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Die Revolution ist l�ngst angerollt, jetzt hat sie einen Namen!

Der Artikel zu Publishing 3.0 im letzten Publisher hat ein breites Echo ausgelöst. Wir haben Reaktionen gesammelt und lassen vier Branchenkenner ausführlicher zu Wort kommen.

Martin Spaar Im Publisher 6-08 vertraten wir die These, dass das Internet, XML und eine Handvoll weiterer Technologien eine neue Publishing-Revolution vorantreiben, welche für die Druckereien tief greifende Konsequenzen haben wird. Statt ihrem Heavy-Metal werde in der neuen Ära des Publishing 3.0 der Kunde mit seinen Datenbanken im Zentrum des Publishing-Geschehens stehen.

Das breite Echo auf diesen Artikel und die dort formulierten Thesen zeigen uns, dass wir damit nur eine Entwicklung mit einem Etikett versehen haben, welche schon vielerorts als solche registriert wurde. So schreibt uns Bernhard Kobel, Leiter Marketing und Unternehmensentwicklung bei der Stämpfli Publikationen AG: «Man kann die drei Phasen (siehe Kasten rechts) auch noch nach der Schnittstelle zwischen Kunde und Dienstleister definieren: Beim Publishing 1.0 waren das Manuskripte/Dias, bei 2.0 zusätzlich Word-Dateien, die mit Copy/Paste übernommen werden, oder Files, die über Leonardo/FTP hin- und hergeschickt werden. Mit Publishing 3.0 sind es verschiedenste Datenquellen und -senken, die miteinander vernetzt sind; eine klare Schnittstelle ist nicht mehr erkennbar. Das verunsichert nicht nur manchen Dienstleister, sondern auch den einen oder anderen Kunden. Hier gangbare, für den Kunden sinnvolle Wege aufzuzeigen, betrachten wir als eine der grössten Herausforderungen.»

Es sind also längst nicht alle Dienstleiter so weit, dass sie ihre Kunden ins neue Publishing-Zeitalter führen könnten. Auch Urs Felber von der A&F Computersysteme AG ist angesichts der Defizite vieler Leute in der Branche nachdenklich gestimmt: «Der Vorstufenbetrieb sollte dem Endkunden erklären, was Publishing 3.0 ist – und nicht umgekehrt!», meint er in seinem Statement.

Dass wir vor einem grossen Umbruch in der Branche stehen, ist auch für Gerhard Märtterrer von der Firma i-clue klar. Er sieht sich darin nicht zuletzt durch seine Beobachtungen in den USA bestärkt. Dort schliessen sich immer mehr Druckdienstleiter Franchising-Ketten an, um von deren zentralen IT-Entwicklungen und Workflows profitieren zu können. Er ist überzeugt, dass dies auch bei uns in Europa greifen wird: «Was bei McDonald’s und Fielmann funktioniert, wird auch die bis dato so selbstzentrierte Druckbranche umkrempeln. Und wenn es nicht die bisherigen Drucker sind, die sich unter den Schirm der Franchisegeber begeben, dann werden es Branchenfremde oder gewiefte Copyshops sein.»

Auch Christophe Muth vom Verband der Schweizer Druckindustrie rechnet mit massiven Umwälzungen in der grafischen Industrie. Er sieht Chancen in Leistungsnetzwerken von «kleinen Gruppen von Unternehmern, die es menschlich miteinander können und die als Early Movers die Zukunft gestalten wollen.» Und für Muth ist klar: Es muss sich etwas in der Berufsbildung bewegen: «In der Grund- und Weiterbildung dürfen wir nicht einfach so tun, als würde in den nächsten zehn Jahren alles beim Alten bleiben. (...) Weiterzufahren wie bisher wäre eine ‹kollektive Misshandlung› der Jugend.»

Die Menschen stellt auch Dieter Herzmann von der Topix AG ins Zentrum, interessanterweise weit vor die Technologie: «Publishing 3.0 und die damit verbundenen Postulate basieren ohne Zweifel auf der bekannten Formel für Erfolg: Es braucht in erster Linie Menschen, in zweiter Linie Organisation und erst in dritter Linie Technik.»

Wir werden im nächsten Publisher die Artikelserie zu Publishing 3.0 fortsetzen und freuen uns auf weitere Inputs aus dem Kreis unserer Leser. Rund um das Thema sind zudem weitere Aktivitäten geplant: Mitte Juni wird ein Praxisreport zum Thema Publishing 3.0 erscheinen, und an der swiss publishing week wird diesem Thema ein ganzer Tag gewidmet.

Was ist Publishing 3.0?

Der Begriff Publishing 3.0 soll in Analogie zu Web 3.0 ausdrücken, dass eine neue Ära des Publishing anbricht. Publishing 1.0 waren die Satz- und EBV-Systeme der 70er-Jahre, Publishing 2.0 war das Desktop-Publishing, welches uns leistungsfähige Technologien und Werkzeuge wie Photoshop, Illustrator, QuarkXpress, InDesign, ICC-Farbmanagement, PDF-Workflows usw. brachte. Mit Publishing 3.0 kommen jetzt neue Publishing-Lösungen, welche einen hohen Grad an Automatisierung und eine massive Effizienzsteigerung erlauben werden. Wir sehen Publishing 3.0 zur Hauptsache durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

Prozessorientiert: Die heutigen Workflows funktionieren in der Regel nach dem Prinzip Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe als Einbahnstrasse. Kommt es zu inhaltlichen Änderungen, muss der ganze Workflow nochmals von vorn nach hinten durchlaufen werden. Publishing 3.0 basiert dagegen auf Prozessen, welche interaktiv ineinander verzahnt sind und die dynamische Aktualisierung von Inhalten an jeder Stelle des Prozesses ermöglichen.
XML-basiert:
Bei der oben genannten Interaktion zwischen den einzelnen Prozessen spielt XML als Basis für standardisierte Schnittstellen eine Schlüsselrolle.
Datenbankgetrieben: Inhalte (Assets) werden in Datenbanken verwaltet und von dort dynamisch in die Publishing-Prozesse eingespeist.
Internetgestützt:
Die Möglichkeiten, das Internet als Prozessoptimierungsplattform für Publishing-Prozesse zu nutzen, werden voll ausgeschöpft.
Kundenzentriert: Beim Publishing 3.0 rückt der Kunde ins Zentrum des Geschehens. Seine Datenbanken speisen die Publishing-Lösungen mit Inhalten, und über webbasierte Benutzerschnittstellen ist er fest in die einzelnen Prozesse eingebunden.
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