Es sind 13 Groteskschriften und 23 Antiquaschriften, die alles abdecken, was von Schriften gemeinhin erwartet wird: von Corporate Type über Webdesign, Plakatgestaltung oder Magazin-/Zeitungsdesign – wohl jeder Zweck ist abgedeckt. Von diesen Schriften sind einige als «Familie» ausge-arbeitet: die Foro mit der Foro Rounded und Foro Sans; die Equip mit der Condensed, Extended und Slab. Die Epoca gibts in einer Pro- und einer Classic-Variante, die Orgon zusätzlich als Slab-Variante.
Alle Fonts sind mit rund 420 Glyphen für 109 Sprachen ausreichend bestückt, es gibt 6 Ziffernvarianten, 4 Grös-sen für die richtigen runden Klammern, 2 Prozentzeichen, 2 Et-Zeichen, Pfeile und andere OpenType-Features wie Ligaturen. Alle Fonts existieren auch als Webfonts.
Man staunt über den Formenreichtum, Hofrichter schöpft aus dem Vollen, wenn es um Variationen geht. Eigentlich dachte ich, Schrift sei erfunden, Hofrichter zeigt das Gegenteil. Mit existierenden Designmerkmalen wie abgeschrägten Endstrichen, Serifenansätzen, Tropfenformen, gerundeten Ecken, geometrisch runden oder eher eckig anmuten-den Buchstaben spielt Dieter Hofrichter die ganze Klaviatur, wenn man einmal vom Fehlen einer klassizistischen Antiqua absieht.
Die Abstufung der 4 bis 8 Fettegrade ist aus meiner Sicht etwas zu linear und nicht ganz verständlich geraten (s. Abb.). Von Foro Sans Thin zu ExtraLight ist bei der Strichstärke 156% Zuwachs auszumachen, von Extrafett zu Black sind es 117%. Dazwischen liegen stufenweise zunehmende Werte. Bei der Equip verläuft diese Zunahme umgekehrt: Bei den leichten Stärken ist die grösste Zunahme zu verzeichnen, bei den Fetten die kleinste. In Lesegrössen von etwa 8 bis 9 Punkt sollte aus meiner Sicht zwischen Thin, Light und Regular weniger Unterschied auszumachen sein als bei Medium, Bold und Black.
Die Stärkenskalierung verläuft generell nicht linear. Wenn beim Lesetext zu grosse Stärkenunterschiede zwi-schen Regular und Light liegen, ist oftmals die Light nicht leserlich, sie zeichnet zu wenig. Wenn die Light jedoch geringfügig dünner ausfällt als die Regular, kann sie als Lesetext infrage kommen. Natürlich kommt es darauf an, wie kräftig eine Schrift grundsätzlich aufgebaut ist. Vergleichen Sie zu diesem Zweck die verschiedenen Stärken hier beim Lesetext.
Das gleiche Bild bezüglich Vielfalt treffen wir bei den Antiquaschriften. Treffend artikuliert sich dieses anhand der Serifenansätze beim h (s. Abb.). Einzig der Klassizismus scheint Dieter Hofrichter bisher kaltzulassen. Es geht mir genau gleich, Bodoni, Didot und andere sind wegen ihrer Feinheiten auf dem Screen ein No-go.
Dafür hat Hofrichter mit der Civita eine neue Duftnote gesetzt. Sie ist von fast kalligrafischer Leichtigkeit und passt bestens zu allem, was mit Natürlichkeit und Öko zu tun hat. Die runden Serifenansätze machen es aus! Ähnliche Merkmale zeigen auch Corda, Campan und Capita.
Carat, Danton, Mangan und Quant sind für mich die moder-nen Leseschriften für den Men-gensatz schlechthin. Sie stehen aufrecht und sind klassisch unauffällig. Die Carat etwas kräftiger mit Einkehlungen, grösserem Kontrast und etwas kantiger wirkend, die Quant sehr elegant. Nicht umsonst existiert die Quant Text, die eine Spur kräftiger ist und etwas weiter läuft als die Quant. Die Mangan Nova ist die schmale Mangan, sie wird bei engen Platzverhältnissen eingesetzt.
Eingangs habe ich behauptet, wer moderne Fonts einsetzen will, komme an Hoftype nicht herum. Was heisst schon modern? Ich gebe es zu: Ich fühle mich weniger zu Schriften hingezogen, die Designmerkmale der Buchdruck-Frühzeit aufweisen. Vielleicht habe ich einfach schon zu viele Garamonds, Jensons, Jansons und Bembos gesehen. Natürlich ist das geschmäcklerisch, man kann die Cala, Pesaro, Erato, Sina, Ashbury oder Cassia durchaus mögen.
Wer im Bereich Corporate Design unterwegs ist, den wird die Zifferndarstellung interessieren. Alle Hoftype-Schriften sind mit Ziffern ausgestattet, die fast alle Wünsche erfüllen. Fast. Die 1 nimmt eine Sonderstellung ein, weil sie schmaler ist als die übrigen Ziffern. Manche Designer statten die 1 bei Groteskschriften deshalb mit einer grossen raumfüllenden Serife aus.
Bei Hofrichters Serifenlosen ist eine solche Serifen-1 nur bei der Carnas standardmässig enthal-ten, bei der EpocaPro und der Sonus wurden sie nur bei Mediävalziffern geschaffen.
In der Office-Welt hätte man gerne auch Ziffern, die in Rechnungen oder Offerten untereinanderstehen, auch wenn ein Totalbetrag in Bold ausgezeichnet wird. Ein Problem, welches übrigens bei den meisten Schriften vorhanden ist.
Fazit
Hoftype ist eine erstklassige Adresse, mit vielen Fonts für alle Bedürfnisse. Dieter Hofrichter hat mit unglaublichem Fleiss eine Bibliothek hergezaubert, die jeder Typophile auf seinem Rechner wünscht. Er greift dabei auf einen reichen Fundus an Designmerkmalen zurück, die er teilweise zu völlig neuartigen Schriften kombiniert. Die Fonts sind perfekt gezeichnet und zugerichtet, sie laufen nicht zu eng, wie dies beispielsweise bei der Helvetica oder auch bei der Futura der Fall ist.
Der Autor
Ralf Turtschi ist gelernter Schriftsetzer, Buchautor und Publizist. Er ist Inhaber von Agenturtschi und als engagierter Hobbyfotograf unterwegs. Der Autor schreibt im Publisher seit Jahren praxisbezogene Beiträge zu Themen rund um Typografie und Gestaltung.