Medienneutraler Workflow mit PDF/X-4
Mit PDF/X-4 können nun durchgängige medienneutrale Workflows realisiert werden. RGB-Bilder werden erst kurz vor dem Druck in den Ausgabefarbraum konvertiert. Dadurch gewinnt man Flexibilität und riskiert nicht, Bilddaten unnötig zu zerstören.
STEPHAN JAEGGI Seit Jahren wird über den medienneutralen Workflow diskutiert, aber erst relativ selten wurde diese Arbeitsweise in der Vergangenheit bereits in der Praxis eingesetzt. Der Grund dafür ist einerseits, dass die meisten Layoutprogramme bis vor Kurzem nicht für einen medienneutralen Workflow ausgelegt waren, und andererseits, dass PostScript die ICC-Profile, die zur Charakterisierung der medienneutralen Daten zwingend notwendig sind, nicht unterstützt und dadurch beim Einsatz von PostScript (EPS, Distiller, RIP) die für medienneutrale Daten wichtigen Farbinformationen verloren gingen. In der Zwischenzeit ist aber ein durchgehender PDF-Workflow möglich, bei dem die ICC-Profile sicher erhalten bleiben.
Bisher wurden in den meisten PDF-Dateien geräteabhängige Farbdefinitionen verwendet. Das heisst, eine Farbe wird durch Anteile der Prozessfarben Cyan, Magenta, Yellow und Black (CYMK) definiert. Der Aufbau der Prozessfarben selbst ist aber nicht definiert. Wenn die gleiche Datei mit unterschiedlichen Druckverfahren auf unterschiedliche Papiere gedruckt wird, bekommt man unterschiedliche Ergebnisse. Die Ursache ist die fehlende Farbdefinition der Prozessfarben. Es fehlt quasi die Masseinheit für die Farben. Die Masseinheit für Farben ist ein ICC-Profil. Diese Profile charakterisieren die Farbräume der einzelnen Seitenobjekte und machen sie damit geräteunabhängig, da sie jederzeit in einen anderen Ausgabefarbraum umgerechnet werden können. Man spricht deshalb auch von medienneutraler Farbdefinition.
Die Kernfrage bei jedem Farb-Workflow ist, wann die Farbraumtransformation stattfindet. Bilder werden sowohl von Digitalkameras als auch von Scannern immer in RGB erfasst. Druckmaschinen können aber nur in CMYK drucken. Das heisst, irgendwann müssen die ursprünglichen RGB-Farben in die CMYK-Farben des Druckprozesses umgerechnet werden. Früher hat man dies im Repro-Scanner gemacht. Heute erfolgt diese Konvertierung meist in Photoshop (Abb. 1). Der Anwender muss sich also relativ früh im Arbeitsablauf auf einen bestimmten CMYK-Farbraum festlegen. Oft ist die Druckbedingung aber zu diesem Zeitpunkt gar noch nicht bekannt. Bei der Konvertierung von RGB in CMYK gehen viele Farben und Farbabstufungen unwiderruflich verloren. Wenn man also den falschen CMYK-Farbraum auswählt, hat man Pech gehabt. Deshalb erfolgt beim medienneutralen RGB-Workflow die Farbraumtransformation möglichst spät: im Ausgabeworkflow oder sogar erst im RIP des Belichters respektive der Digitaldruckmaschine (Abb. 2). Dann weiss man in der Regel mit hoher Sicherheit, auf welcher Druckmaschine und mit welchem Papier das Dokument gedruckt werden wird.
Dadurch verschiebt sich natürlich die Verantwortung für die richtige Farbe vom Erzeuger der Druckvorlage zur Druckerei. Viele Druckereien scheuen heute aber leider noch vor der Übernahme dieser Verantwortung zurück. Dabei wäre es sicher sinnvoller, wenn der Vorstufenspezialist in der Druckerei sich um die richtigen Farben kümmern würde. Denn dieser besitzt – hoffentlich – ein grösseres Know-how über Druckprozess und Farbe als der Grafiker oder der Fotograf, der heute die Farbraumtransformation machen muss. Diese Leute sind meist zu weit vom Druck entfernt und haben geringere Kenntnisse von Druckstandards. Sicher verfügen die Druckereien über die professionelleren Colormanagement-Tools als die Druckvorlagenerzeuger. Der medienneutrale RGB-Workflow ist daher eine einmalige Gelegenheit, verloren gegangene Kompetenzen zurückzubekommen und sich gegenüber dem Kunden als Dienstleister zu profilieren. Letzten Endes muss die Druckerei in den meisten Fällen die Verantwortung für die Druckqualität übernehmen. Wenn die Druckvorlagen in einem falschen Farbraum angeliefert werden, gibt es aber meist nur wenige Möglichkeiten, den Fehler noch geradezubiegen. Medienneutrale Daten hingegen bieten der Druckerei die Chance, die Farben für den jeweiligen Druckprozess optimal zu konvertieren und damit die Kontrolle über die (Farb-)Qualität zu bekommen. Es wäre dumm, diese Chance nicht zu nutzen.
In allen moderneren Programmen ist heute eine Farbraumtransformation nach den Vorgaben des International Color Consortium (ICC) der Standard. Eine ICC-Farbraumtransformation vom Quellfarbraum zum Zielfarbraum erfolgt über einen Zwischenfarbraum, den so genannten Profile Connection Space (PCS). Dadurch ist die ICC-Architektur sehr flexibel. Es können beliebige Farbräume zueinander umgewandelt werden. Da der PCS ein dreikanaliger Farbraum ist (in der Regel CIELAB oder CIEXYZ), bekommt man bei einer Umwandlung eines vierkanaligen CMYK-Farbraums einen neuen Schwarzaufbau. Texte und Grafiken mit reinem Schwarz werden durch eine ICC-Transformation in einen Vierfärber umgewandelt. Das gilt auch für reine Farben. Ein reines Rot (C/M/Y/K = 0/100/100/0) wird verschmutzt (1/98/85/5) und aufgerastert. Auch Graustufenbilder werden in 4C umgewandelt. Das ICC-Colormanagement wurde ursprünglich nur für die Umwandlung einzelner Farbbilder konzipiert. Eine Farbumwandlung ganzer Seiten, bestehend aus Bildern, Grafiken und Texten, hat man damals nicht angedacht. Somit fehlen in der ICC-Architektur Instruktionen, um beispielsweise den Schwarzkanal oder reine Farben zu erhalten. Es gibt nicht einmal einen Befehl, ein Objekt (z.B. einen Farbkontrollstreifen) nicht zu konvertieren. Es bleibt nur die Möglichkeit, die entsprechenden Objekte nicht mit einem ICC-Profil zu kennzeichnen (taggen). Dann werden sie nicht automatisch konvertiert. Ein weiteres Problem ist, dass die Tiefenkompensierung nicht offiziell Bestandteil des ICC-Colormanagements ist. Dieser Mechanismus wurde von Adobe nachträglich spezifiziert, um den tiefsten Punkt besser abbilden zu können. Diese Verbesserung ist zwar in den meisten ICC-basierten Farbkonvertierungsprogrammen als Option verfügbar, es gibt jedoch zurzeit keine Möglichkeit, einem Objekt in einer PDF-Datei zu hinterlegen, dass die Tiefenkompensierung zum Einsatz kommen soll. Unter anderen haben die Ghent PDF Workgroup (GWG) und die European Color Initiative (ECI) vor Kurzem einen Antrag bei der ISO zur Erweiterung des PDF-Datenformates (ISO 32000) um einen entsprechenden Parameter eingereicht.
Eine komplett medienneutral definierte PDF-Datei kann heute problematisch sein. Zwar haben viele Colormanagement-Tools Funktionen, um diese Probleme zu lösen, aber jedes Programm arbeitet unterschiedlich und die Resultate sind daher nicht vorhersehbar. Deshalb sollte man medienneutrale Farbdefinitionen nur dort anwenden, wo es Sinn macht. Und das sind vor allem Farbbilder im RGB-Farbraum. Diese werden mit einem ICC-Profil getaggt und möglichst spät in den finalen Druckfarbraum konvertiert. Bei den Farbbildern ist eine möglichst gute Konvertierung auch am wichtigsten. Texte, Grafiken und Graustufenbilder sind nicht so kritisch und sollten wie bisher in Geräte-CMYK respektive -Graustufen angelegt und später nicht mehr konvertiert werden. Anstonsten wird das Ergebnis in vielen Fällen unbefriedend sein. Auch bringt es wenig, Bilder, die bereits in CMYK konvertiert wurden, wieder in RGB zurück-zuwandeln.
In einer PDF-Datei sind also geräteunabhängige Objekte (RGB-Bilder mit ICC-Profilen) und geräteabhängige Elemente (Texte, Grafiken, Graustufenbilder und CMYK-Bilder) gemischt. Die geräteabhängigen Farben sind in einer normalen PDF-Datei nicht charakterisiert. Als Abhilfe wurde bei PDF/X die Ausgabebedingung (Output Intent) geschaffen. Deshalb ist die Verwendung von PDF/X bei partiell medienneutralen Dateien zwingend erforderlich.
PDF/X-1a kommt nicht infrage, da dort medienneutrale Farben nicht zugelassen sind. Dafür haben wir seinerzeit speziell PDF/X-3 geschaffen. PDF/X-3 funktioniert auch wunderbar, solange keine Transparenzen im Layout verwendet werden. Denn diese sind bei diesem ISO-Standard nicht erlaubt. Transparente Objekte müssen daher vor dem Erzeugen der PDF/X-3-Datei zusammengerechnet werden. Man nennt diesen Vorgang Transparenzreduktion. Da man nicht Objekte mit unterschiedlichen Farbräumen (z.B. ein transparentes RGB-Bild über einem CMYK-Hintergrund) zusammenrechnen kann, werden die betroffenen Objekte (und bei InDesign sogar die ganze Seite) zuerst in den Transparenzreduktionsfarbraum konvertiert, dabei gehen die medienneutralen Farbdefinitionen verloren.
Aus diesem Grund wurde PDF/X-4 geschaffen, das sowohl Transparenzen als auch medienneutrale Farben zulässt. Die Verarbeitung der Transparenz kann dadurch in der Druckerei erfolgen, wo der finale Druckfarbraum bekannt ist. Dies ist – unabhängig vom medienneutralen Workflow – sowieso das bessere Vorgehen, da bei einer Transparenzreduktion neben dem Ausgabefarbraum auch die tatsächliche Auflösung des Belichters berücksichtigt werden sollte.
In der Ghent PDF Workgroup (www.gwg.org), einem internationalen Zusammenschluss von PDF-Experten, erarbeiten wir zurzeit Spezifikationen für den Einsatz von PDF/X-4 in verschiedenen Druckbereichen. Die neuen Spezifikationen für den medienneutralen Workflow werden RGB-Bilder (mit ICC-Profilen) zulassen und bei RGB-Vektorgrafiken eine Warnung ausgeben. Texte und Graustufenobjekte mit ICC-Profilen sind nicht zugelassen. Damit ist trotz der Einschränkungen der heutigen ICC-Colormanagement-Lösungen ein sicherer Austausch von (partiell) medienneutralen Daten möglich. Die schweizerische Vereinigung PDFX-ready (www.pdfx-ready.ch) wird die Spezifikationen der Ghent PDF Workgroup übernehmen und in bekannter Weise Rezepte, Einstellungsdateien sowie Preflight-Profile für die gängigen Anwendungen veröffentlichen und zur Verfügung stellen.
Medienneutrale PDF/X-Dateien sind natürlich dann äusserst sinnvoll, wenn ein Dokument mit unterschiedlichen Druckbedingungen gedruckt werden soll oder eine Mehrfachverwendung der Daten im Druck und in elektronischen Medien vorgesehen ist, bei der CMYK-Bilder hinderlich sind. Wenn die Bilder nur in CMYK vorliegen, hat man ein Problem. Deshalb ist es eine Todsünde, in Bilddatenbanken CMYK-Bilder abzuspeichern. CMYK-Bilder sind nur dann angesagt, wenn der Schwarzaufbau (z.B. schwarzer Schlagschatten im Bild) wichtig ist. Bei «bunten Bildern» ist eine medienneutrale Speicherung (RGB mit ICC-Profil) viel sinnvoller. Der Entscheid für einen medienneutralen Workflow hängt nicht zuletzt auch vom Know-how der Beteiligten ab. Immer weniger trifft man bei den Druckvorlagenerzeugern auf Farbprofis. Das Farb-Know-how liegt nach wie vor in der Druckvorstufe. Und dort sollte daher auch die Farbraumtransformation durchgeführt werden.
Die Vorteile von medienneutralen Daten liegen auf der Hand. Man bewahrt sich eine grosse Flexibilität in Bezug auf die Wahl des Druckverfahrens und des Papiers. Eine unnötige Zerstörung von Daten (Farbumfang) wird vermieden. Nicht unterschätzt werden darf die Tatsache, dass beim medienneutralen Workflow alle Bilder eines Druckjobs mit den gleichen Einstellungen (z.B. Schwarzaufbau, Gesamtfarbauftrag) separiert werden, was dem Drucker die Arbeit wesentlich erleichtert.
Als Nachteil ist zu erwähnen, dass diese Arbeitsweise für viele Anwender ungewohnt ist. Es ist eine Umstellung oder vielmehr ein Umdenken beim Erzeuger wie auch in der Druckerei notwendig. Die Hardware dafür existiert schon lange. Die Software (inklusive Datenformat) gibt es seit einigen Monaten. Nun fehlt nur noch die Brainware. Die Anwender müssen alte Vorurteile (RGB = böse) über Bord werfen und die gewohnten Trampelpfade verlassen. Dies wird die grösste Herausforderung für die Druckvorstufe in den nächsten Jahren sein.
Am 14. Oktober 2009 führt Stephan Jaeggi in Rümlang ein Seminar zum medienneutralen PDF/X-4-Workflow durch. Die Teilnehmer erfahren dort im Detail, wie die wichtigsten Anwendungen eingestellt werden müssen, damit der medienneutrale Workflow einwandfrei funktioniert.
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