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Was bei McDonald's funktioniert, wird auch die Grafische umkrempeln!

In den USA schliessen sich immer mehr Druckdienstleister Franchising-Ketten an, um von deren zentralen IT-Entwicklungen und Workflows profitieren zu können. Gerhard Märtterer von der Firma i-clue ist überzeugt, dass dies auch bei uns in Europa greifen wird: «Und wenn es nicht die bisherigen Drucker sind, die sich unter den Schirm der Franchisegeber begeben, dann werden es Branchenfremde oder gewiefte Copyshops sein.»

Gerhard MÄrtterer DTP baute die hohen Markteintrittsschwellen für Satz und Repro radikal ab. DTP kann sich jeder selbst beibringen. Und PDFs kann heute jeder zuhause, im Büro oder im Copyshop ausdrucken. Die «Schwarze Kunst» ist also keine Kunst mehr!

Ketzerische Frage: Was macht eine Druckerei dann noch einzigartig? Was ist ihr USP? Sie hat kein eigenes Produkt wie ein Verleger. Sie hat keine Sondermaschinen oder Sonderfertigkeiten. Sie druckt mit Maschinen, die jeder kaufen kann, auf den Werkstoff Papier, den jeder kaufen kann. Sie bekommt die Inhalte als Dateien geliefert, die Weltstandard sind. Sie macht nichts Originäres.

Früher, als Drucken noch eine Kunst war, gab es gute und schlechte Drucker. Heute bekommt jedes Farbmanagement automatisch die höchstmögliche Qualität hin. Also ist höchste Qualität heute Standard. Womit kann sich der Drucker dann noch im Wettbewerb abheben, wenn nicht durch Qualität? Mit Schnelligkeit? Nein, denn schneller als on Demand geht es nicht mehr. Bleibt noch die Nische. Aber finden Sie mal für die verbliebenen 11 000 Drucker in Deutschland 11 000 Nischen!

Auch die Verbindung von Internet-Know-how und Drucken ist keine Nische oder Spezialität mehr, sondern schlichtweg eine Selbstverständlichkeit, welche die Kunden fordern.

Läuft also alles auf den Preis als einziges unterscheidendes Merkmal hinaus? Und hat da nicht derjenige den Vorteil, der automatisierte Abläufe im industriellen Stil anbietet? Ja, so ist es: Die Grossen und Fortschrittlichen werden immer grösser und internationaler werden. Die Mittelgrossen werden vom Markt verschwinden oder in ihrer Not Unterschlupf als Franchisenehmer von Printketten suchen. Ich war letztes Jahr auf dem Annual Meeting von AlphaGraphics in Nordamerika. Beeindruckend, wie die ihre 260 lokalen Drucker zu einer grossen Gemeinschaft unter einem globalen Branding und mit Corporate Culture zusammenschweissen. Diese Franchiseketten verkörpern das Prinzip «think globally and act locally». Sie bieten professionelles Wirtschaften und Marketing: vom MIS bis zum Branding über die Website bis zur Geschäftsausstattung. Was bei McDonald's und Fielmann funktioniert, wird auch die bis dato so selbstzentrierte Druckbranche umkrempeln. Und wenn es nicht die bisherigen Drucker sind, die sich unter den Schirm der Franchisegeber begeben, dann werden es Branchenfremde oder gewiefte Copyshops sein. Geschult werden sie vom Franchisegeber. Und wie gesagt: Drucken mit DTP und Digitaldruckmaschinen ist keine Kunst mehr.

Ich prognostiziere Folgendes:

Mittelgrosse Druckereien, die nicht auf eine Nische spezialisiert sind, werden vom Markt verschwinden. Weil sie es nicht schaffen, ihre Kosten für den Aufbau eines industriellen IT- und Print-Workflows und eines Marketings/Brandings kostendeckend auf ihre zu geringen Stückzahlen umzulegen. Auch haben sie eine zu geringe Einkaufsmacht, um bei Papiergrosshändlern und Druckmaschinenhändlern günstig einzukaufen. Das mengendegressive Klickpreissystem der Digitaldruckmaschinen-Hersteller benachteiligt kleine und mittelgrosse Firmen.

Kapitalstarke fortschrittliche Druckereien mit eigener IT können einen industriellen IT- und Print-Workflow aufbauen und finanzieren sowie ihr eigenes MIS und Marketing/Branding professionell entwickeln. Sie werden national und international kapitalschwache Druckereien aufkaufen und diesen ihre eigenen Workflows und Brandings überstülpen. Damit bieten diese Druckereikonzerne der werbetreibenden Grossindustrie weltweit diesselben industrialisierten Standards. Und sie haben eine sehr grosse Einkaufsmacht. Sie verhandeln über Preise nicht mehr mit Händlern und Konzessionären, sondern direkt mit den Druckmaschinen- und Papierherstellern. Sie ersparen sich die Handelsspanne und können hohe mengenvariable Preisnachlässe durchsetzen.

On-Demand-Dienstleister im lokalen Nahbereich, die sich z.B. aus Copyshops weiterentwickeln, werden künftig zu 20 Mitarbeiter starken, flexiblen grafischen Betrieben, welche Internet, DTP, Digitaldruck und einfache buchbinderische Arbeiten im Klein- und Mittelauflagenbereich anbieten. Diese lokalen Dienstleister werden zu weltweit agierenden Franchiseketten gehören. Damit ist ein einheitliches Branding/Marketing und MIS möglich. Durch Verträge mit Gebietsschutz wird der lokale Wettbewerb innerhalb der Kette unterbunden.

Diese Franchiseketten als Summe aller lokalen Printshops haben sehr hohe Einkaufsvolumina, unterhalten einen weltweiten Zentraleinkauf und können Papier- und Maschinenhersteller in direkten Verhandlungen unter Ausschluss des Grosshandels stark unter Druck setzen.

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