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Und dann kam die Cloud

Adobes Creative-Cloud-Politik stösst bei vielen Anwendern auf harsche Kritik. Dennoch sieht Adobe keinen Grund für einen Kurswechsel. Und das ändert sich voraussichtlich nicht so bald.

Anna-Barbara Winzeler Eigentlich lief alles super bei Adobe: So um die Jahrtausendwende kamen findige Mitarbeiter auf die Idee, die im Unternehmen angesammelten Softwares unter dem Namen «Creative Suite» zusammenzufassen. Am 7. Mai 2012 wurde die Version 6.0 auf den Markt gebracht. Zu diesem Zeitpunkt besass Adobe ein faktisches Monopol für Kreativ-Software auf Industriestandard, der Umsatz im Jahr 2011 betrug etwas mehr als 4,2 Milliarden Dollar. Firmenrekord!

Quo vadis, Creative Suite?

Ebenfalls am 7. Mai erschien aber nicht nur die neue Creative Suite auf der Adobe-Website, sondern auch ein kleiner Menupunkt mit dem Namen Creative Cloud, einem der Creative Suite zugehörigen Modell. Auf der Website konnte man dann (sinngemäss übersetzt) lesen: «Die Adobe Creative Cloud ist eine kreative Plattform, an dem deine Arbeit durch Adobe-Creative-Suite-Desktop-Anwendungen, Adobe-­Touch-Apps und unseren Service ausprobiert, kreiert, veröffentlicht und geteilt werden kann.»

Weiter hiess es, die Creative Cloud wäre weltweit in der ersten Hälfte des Jahres 2012 erhältlich. Ausserdem stand da: «Auch wenn traditionelle CS-Software-Lizenzen immer noch angeboten werden, bietet eine Mitgliedschaft bei der Creative Cloud mehr Vorteile als der einfache Besitz von Desktop-Software. Du bekommst alle CS-Tools, Adobe-Touch-Apps und Services, dazu neue Features, Produkte und Services, sobald diese erschienen sind – also unverzüglichen Zugang zu den neusten Adobe-Innovationen ohne Zusatzkosten [...] Angebote ab 50 US-Dollar pro Monat.»

Adobe hielt Wort, die Creative Cloud wurde als Erweiterung der Creative Suite angeboten und manch ein Käufer der Master Collection fragte sich, warum er pro Monat 50 Dollar für bereits gekaufte Programme bezahlen sollte. Die Creative Cloud schien vielen Beobachtern nicht mehr als eine nette kleine Idee für zwischendurch zu sein.

Und dann kam alles anders ...

Diese Ansicht änderte sich spätestens am 6. Mai 2013, als die Creative Cloud an der Adobe MAX als eigenständige Programmzusammenstellung vorgestellt wurde: «Wir präsentieren Creative-Cloud-Desktop-Anwendungen: Inklusive Adobe Photoshop CC und Illustrator CC. Sie sind die nächste Generation der Creative-Suite-Tools.» Weiter hiess es: «Unsere neuste Veröffentlichung [...] kommt bald und wird nur in der Adobe Creative Cloud erhältlich sein. [...] Produkte der Adobe Creative Suite 6 werden weiterhin käuflich erwerbbar sein, Adobe plant aber keine künftigen Veröffentlichungen der Creative Suiten oder anderer Creative-Suite-Produkte.»

Im FAQ zur Creative Suite heisst es zum gleichen Zeitpunkt: «Wir planen, die Creative Suite 6 für unterstützte Plattformen auf unbestimmte Zeit zu verkaufen.» Wer heute versucht, sich die Creative Suite zu kaufen, läuft bei Adobe ins Leere, weil sowohl Windows 10 als auch El Capitan nicht mehr unterstützt werden. Die Aussage ist klar: Wer Adobe-Programme nutzen will, braucht die Cloud.

Was denken die Nutzer?

An einer Publisher-Umfrage zum Abo­modell der Creative Cloud haben sich 86 Leser beteiligt. Davon haben 65 angegeben, dass ihre Wahrnehmung von Adobe negativer ist, seit das Abomodell eingeführt wurde. Auf 14 Personen hat die Einführung keine Wirkung gehabt, lediglich sieben Personen gaben an, seither eine positivere Vorstellung von Adobe zu haben. 67% wünschen sich eine oder mehrere Alternativen zu den Programmen. Meistens nicht, weil sie mit den Programmen an sich unzufrieden sind, sondern weil sie den Abozwang nicht möchten.

Ein Leser schrieb: «Die Leute wollen die Cloud meist nicht, weil sie nur Adobe nützt. [...] Adobe ist zu gross, zu mächtig, zu konkurrenzlos.» Ein anderer findet: «Für uns ist klar, dass es Adobe nur darum geht, möglichst viel Geld zu generieren und vor allem einen stetigen Zufluss von Geld zu erzwingen.» Weiter wurde geäussert: «Kleine Unternehmen werden nicht nur in ihrer Existenz gefährdet, sondern regelrecht ausgelöscht.»

52% der Befragten haben sich bereits aktiv nach Alternativen umgesehen: Am häufigsten wurden QuarkXPress (13 Erwähnungen), Scribus (10), die beiden Affinity-Programme (gemeinsam 9), Gimp (8), Corel (6) und Inkscape (5) sowie die alten CS-Programme (4) genannt.

Was sagt die Konkurrenz?

QuarkXPress bestätigte auf Anfrage, dass Sie seit dem Bestehen des Abo­modells der Creative Cloud einen eindeutigen Kundenzuwachs haben, der auf diese Einführung zurückzuführen sei. Konkrete Zahlen wollten sie nicht nennen. Auch Scribus gab keine Zahlen heraus, wollte aber weder bestätigen noch dementieren, dass sie Kunden im speziellen Zusammenhang mit der Creative Cloud gewonnen hätten. Die GIMP-Entwickler konnten sich nicht äussern, da sie keine Nutzerzahlen verfolgen würden, ausserdem dementieren sie, einen Photoshop-Klon entwickeln zu wollen. Bei Affinity dagegen wurden die genannten Affinity-Programme «Photo» und «Designer» erst nach der Umstellung lanciert, so dass kein ausschliesslicher Zusammenhang zwischen der Umstellung und ihrem steigenden Profit gemacht werden konnte. Der Erfolg liegt neben dem Creative-Cloud-Effekt auch an Apples «App of the Year»-Bewertung für «Affinity Designer».

Keep calm and carry on

Das zentrale Problem der (teilweise kostenlos vertriebenen) Konkurrenten von Adobe liegt vermutlich darin, dass niemand die gesamte Creative Cloud mit ihrer durchgehenden Kompatibilität ersetzen kann. Bei Adobe war man derweil 2013 zuversichtlich: «Wenn man die Leute, die sich über das neue Modell beklagt haben, mit den Leuten, die es lieben, vergleicht, spricht die überwältigende Mehrheit für das neue Modell», sagte Vizepräsident David Wadhwani damals zu Macworld.

Und auch Senior Marketing Director Scott Morris äusserte gegenüber Macworld: «Genau gleich [wie damals bei der Creative Suite] wird es Kunden geben, die zuerst damit unzufrieden sind. Aber heute sind unsere Kunden alle bei der Creative Suite dabei – they got over it – sie sind darüber hinweg gekommen, sie haben die Vorteile gesehen, und das ist exakt derselbe Wechsel, den wir gerade durchmachen.» Adobe reagierte auch in der Folge stets in derselben Art wie die Propagandaabteilung der britischen Regierung im zweiten Weltkrieg: Keep calm and carry on. Grossbritannien wurde nicht eingenommen. Adobes Chancen stehen ebenfalls gut. 

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