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Die IT treibt die Revolution weiter an

Das Internet, XML und eine Handvoll weiterer Technologien treiben eine neue Revolution voran, welche im Publishing vieles auf den Kopf stellt, aber auch neue Geschäftsfelder mit entsprechenden Chancen eröffnet.

Martin Spaar Die Entwicklung der grafischen Industrie wird seit den ersten Satzsystemen stark von den technischen Fortschritten der Computerindustrie geprägt. So brachten uns die Personal Computer mit grafischer Oberfläche ab 1985 das Desktop Publishing. Die darauf folgende Internet-Revolution etablierte das Web als Konkurrenz zu den Printmedien, zeigte vorerst aber wenig direkte Auswirkung auf das klassische Publishing. Zusammen mit anderen Technologien und Standards wie XML wurde das Internet jedoch zur Keimzelle einer nächsten Publishing-Revolution, welche jedoch im Gegensatz zum Desktop Publishing nicht mit Pauken und Trompeten Einzug hielt. Vielmehr erobern diese neuen Lösungen den Markt schleichend und in verschiedenen Facetten mit unterschiedlichen Bezeichnungen wie Crossmedia oder Single-Source-Publishing, Web-to-Print, Transpromo, variabler Druck etc.

Ende 2008 haben wir vom Publisher als Überbegriff für diese neue, immer rascher voranschreitende Revolution den Begriff Publishing 3.0 geprägt. Der Begriff soll in Analogie zu Web 3.0 für eine neue Ära des Publishing stehen, welche jetzt auf die Satz- und EBV-Systeme der 70er-Jahre (Publishing 1.0 und das Desktop Publishing der 80er- und 90er-Jahre (Publishing 2.0) folgt.

Die neuen Publishing-3.0-Lösungen bringen einen hohen Grad an Automatisierung und lassen sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren:

  • Prozessorientiert: Die bisherigen Workflows funktionieren in der Regel nach dem Prinzip Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe als Einbahnstrasse. Kommt es zu inhaltlichen Änderungen, muss nochmals der ganze Workflow von vorn nach hinten neu aufgerollt werden. Publishing 3.0 basiert dagegen auf Prozessen, welche interaktiv ineinander verzahnt sind und die dynamische Aktualisierung von Inhalten an jeder Stelle des Prozesses ermöglichen.
  • XML-basiert: Bei der oben genannten Interaktion zwischen den einzelnen Prozessen spielt XML als Basis für standardisierte Schnittstellen eine Schlüsselrolle.
  • Datenbankgetrieben: Medieninhalte (Assets) werden in Datenbanken verwaltet und von dort dynamisch in die Publishing-Prozesse eingespiesen.
  • Internetgestützt: Das Internet wird als Prozessoptimierungsplattform für das klassische Publishing genutzt.
  • Kundenzentriert: Der Kunde mit seinen Assets steht im Zentrum der Publishing-Prozesse und kontrolliert diese über intuitive, webbasierte Benutzerschnittstellen.

Statt Heavy Metal gibt der Kunde den Takt an

Publishing 3.0 wird vieles auf den Kopf stellen: Vor allem das Verhältnis zwischen Drucksachen-Auftraggeber und Druckdienstleister. Nicht mehr die Druckerei mit ihrem Heavy Metal gibt den Takt an, sondern der Kunde und Auftraggeber rückt ins Zentrum von hoch automatisierten Publishing-Prozessen. Die Datenbanken seines ERP-Systems sind inhaltliche Quelle für die Produktion von Produkte-Flyern und Katalogen, seine CRM-Datenbank steuert auf einzelne Zielgruppen angepasste Angebote von individualisierten Werbedrucksachen. Bei Jahresberichten und ähnlichen Corporate-Publishing-Projekten hat der Kunde über ein Redaktionssystem bis zuletzt die Hoheit über alle Inhalte. Und Webshops nutzen das Internet als Prozessoptimierungs-Plattform und bieten industriell produzierte Drucksachen zu immer tieferen Preisen an.

Seit unserer ersten Auflistung von IT-getriebenen Publishing-Lösungen im Jahr 2008 sind schon wieder einige neue dazugekommen: Das Prinzip des Cloud-Computing wurde besonders schnell aufgegriffen so zum Beispiel bei der Adobe CS5 mit CS Review (siehe Publisher 1-2011).

Das gleiche gilt für die Tablets: Gleichzeitig mit der Lancierung von Apples iPad konnte etwa Woodwing schon eine fertige Lösung für das Tablet-Publishing präsentieren. Gerade die Tablets werden Publishing-3.0-Lösungen besonders beflügeln. Denn hier geht es um Crossmedia pur, und dies schreit förmlich nach datenbankgestützten Redaktionssystemen. Gerade das Beispiel der Tablets zeigt, dass die IT-getriebenen Innovationen auch für das klassische Publishing neue Chancen bedeuten. Denn hier ist weiterhin das bewährte Know-how des Layouters gefragt, der jetzt einfach neben Print ein zusätzliches Medium bedient.

Auf zwei weitere innovative Lösungsansätze im Bereich Publishing 3.0, welche interessante Perspektiven eröffnen, gehen wir in diesem Schwerpunkt ein. Geert de Vries zeigt in seinem Artikel, wie Papier im Rahmen von Print-to-Web-Lösungen weiterhin seine bewährten Stärken ausspielen kann. Und Günther Schuler erläutert, was hinter dem Prinzip des Crowd­sourcings steckt, welches speziell im Bereich von Design-Aufträgen auf fruchtbaren Boden zu stossen scheint: Beim Portal designenlassen.de sollen pro Ausschreibung durchschnittlich 100 Gestaltungsvorschläge eingehen!

Auf ein schönes Beispiel für eine Geschäftsidee, basierend auf einer Publishing 3.0-Lösungen, sind wir vom Publisher jetzt beim Portal Bildungspool.ch gestossen. Seit längerem können Schulungsanbieter dort ihre Kurse gegen eine jährliche Gebühr ausschreiben. Nun hatte der Betreiber des Portals die Idee, den Anbietern zusätzlich die Möglichkeit zu bieten, diese Kursausschreibungen neben dem Web auch in Printmedien zu veröffentlichen. Bildungspool hat dazu eine einfach nutzbare Web-to-Print-Lösung programmiert, welche wie folgt funktioniert: Zeitschriften wie der Publisher können sich dem Portal anschliessen, die Erscheinungsdaten etc. hinterlegen und einen Preis für eine dreizeilige Kursausschreibung definieren; in unserem Fall sind das 150 Franken. Nun kann beispielsweise Schulungsanbieter A einen InDesign-Workshop für die Veröffentlichung im Publisher hinterlegen, Anbieter B einen Photo​shop-Kurs etc.

Bei Inserateschluss generiert die Lösung automatisch aus allen hinterlegten dreizeiligen Kursausschreibungen ein Sammelinserat und sendet das fertige PDF an den Publisher. Diese Lösung ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Publishing 3.0 die Position von Print gegenüber den neuen Medien wieder stärken kann!

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