Workflow the next Generation
Die klassischen Workflow-Systeme entwickeln sich immer mehr zur Integrationsplattform der vernetzten Druckerei. JDF und das Internet geben dieser Entwicklung eine Dynamik, der sich künftig kaum ein Druckdienstleister wird entziehen können.
Viel Bewegung in diesen Markt bringt im Moment Adobes PDF Print Engine, die nach der Ankündigung im Frühling 2006 nun den Weg in die Workflow-Lösungen findet. Damit werden endlich – 14 Jahre nach der Einführung des Datenformates – wirklich native PDF-Workflows auf der Basis von Adobes Technologie möglich. Bisher wurden nämlich PDF-Daten in den Adobe-RIP’s zur Ausgabe in Postscript umgewandelt. Da Postscript keine Transparenzen unterstützt, müssen diese verflacht werden. Das heisst: Transparente Elemente werden je nach Komplexität in Vektor- oder Bitmapgrafiken umgerechnet. Dies kann beim Trapping oder beim Farbmanagement zu Problemen führen. Da die Kreativen extensiv von Transparenzeffekten Gebrauch machen, seit die Layoutwerkzeuge Adobe InDesign und QuarkXPress dies unterstützen, wurde der Postscript-Flaschenhals immer mehr zum Problem. Dank der PDF Print Engine können jetzt Farbmanagement und Trapping direkt auf transparente Objekte angewandt werden – eine korrekte Verarbeitung im RIP ist garantiert.
Ein Plus an Produktionssicherheit verspricht die PDF Engine auch deshalb, weil sie auf derselben Technologie basiert wie die Werkzeuge der Adobe Creative Suite. Das heisst, Acrobat 8 Professional rendert ein PDF mit derselben Engine wie das Ausgabe-RIP, womit das Bildschirm-Proof aufgewertet wird. Gewisse mit der Ankündigung der Print Engine versprochene Funktionen eines «Common Renderer» ist Adobe allerdings bis heute schuldig geblieben. Das Softproof in Acrobat erlaubt nämlich nicht eine gerasterte Vorschau, so dass sich zum Beispiel das Trapping nicht wirklich 1:1 überprüfen lässt.
Die Implementierung der Adobe PDF Print Engine stellte die Hersteller von Workflow-Lösungen zum Teil vor grössere Herausforderungen. Viele hatten beispielsweise eigene Trapping-Lösungen implementiert, welche nun durch die entsprechende Funktionalität der PDF Print Engine obsolet werden. Den radikalsten Schnitt macht in dieser Beziehung Fujifilm. Der japanische Anbieter nahm die PDF Print Engine zum Anlass, mit XMF (von Cross Media Workflow) eine von Grund auf neu entwickelte Workflow-Lösung auf den Markt zu bringen.
Die Integration der PDF Print Engine in die gängigen Workflow-Systeme wird auch den neuen PDF/X-Standards zu mehr Akzeptanz verhelfen. Man kann davon ausgehen, dass ein Grossteil der an der drupa 2008 gezeigten Workflow-Systeme PDF/X-4 unterstützen wird. Auch das Konzept eines medienneutralen Workflows, wie ihn schon die Norm PDF/X-3 erlaubt, wird mit den nativen PDF-Workflow-Systemen an Verbreitung gewinnen. Dabei liegen die Bilder und Grafiken in der PDF-Datei im RGB-Farbraum vor und werden erst im RIP in den CMYK-Farbraum der Drucksituation transformiert. Damit gewinnt man mehr Flexibilität bezüglich unterschiedlicher Bedruckstoffe. Eine Anzeige beispielsweise, die in Zeitung und Zeitschrift erscheinen soll, muss somit nicht mehr separat aufbereitet werden.
Der Umstand, dass nun ein Grossteil der Workflow-Systeme ihre Kernfunktionen aus derselben PDF Print Engine von Adobe schöpft, beraubt die Anbieter eines guten Teiles ihrer bisherigen Differenzierungsmöglichkeiten. Diese werden künftig nicht mehr Funktionen wie das bessere Trapping in den Vordergrund stellen, sondern sich mit Zusatzfunktionen und vor allem einer besseren Integration des gesamten Workflows jenseits der Grenzen der Druckvorstufe hervortun wollen.
In der Tat entwickeln sich die ehemaligen Prepress-Workflow-Systeme immer mehr zum integrativen Dreh- und Angelpunkt einer komplett vernetzten Druckerei. Dazu Ursula Voss-Eiden, Marketing Managerin bei Kodaks Graphic Communication Group: «Eine zukunftssichere Workflow-Lösung ist kompatibel zu allen Branchenstandards, die für vernetzte und durchgängig automatisierte Produktionsabläufe – betriebsintern wie auch hinsichtlich der Integration externer Partner – vorausgesetzt werden. Sie ist hinter den Kulissen hoch komplex, lässt sich aber einfach bedienen und bietet ein hohes Mass an Transparenz. Gleichzeitig ist sie modular aufgebaut und lässt sich flexibel um Zusatzkomponenten ergänzen, damit der Workflow unterschiedliche Produktions- bzw. Druckverfahren abdecken und an die individuellen Erfordernisse von Druckbetrieben angepasst werden kann.»
Jörg Bauer, Leiter Produktmanagement Prinect bei Heidelberg legt neben der Integration besonders Gewicht auf die Kostentransparenz: «Die ernst zu nehmenden Systeme basieren auf dem Branchenstandard JDF. Denn der Kunde wünscht sich Offenheit und keine Insellösungen. Diese Systeme sind nicht nur vernetzt im Sinne einer bestehenden Schnittstelle, sondern verfügen über die Möglichkeit, Informationen bidirektional auszutauschen, also zum Beispiel Vor- und vor allem exakte Nachkalkulationen zu erstellen. Die dazu benötigten Daten müssen nur noch einmal ins System eingegeben werden, werden dort zentral verwaltet und sind bei Bedarf jederzeit für alle berechtigten Personen verfügbar. Management und die gesamte Produktion lassen sich in einem einzigen durchgängigen Workflow-System abbilden. Darüber hinaus werden diese Systeme über zunehmend umfangreichere Web-to-Print-, Remote-Proofing- und Archivierungs-Lösungen verfügen.»
Alle Anbieter sind sich einig, dass diese Integration auf dem JDF-Standard – quasi dem XML-Dialekt der grafischen Industrie – basieren soll. Schon zur drupa 2004 war JDF eines der dominierenden Schlagworte, viele sprachen sogar schlichtweg von der JDF-drupa. Seither ist es allerdings wieder ruhiger geworden um dieses Thema. Der Schweizer Prepress-Consultant Stephan Jaeggi ist jedoch überzeugt, dass JDF zur drupa 2008 wieder ganz oben auf der Traktandenliste stehen wird: «Zur drupa 2004 hat man viel über die Möglichkeiten von JDF gesprochen, jetzt müssen die Hersteller beweisen, dass sie JDF in ihre Workflows implementiert haben und dass diese Lösungen in der Praxis funktionieren.»
Nach Jaeggi kann man die Bedeutung von JDF gar nicht hoch genug einschätzen: «JDF bedeutet für unsere Branche die grösste Umwälzung seit der Einführung der beweglichen Lettern durch Gutenberg. Damit wird in der Drucksachenproduktion definitiv der Schritt vom Gewerbe zur Industrie vollzogen. Und dies wird für alle Produktionsschritte und jeden einzelnen Arbeitsplatz weitreichende Konsequenzen haben.»
Jaeggi ist daher überzeugt, dass die Einführung von JDF-basierten Workflows absolute Chefsache ist. «Das grosse Rationalisierungspotenzial löst bei den Betroffenen Unsicherheiten und Ängste aus. Es besteht die Gefahr, dass die Einführung von JDF-Projekten am Widerstand der Betroffenen scheitert.» In der Tat zeigen die vom CIP4-Gremium mit dem CIPPI-Award prämierten Projekte ein enormes Kostenoptimierungspotenzial auf. So konnte der norwegische Druckereibetrieb PDC Tangem mit der Einführung eines durchgängigen JDF-Workflows auf fünf Jahre gerechnet einen ROI (Return of Investment) von über 1800 Prozent erzielen. Das heisst, die Investition amortisiert sich in diesem Zeitraum 18 Mal! Per JDF verknüpft wurden in diesem Projekt sechs Offsetdruckmaschinen und drei Falzmaschinen mit dem Prepress-Workflow und dem MIS-System. Die Produktivität stieg dabei bei den Offsetdruckmaschinen um 25 Prozent und bei den Falzmaschinen um 15 Prozent.
Zusätzliche Dynamik in die Workflows bringt das Internet als Prozessoptimierungsplattform für die Drucksachenproduktion. Vistaprint als weltweit grösste Online-Druckerei macht vor, was heute bei industrialisierter Drucksachenproduktion möglich ist. Weit über 20000 Druckaufträge werden an den zwei Druckstandorten in Kanada und Holland täglich abgewickelt. Die im Sekundentakt eingehenden Druckjobs werden im Rechenzentrum auf den Bermudas verarbeitet und innerhalb von Minuten zu Sammelformen aufgefüllt. Auf einer Druckplatte finden so entweder 142 Visitenkarten, 52 Postkarten oder 9 Briefbögen Platz. Vom Ausschiessen über den Druck bis zum Versand und Fakturierung ist alles im höchsten Masse automatisiert.
Der Preisdruck, welcher von den Online-Printshops und deren Druckfabriken ausgeht, wird auch die kleineren Druckbetriebe zur Automatisierung ihrer Workflows zwingen. Dabei wird speziell die Einbindung des Kunden an Bedeutung gewinnen. Auch hier sind die Drucksachen-Webshops wegweisend. Neben der Automatisierung der Produktionsprozesse sieht man hier eine «Automatisierung» des Kunden: Dieser speist nämlich die digitale Druckvorlage per Upload selbst in den Workflow ein und füllt per Webformular die digitale Lauftasche vollständig aus. Der Trend geht nun auch bei den klassischen Workflow-Systemen in die Richtung, den Kunden per Webbrowser in den Produktionsprozess einzubinden. So erlaubt es Agfas ApogeeX in Verbindung mit Delano schon länger, dass der Kunde per Webbrowser anhand eines Softproofs das Produkt zum Druck gibt, respektive Korrekturen anbringt. Darüber hinaus ist absehbar, dass auch das ERP-System des Kunden per XML/JDF mit dem Workflow-System des Druckdienstleisters kommuniziert. Dies ermöglicht E-Procurement-Abläufe, wie sie heute schon in vielen Industriezweigen Gang und Gäbe sind.
Die Industrialisierung des grafischen Gewerbes lässt sich also nicht aufhalten. Die Druckdienstleister sind gefordert, jetzt die Weichen richtig zu stellen und ihre Workflows für die künftigen Herausforderungen fit zu machen. Denn die Einführung eines integrierten, JDF-basierten Workflows lässt sich nicht so ruckzuck bewerkstelligen wie die Installation einer neuen Druckmaschine oder das Update von einer Version der Creative Suite auf die nächste.