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Epizentren der Bildbearbeitung

RAW-Konverter und Bildbearbeitungsprogramm Nikon Capture NX

Epizentren der Bildoptimierung

Die neue Version von Nikon Capture bietet einen innovativen Weg zur Bildoptimierung. Dabei erspart die sogenannte U-Point-Technologie umständliches Maskieren und lässt Korrekturen von einem Kontrollpunkt aus in ausgewählte Bildbereiche fliessen.

MARKUS ZITT Für anspruchsvolle Kamerabenutzer, die das Maximum aus ihren Bilddaten herausholen wollen und dafür meist auf einen RAW-Workflow setzen, gibt es von Nikon seit Jahren das Bildbearbeitungsprogramm Nikon Capture zu kaufen. Zwar liessen sich auch Digitalfotos in den Dateiformaten JPEG und TIFF in den bisherigen Capture-Versionen bearbeiten, doch die meisten Fotografen bevorzugten dann Photoshop und Co. und benutzten Nikon Capture ausschliesslich zur Optimierung und zur Konvertierung von Fotos in Nikons Rohdatendatenformat NEF (Nikon Electronic File).

Die neue Version Capture NX soll nun aber mehr als die beste RAW-Bildbearbeitung für NEF-Dateien sein. Neuartige Optimierungswerkzeuge ermöglichen es, Bildbereiche in einem nichtdestruktiven Bildbearbeitungsprozess wirkungsvoll und schnell zu verbessern. Damit unterscheidet sich Capture NX nicht nur stark von herkömmlichen Bildprogrammen, sondern könnte – im Gegensatz zu früheren Versionen – für weitaus mehr Bildbearbeiter interessant werden. Bei Nikon hofft man denn auch, mit Capture NX nicht mehr nur Nikon-RAW-Fotografen, sondern ebenso andere Digitalfotografen anzusprechen.

Um es vorwegzunehmen. Nikon Capture vermag zwar nicht ein herkömmliches Programm zu ersetzen, könnte aber durchaus für manchen Bildbearbeiter eine nützliche Ergänzung sein. Vom kompletten Funktionsumfang profitieren jedoch nur Besitzer einer Nikon D-SLR.

Gestern bis heute

Die erste Version von Nikon Capture wurde Ende 1999 zusammen mit der legendären Nikon D1 eingeführt, die als erste digitale Spiegelreflex hinsichtlich Preis, Leistung und Handling konkurrenzfähig zu analogen SLRs war. In Version 1 war Nikon Capture noch ein reiner RAW-Konverter, der mit wenigen Mitteln die gezielte Umwandlung der RAW-Dateien in TIFFs und JPEGs ermöglichte. Es gab eine Werkzeugleis­te und die Einstellungen wurden in frei platzierbaren Paletten vorgenommen. Die Möglichkeiten der ersten Version waren noch gering, doch wurde Capture in folgenden Versionen mit vielen Funktionen erweitert. Neben zusätzlichen Bildoptimierungspaletten erhielt Capture in den drei Folgeversionen eine Stapelverarbeitung, ein Kamera-fernbedienungsmodul (Camera Control), eine Anzeige von EXIF-Daten, eine Maske zum Ausfüllen von IPTC-Feldern und vieles mehr.

Die fünfte Generation stellt nun mehr als einen Versionssprung dar, denn Capture NX wurde von Grund auf neu entwickelt. Die einzige unveränderte Komponente ist die bewährte NEF-Engine. Capture NX kommt mit einer gänzlich neuen Oberfläche daher, die einen besseren Überblick über Dateien und Arbeitsschritte ermöglicht, und bringt eine neue Benutzerführung mit, die sich an einem optimalen Arbeitsablauf orientiert.

Die bisherigen Optimierungsfunktio­nen wurden in überarbeiteter Form beibehalten, jedoch bilden nun die neuartigen Kontrollpunktwerkzeuge und die Bearbeitungsliste die Hauptwerkzeuge und -merkmale von Capture. Beide werden weiter hinten detailliert besprochen, deshalb folgt hier nur ein kurzer Einblick in ihre Fähigkeiten und Anwendung.

Die Kontrollpunkte (U-Points) vereinen Selektions- und Bearbeitungswerkzeuge in einem einzigen. Das Arbeiten mit dem Farbkontrollpunkt «fühlt» sich an, als wären der Zauberstab und der Menübefehl «Farbton/Sättigung» aus Photoshop miteinander kombiniert worden, wobei die Wirkung der Kontrollpunkte wie bei Photoshop-Einstell­ebenen stets veränderbar bleibt.

Die Bearbeitungsliste führt nicht nur alle Arbeitsschritte auf, sondern auch die Einstellungen werden dort oder in den ausklappbaren Paletten vorgenommen. Die Schritte oder ihre diversen einzelnen Einstellungen können rückgängig gemacht oder auch nur kurzfristig ausgeblendet werden. So erinnert auch die Bearbeitungslis­te an Photoshop, nämlich an eine Kombination aus Protokollpalette und Einstellebenen.

Da die Bearbeitung in Form von Einstellungsinstruktionen geschieht, ist sie nichtdestruktiv. Erst wenn eine Datei als TIFF und JPEG gesichert wird, sind die Änderungen endgültig. Wird das Foto dagegen im NEF-Format abgespeichert, können Einstellungen später erneut geändert werden. Dies gilt nicht nur für RAW-Fotos, sondern ebenso für Fotos beliebiger Herkunft, die als TIFF oder JPEG vorlagen, dann in Capture geöffnet und schliesslich im NEF-Format gespeichert werden. Geöffnet werden kann so eine nicht native NEF-Datei aber nur von Capture NX. Versuche mit fremden RAW-Programmen wie z.B. dem Adobe Camera Raw-Modul scheiterten. Solange Fotos in Capture bearbeitet werden, geschieht dies übrigens im 16/48-Bit-Modus.

Was in Capture NX leider fehlt, sind punktuelle Retuschewerkzeuge wie Stempel und Reparaturpinsel, um beispielsweise Hautunreinheiten in Porträts zu entfernen. Es sind im Gegensatz zu vielen anderen Bildprogrammen auch keine Montage-, Kreativ- oder Präsentationsfunktionen (Diaschau, HTML-Galerie) vorhanden, die man aber nicht vermissen wird, wenn man Capture als ergänzendes Fotooptimierungs- und nicht etwa als universelles Bildprogramm versteht.

Ausgegliedert aus Capture wurde leider die Kamerafernbedienung. Dieses Modul wird nun als eigenständiges Programm Camera Control Pro separat verkauft. Mit ihm kann vom PC eine per FireWire, USB oder WirelessLAN verbundene SLR-Kamera gesteuert werden, und die Bilder können gleich auf den PC übertragen werden. Dies ist bei Sachaufnahmen in einem Studio oder in einem Forschungslabor sehr praktisch.

Gewandeltes Gewand

Die Benutzeroberfläche von Capture ist in dezentem Hellgrau gehalten, was eine neutrale Farbeinschätzung gegenüber der früheren blauen Oberfläche erleichtert. Wegen der dezenten Farbgebung ist allerdings nicht immer deutlich auszumachen, welche Bedienelemente aktiviert sind und welche nicht. Die Beschriftung und manche Bedienelemente (z.B. Plus- und Minus-Checkbox für Palettenmaximierung) sind recht klein gehalten, was zwar hübsch ausschaut, aber nicht besonders ergonomisch ist.

Die Oberfläche von Capture NX ist in drei Teile gegliedert. Links befinden sich vier ausklappbare Paletten für Dateiübersicht und -informationen, oben unter den Menüs die Werkzeugleiste und rechts drei Paletten für die Bearbeitung. Alle Paletten sind ein- und ausklappbar, können frei platziert und wieder angedockt werden. Einige Einstellungen lassen sich übrigens an zwei Orten vornehmen und sind teilweise nicht exakt gleich benannt, was zumindest anfänglich die Orientierung nicht erleichtert.

Werkzeugleiste: Die Werkzeugleiste ist in einzelne Segmente unterteilt, die über die Funktionstasten (F2 bis F6) ein- und ausgeblendet werden können. Im Segment F2 findet man die «Hand» zum Bewegen des Bildes und eine Vergrösserungslupe. Ein weiteres Segment (F3) enthält Tasten zum Rotieren, Ausrichten an einer gezogenen Linie sowie zum Ausschneiden. Die Werkzeuge zum Setzen von Schwarz-, Weiss- und Neutralkontrollpunkten befinden sich im Segment F4. In F5 werden der Farbkontrollpunkt und jener zum Entfernen von roten Blitzlichtaugen aktiviert. In F6 stehen dann noch vier Werkzeuge bereit, um Auswahlmasken mittels Malpinsel, Lasso, Verlauf oder Füllwerkzeug zu erzeugen.

Infobereich und Browser: Links befinden sich drei vertikale Paletten, die sich wechselnd ausklappen lassen, sowie als vierte übergreifende Palette der Browser. Die unterste Palette «IPTC-Informationen» zeigt eine Maske, um die diversen Angaben zum Bild in die standardisierten Felder zu setzen. Dies lässt sich für ein geöffnetes Bild oder ansonsten für eines oder mehrere im Browser angewählte Fotos erledigen. Schade ist, dass Capture NX nur den alten IPTC-Legacy-Mode und nicht auch den neuen IPTC/XMP-Core zu nutzen scheint.

Die mittlere Palette zeigt die Kameraeinstellungen (EXIF-Daten), die bei der Aufnahme relevant waren. Ist ein RAW-Foto im Editor geöffnet, dann lassen sich die Werte der sieben unteren Felder (Weissabgleich, Kontrast etc.) hier noch ändern.

Die oberste Palette «Dateiverzeichnis» zeigt den Verzeichnisbaum und ermöglicht so die Auswahl eines Ordners, dessen Fotos dann im Browser gezeigt werden. Der Browser kann Fotos als Liste oder Miniaturmatrix darstellen. Die Darstellungs- und Sortiermöglichkeiten des Browsers sind sehr begrenzt und man wünscht sich die Funktionalität der Adobe Bridge. Die Miniaturen können in Schritten skaliert, aber nur nach Dateiname, Datum und Etiketten auf- und abwärts sortiert werden. Bis zu neun verschiedene Farbetiketten darf man vergeben und diese nach Belieben bezeichnen, um etwa Verwendungszweck oder Bearbeitungsstand von Fotos zu signalisieren. Eine zusätzliche Markiermöglichkeit wie die heute übliche Bewertungsfunktion mit Sternen gibt es nicht. Zu Vergleichszwecken können einige Bilder im Browser ein wenig vergrössert werden. Für einen Vergleich bei starker Vergrösserung werden zwei Bilder gemeinsam im Editor geöffnet. Bewegungen mit dem Verschiebewerkzeug und die Vergrösserungslupe sind dann für beide Fotos gekoppelt.

Im Browser werden Bilder aber nicht nur gezeigt, sondern es können gespeicherte Optimierungseinstellungen auf einzelne oder per Stapelverarbeitung auf mehrere Fotos (ausgewählte oder alle im Ordner) angewendet werden. Übers Kontextmenü des Browsers wird zudem das Fenster für die Stapelumbenennung aufgerufen. Diverse sinnvolle Möglichkeiten zur Umbenennung stehen dann zur Auswahl. Beispielsweise kann das EXIF-Aufnahmedatum in die neuen Dateinamen übernommen werden. Leider fehlen Funktionen, um einen Teil des alten Namens wegzuschneiden, oder um bestimmte Zeichen durch andere zu ersetzen.

Bearbeitungsteil: Auf der rechten Seite sind drei Paletten vorhanden. Die standardmässig oben rechts angedockte «Übersicht» entspricht dem Photoshop-Navigator. Unten rechts wird als «Bildinfo» ein Histogramm in den RGB-Farben oder in einem Farbkanal gezeigt. Darunter zeigt ein Messpunkt die lokale Farbzusammensetzung unter dem Cursor. Wie in Photoshop lassen sich bis zu vier Messpunkte frei im Bild platzieren und die Samplegrössen auf 1, 3 oder 5 Pixel festlegen.

Wichtigstes Element in der Oberfläche von Capture NX ist aber die Bearbeitungsliste. In ihr werden alle Arbeitsschritte und die dazu getätigten Einstellungen wie die Schärfungsintensität oder ein gesetzter Kontrollpunkt aufgeführt. Einzelne Arbeitsschritte und ebenso einzelne Einstellungen können gelöscht oder ihre Wirkung aus- und eingeblendet werden. Aktivierte werden durch blaue Häkchen markiert. Mehr zu einigen der Einstellungen im nachfolgenden Abschnitt «RAW-Umwandlung» sowie im Abschnitt «schrittweise Bearbeitung».

Werden Bilder, JPEGs, TIFFs oder native NEFs bzw. RAW-Fotos, nach der Bearbeitung im NEF-Format gespeichert, dann enthalten diese relativ kleinen Dateien neben den Originalbilddaten auch sämtliche gemachten Einstellungen als Instruktionen. Dieses Verfahren macht es auch möglich, etliche verschiedene (Einstell-)Versionen eines Fotos zu erzeugen, ohne mehrere platzraubende Kopien anlegen zu müssen. Ein Porträt kann beispielsweise in Varianten, in Schwarzweiss, in warmen blassen Farben und mit engerem Passbildausschnitt, hinterlegt sein. Nikon hat also die Vorteile einer RAW-Datei in die Bildbearbeitung übernommen.

Mit diesen Einstellungen wissen andere RAW-Programme jedoch nichts anzufangen und greifen stets auf das original RAW-Foto zurück. War das Originalbild ein JPEG oder TIFF, kann die NEF-Datei von Fremdprogrammen – zumindest gegenwärtig – nicht genutzt werden.

Alle Einstellungen lassen sich in der Bearbeitungsliste auch unabhängig von den Bilddaten speichern, um sie später für andere Fotos in der Bearbeitungsliste aufzurufen oder im Browser per Stapelverarbeitung auf andere anzuwenden.

Schrittweise Bildbearbeitung

Mit der Bearbeitungsliste wird die Bild­optimierung in geordnete Bahnen gelenkt.

Als erster unverrückbarer Arbeitsschritt sind die «Grundlegenden Anpassungen» festgelegt, die gleich zahlreiche optimierende Einstellungsmöglichkeiten anbieten. Im Falle eines geöffneten RAW-Fotos werden zusätzlich mehrere Kamera- und RAW-Einstellungen aufgelistet und für Änderungen zur Verfügung gestellt. Mehr dazu im folgenden Abschnitt «RAW-Umwandlung».

Ist ein JPEG oder TIFF geöffnet, dann beschränken sich die «Grundlegenden Anpassungen» auf zwei Kategorien, erstens auf Helligkeits- und Farbanpassungen (Farbabgleich, Farbverstärkung, D-Lighting, LCH-Editor, Tonwertkorrektur und Gradationskurven) sowie zweitens auf Objektivkorrekturen. Letztere ermöglichen lediglich, die typische tonnenförmige Verzeichnung des 10,5-mm-FishEye-Objektivs aufzuheben, so dass daraus eine normale Weitwinkelaufnahme wird. Der aus Capture 4 bekannte Effekt funktioniert zwar gut, doch werden die Randpartien dabei so verzogen und verwischt, dass das Ergebnis nur bedingt brauchbar ausfällt. Für andere Objektive gibt es eine manuelle Korrektur, um tonnen- und auch kissenförmige Verzeichnungen zu korrigieren. Irritierend ist, dass diese im Anpassen-Menü aufgerufen werden muss und nicht standardmässig in der Bearbeitungsliste aufgeführt wird.

Unter den diversen Helligkeits- und Farbanpassungen, die man zur Genüge kennt, ist D-Lighting noch hervorzuheben. Man könnte diese Funktion als digitalen Aufhellblitz bezeichnen, denn sie hellt die dunklen Bildbereiche anhand umliegender Pixel auf und sorgt so auch für differenzierte Zeichnung. Gleiches, jedoch nicht ganz so erfolgreich, kann sie auch mit den hellsten Bildstellen machen.

D-Lighting ist schon länger ein Bestandteil sowohl von Nikon Capture als auch von Nikon Scan (Software für Filmscanner) und ist sogar in neueren Coolpix-Kompaktkameras integriert. In älteren Versionen von Nikon Capture und Nikon Scan hiess D-Lighting DEE (Dynamic Exposure Extender). Besitzer von Photoshop CS2 finden eine solche Funktion unter «Tiefen/Lichter». Grundlage ist jeweils der Retinex-Algorithmus, der vom Polaroid-Gründer Edwin Land entwickelt wurde und an die menschliche Wahrnehmung angelehnt ist.

Mit Hilfe von D-Lighting kann man dem knappen Dynamikumfang von Digitalkameras entgegentreten. Motive mit sehr hellen Bereichen, die bei normaler Belichtung grossflächig «abreissen», werden gezielt unterbelichtet, damit die hellsten Stellen gerade noch Zeichnung aufweisen. In Capture werden dann die dunklen Bildbereiche mit D-Lighting aufgehellt.

Alle anderen Bearbeitungseinstellungen, wie etwa ein Beschnitt und das Setzen eines Kontrollpunktes, werden als weitere Schritte in der Bearbeitungsliste aufgeführt.

RAW-Umwandlung

Das Fotografieren in RAW- bzw. in Nikons NEF-Format eröffnet dem Fotografen die gezielte Einflussnahme auf die Optimierung der Bilddaten. Statt dass die Kamera die Rohdaten nach programmierten Vorgaben in ein Bild umwandelt, kann der Fotograf die für sein Ergebnis optimale Konvertierungseinstellung in Capture selbst steuern. Ausserdem kann er bei NEF-RAWs von einem Sicherheitspuffer profitieren. Ein falscher Weissabgleich und ebenso eine zu reichliche oder zu knappe Belichtung können nachträglich geändert werden. So gesehen, bietet ein RAW-Foto ähnliche Möglichkeiten wie das Negativ zu Zeiten der Analogfotografie.

Um eben diese Vorzüge voll ausnutzen zu können, wurde Capture eingeführt und brillierte schon in früheren Versionen durch einen grossen Funktionsumfang und die hochwertige Umwandlung. Letzteres ist denn auch der Grund, weshalb die RAW-Engine unverändert in Capture NX übernommen wurde.

In der Vergangenheit hatte die Arbeit mit Capture allerdings auch ihre Schattenseiten, denn die RAW-Konvertierung ging vergleichsweise schleppend vor sich. Unglückliche Programmierung einiger Bedienelemente und Probleme mit dem Speicher bremsten zusätzlich. Was die «Langsamkeit» anbelangt, so verlangen RAW-Fotos nun einmal viel Rechenleistung.

Gab es in den letzten Capture-Versionen eine spezifische RAW-Palette, so sind diese in NX unter dem ersten Schritt «Grundlegende Anpassungen» in der Bearbeitungsliste zu finden.

Zu den RAW-spezifischen Eigenschaften (siehe Tabelle «Funktionen und Dateikompatibilität»), die sich in Capture ändern lassen, gehören die folgenden Kameraeinstellungen: der Farbmodus (Farbräume), der Weissabgleich, die Tonwertkorrektur, die Sättigung und die Scharfzeichnung. Diese können übrigens auch in der Palette «Kameraeinstellungen» auf der linken Seite geändert werden. Dann gibt es die eigentlichen RAW-Einstellungen: Belichtungs- und Farbtonkorrektur, Farbmoiré-Reduzierung, Staubentfernung und Korrektur der chromatischen Aberration.

Interessant ist die Belichtungskorrektur, die eine Lichtwertkorrektur von ungefähr 2 EV (Lichtwerte) erlaubt. Gerade bei kritischen Lichtverhältnissen, unter hektischen Aufnahmebeding­ungen oder bei schwierigen Motiven (dunkel, hell, reflektierend) kann die optimale Belichtung schon mal etwas daneben liegen. Dann lässt sich dies hier kompensieren. Erfahrungsgemäss sollte man jedoch nicht über 1,3 gehen.

Die «Staubentfernung» hilft bei dem Problem digitaler SLR-Kameras, dass Staub ins Gehäuse gelangt und auf dem Filter vor dem Chip liegen bleibt. Bis zur Reinigung sind dann in sämtlichen Aufnahmen dunkle, diffuse Schattenpunkte enthalten, die manchmal mehr und manchmal kaum zu sehen sind. Mangels einer kamerainternen Staubentfernung hilft hier die Software weiter. Anhand eines möglichst neuen Referenzbildes kann sie die Staubpunkte lokalisieren und herausrechnen.

Wertvoll ist die Korrektur der chromatischen Aberration. Weil weisses Licht aus farbigem Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen und jeweils eigenem Brechungsindex besteht, kann es im Randbereich eines Bildes zu leichten Unschärfen und zudem an kontrastreichen Kanten zu störenden Farbsäumen (grüne und violette oder gelbe und zyanfarbene) kommen. In Camera Raw muss man sich über die Farbregler an die optimale Einstellung herantasten. In Capture genügt dagegen die Aktivierung der Korrektureinstellung und die Farbsäume verschwinden automatisch. Hier zeigt sich einer der Vorteile, wenn man die Software des Kameraherstellers einsetzt. Nikon kennt schliesslich die Eigenschaften der verwendeten Objektive sehr genau und kann diese Infos neben einer Bildanalyse für die Korrektur heranziehen.

Unter «Objektivanpassungen» wäre die chromatische Aberration eigentlich besser aufgehoben. So gibt es hier neben der bereits besprochenen FishEye-Korrektur nur die «Vignettierungskorrektur» als RAW-spezifischen Eintrag. Hier werden mittels manuellen Reglers Randabschattungen (Vignettierung) von Objektiven korrigierend aufgehellt oder verstärkt.

Kontrollpunkte

Das Highlight von Capture NX ist die Bildoptimierung mittels Kontrollpunkten. Oft führt ja das ganzheitliche Verbessern wie die Anwendung einer Tonwertkorrektur auf das gesamte Bild nicht zu einem optimalen Ergebnis. Stattdessen müssen nur bestimmte Bereiche korrigiert werden. Um Bildbereiche gesondert zu bearbeiten, müssen sie erst umständlich maskiert werden. Nikon Capture NX ermöglicht solche Korrekturen einfach, schnell und dennoch präzise mit intelligenten Kontrollpunkten (U-Points). Die U-Point-Technologie hat Nikon von der US-amerikanischen Firma Nik Software lizenziert, die in Fotografen- und Publi­sherkreisen durch ihre Photoshop-Plug-ins nik Color Efex (imitiert analoge Bildeffekte) und nik Sharpner (zweck­orientierte USM-Einstellungen) bekanntwurde.

Es gibt fünf Arten von Kontrollpunkten: den einfachen für die Rote-Augen-Korrektur, einen neutralen gegen Farbstiche, einen schwarzen und einen weissen sowie den mächtigen Farbkontrollpunkt mit den meis­ten Einstellmöglichkeiten. Im Menü oder in der Werkzeugliste wird das gewünschte Werkzeug aktiviert und danach ein Punkt auf den zu beeinflussenden Bereich im Bild gesetzt. Durch Regler oder Eingabe eines Wertes in die dazugehörige Palette wird die gewünschte Wirkung eingestellt. Die Kontrollpunkte beeinflussen von ihrem «Epizentrum» aus nur ähnliche Bildteile. Dafür wird die Stelle nicht nur auf die vorhandene RGB-Farbe analysiert, sondern es werden zusätzlich Ort, Pixeltextur, Sättigung, Farbtonwert und Helligkeitsverteilung berücksichtigt. Die beeinflussten Bereiche können auch in einer Graustufenansicht als weisse Stellen sichtbar gemacht werden.

Mehrere U-Points können sich ergänzen oder einander entgegenwirken. Man stelle sich als Beispiel die Innenaufnahme eines Büros mit verschiedenen Lichtquellen vor. Wegen der unterschiedlichen Farbtemperatur strahlen sie ihre Umgebung in unterschiedlichen Farben an. Die Neonröhre an der Decke liefert ein grünliches Licht, die Halogenleuchte der Tischlampe leuchtet gelblich, während der Ausblick aus dem Fenster im Hintergrund in kühl bläuliches Tageslicht getaucht ist.

Sowohl der kamerainterne Weissabgleich als auch die Korrekturfunktionen in einem Bildbearbeitungsprogramm berücksichtigen den anteilmässig stärksten Farbstich, oder suchen einen Mittelweg, und werden so das Bild gesamthaft verändern. Durch Setzen mehrerer Neutralkontrollpunkte ist es möglich, jede einzelne Lichtquelle und die von ihr beeinflusste Umgebung zu korrigieren.

Unter den verschiedenen Kontrollpunkttypen bietet der Farbkontrollpunkt die meisten Einstellmöglichkeiten. Solche Punkte werden im Bild platziert, um die Farbe und die Helligkeit in ausgewählten Bildbereichen anzupassen. Im Standardmodus können neben seiner Grösse (Ausbreitung) die Helligkeit, der Kontrast und die Sättigung bestimmt werden. Im erweiterten Modus lassen sich zusätzlich auch Regler für Rot, Grün und Blau sowie den Farbton und die Wärme einblenden und benutzen.

FaZitt

Intensiv wurde Capture NX auf einem MacBook Pro erprobt und lief dort ohne Probleme und sichtbare Bugs. Lediglich bei der Aktualisierung der Bildschirm­darstellung – beispielsweise nach dem Einzoomen und nach manchem Wechsel in der Bearbeitungsliste – kam es immer wieder zu Verzögerungen.

Nikon Capture NX hinterlässt einen guten Eindruck, was das Arbeiten damit anbelangt, auch wenn man sich mehr Tempo wünscht. Die Möglichkeiten der Kontrollpunkte und der Bearbeitungsliste (nichtdestruktiv, mehrere Versio­nen, Wirkungen ein-/ausblenden und übertragen) überzeugen und viele der «alten» Funktionen haben sich schon in den früheren Versionen bewährt. Die Ergebnisse der RAW-Umwandlung fallen generell sehr gut aus.

Alles in allem ist Capture NX in jeder Beziehung die bislang beste Capture-Version und sicherlich auch für viele Digitalfotografen, die nicht mit Nikon fotografieren, eine nähere Betrachtung wert.

Wenn es auch offensichtlich ist, warum Nikon Capture nicht RAW-Dateien fremder Kameras versteht, so wäre aber zumindest die Unterstützung (Lesen und Schreiben) des offenen DNG-Standards wünschenswert und würde die Software erst recht für viele andere RAW-Fotografen attraktiv machen.

Allgemeines zu RAW-Fotos

Digitale Kameras liefern ihre Fotos als gebrauchsfertige und kompakte, jedoch verlustbehaftete JPEGs. Manche bieten zudem TIFF als höherwertige, jedoch speicherhungrige Alternative. Bessere digitale Kameras und generell alle Spiegelreflexmodelle ermöglichen zudem – oder anstelle von TIFF – das Speichern in einem Rohdatenformat, das allgemein als RAW (raw: englisch für roh) bezeichnet wird und dessen Dateigrösse zwischen dem einer JPEG- und einer TIFF-Datei liegt.
Während die vom Fotochip erhaltenen Bilddaten für JPEGs und TIFFs kameraintern aufbereitet werden, enthält eine RAW-Fotodatei diese Daten in unaufbereiteter «roher» Form. Die Aufbereitung erfolgt später bzw. bei Bedarf im PC mit geeigneter Software. Eine entsprechende Software wird stets mit der Kamera mitgeliefert.
Ein RAW-Foto weist gegenüber einem JPEG-Foto eine bessere Qualität (keine Komprimierungsverluste) und einen weitaus grösseren Bearbeitungsspielraum auf. Kameraeinstellungen wie Weissabgleich, gewählter Farbraum, Stärke der Bildschärfung etc. sind den Bilddaten lediglich zugeordnet. Sie können ohne Veränderung der eigentlichen Bilddaten geändert, aber auch jederzeit wieder auf ihre ursprüngliche Werte zurückgesetzt werden. Auch eine fehlerhafte Belichtung lässt sich bei RAW-Fotos noch in gewissem Masse ändern, und zudem ist jeder Farbkanal mindestens mit 12 Bit differenziert.
Das Fotografieren im RAW-Format empfiehlt sich dann, wenn Bedarf und Zeit für eine bestmögliche Bildqualität vorhanden sind bzw. ohnehin eine intensivere Bildbearbeitung geplant ist. Mit ihrem grösseren Spielraum bieten RAWs zudem mehr Sicherheit für Aufnahmen bei schwierigen Lichtverhältnissen (z.B. Gegenlicht, hoher Kontrast, verschiedene Lichtquellen).
Zu den Nachteilen von RAW gehören der grössere Aufwand, sein im Vergleich zu JPEGs höherer Speicherbedarf sowie sein eingeschränkte Kompatibilität. RAWs können ja nur mit bestimmten Bildbearbeitungsprogrammen genutzt und in gebräuchliche «Dateiformate» umgewandelt werden. Das Konvertieren beansprucht eine gewisse Zeit und ist sehr zeitintensiv, wenn alle möglichen Einstellungen (siehe Capture NX) ausgeschöpft werden sollen.
In Analogie zur klassischen, fotochemischen Fotografie könnte man die RAW-Aufbereitung auch als Entwicklung bezeichnen und die RAW-Datei selbst als eine Art digitales Negativ ansehen. Diesen Begriff hat sich inzwischen Adobe für ihr Rohdatenformat, das DNG (Digital Negative), gesichert.
Ursprünglich waren Rohdaten meist mit der Dateiendung «.RAW» gekennzeichnet, weshalb sich RAW als allgemeine Bezeichnung etabliert hat. Die meisten Kamerahersteller verwenden jedoch ein spezifisches Dateikürzel für ihre RAW-Dateien. Im Fall von Nikon ist dies NEF (Nikon Electronic File), bei Canon sind dies CRW (Canon RAW) oder in neueren Kameras CR2 (Canon RAW 2). MRW stand für Minolta RAW, während beispielsweise ORF für Olympus RAW File, SR2 für Sony RAW 2 oder RAF für RAW Fujifilm stehen. Dies macht bereits deutlich, dass jede Kameramarke ihr eigenes Dateiformat verwendet. Tatsächlich sind RAW-Dateien aber sogar modellspezifisch (und können gar nach Firmware-Upgrade variieren). Dies führt zu einer enormen Vielfalt an RAW-Dateien und macht es Software-Firmen noch schwerer, die vielen kameraspezifischen RAW-Varianten zu unterstützen, zumal manche Kamerahersteller mit Infos über ihr RAW-Format eher zurückhaltend umgehen. Man kann sich deshalb leicht vorstellen, dass RAW-Dateien von wenig verbreiteten Kameramodellen oder von vom Markt verschwundenen Kameramarken eines Tages von keiner aktuellen Software geöffnet werden können. Deshalb haben Fotografen eine Organisation (www.openraw.org) ins Leben gerufen, die sich für die Offenlegung von RAW-Formaten und einheitlichen Standards einsetzt.
Adobe hat ihrerseits mit Digital Negative (DNG) einen offenen Standard eingeführt, der die Zukunftssicherheit von Fotorohdaten gewährleisten soll. Mit dem kostenlosen DNG-Konverter (www.adobe.com) oder der Ado­be Camera Raw-Erweiterung zu Photoshop CS2 und Photoshop Elements 3 und 4 können einige RAW-Formate zu DNG-Dateien gewandelt werden. Noch unterstützen aber erst wenige Kamera- und Softwarehersteller das DNG-Format.

Nikon Capture NX

Nikon Capture NX ist ein RAW-Konverter für Nikon NEF-Dateien und nondestruktive Bildoptimierung mit U-Point-Technologie. Capture NX ermöglicht den Im- und Export von JPEG, TIFF und NEF. Unterstützt werden NEF-Dateien aus allen Nikon SLRs sowie aus den Kompaktkameras der Coolpix 5000er- und 8000er-Serien. Die Software läuft auf Windows 2000/XP und Mac OS X ab 10.3.9. Nikon Capture NX ist für 238 Franken erhältlich. Eine Update-Version gibt es nicht, doch erhalten registrierte Besitzer von Capture 4.x, die Capture NX bis zum 31.10.2006 kaufen, eine Rückzahlung von 80 Franken. Eine 30-Tage-Trialversion kann unter www.europe-nikon.com heruntergeladen werden.

Weitere Informationen:
Nikon AG
Tel. 043 277 27 00

www.nikon.ch