Editorial
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Monopoly oder Wettbewerb?
Mit der Creative Suite 2 geht Adobe bezüglich der Integration der einzelnen Programme einen entscheidenden Schritt weiter: Zur schon in der Vorversion eingeführten Version Cue kommt jetzt neu die Adobe Bridge. Diese basiert auf dem Photoshop-Dateibrowser und stellt dessen Funktionen – und vieles mehr – allen Programmen der Suite zur Verfügung. Damit wird die Bridge zur Schaltzentrale des Publishing-Workflows. Adobes offensichtliches Ziel ist es, damit über die Systemplattformen hinweg einen eigenen Publishing-Desktop zu etablieren. Schon heute kann man über diesen nicht nur die Creative Suite bedienen, sondern gleich noch lizenzfreie Fotos kaufen – bei einem von Adobe handverlesenen Kreis von Anbietern.
So nützlich und angenehm diese fürsorgliche Rundumbetreuung für den Anwender auch sein mag, es dürften da und dort auch warnende Stimmen laut werden: Erinnert dieser Griff nach der Kontrolle über den Desktop des Anwenders nicht irgendwie an die Praktiken des Monopolisten aus Redmont; und hat dieser nicht auch mit der absoluten Kontrolle über den PC-Desktop einen Konkurrenten nach dem anderen aus dem Markt gehebelt? Die Adobe Bridge dürfte also Öl in das Feuer jener sein, die in Adobe die künftige Microsoft der Publishing-Industrie sehen.
Wie ist es nun also um die monopolistischen Gelüste Adobes bestellt? In der Vergangenheit hatte Adobe eine sich wohltuend von Microsoft abhebende Geschäftskultur gepflegt. Dies hatte sicher mit der Prägung durch die beiden Gründer John Warnock und Charles Geschke zu tun. Als ursprüngliche Forscher legten diese die ihren Technologien und Produkten zugrunde liegenden Spezifikationen offen. Und als sie dies in einem Fall nicht taten, bei den Type-1-Fonts nämlich, endete das Ganze desaströs: Apple und Microsoft entwickelten Truetype, um nicht für eine proprietäre Schrifttechnologie Lizenzgebühren zahlen zu müssen.
Dieses Bekenntnis zu offenen Standards hat Adobe gezwungen, der Konkurrenz technologisch immer einen Schritt voraus zu sein. Und bis heute hat das bestens funktioniert. Das Beispiel PDF und Acrobat zeigt das exemplarisch: Es gibt unterdessen eine Unzahl PDF-Tools, die zum Teil nur einen Bruchteil der Acrobat-Werkzeuge kosten. Aber offensichtlich ist die bessere Technologie des Originals den Anwendern den Mehrpreis wert. Und Quark hätte in den mehr als zehn Jahren, seit Adobe PDF 1.0 vorstellte, genügend Zeit gehabt, diese Technologie so gut in XPress zu implementieren, dass gar niemand nach einem InDesign verlangt hätte. Adobe zumindest stand solchem nicht im Wege, das taten die Quark-Leute schon selbst &
Zu fragen bleibt, wie es mit Adobe jetzt weitergeht, wo sich Warnock und Geschke altershalber Schritt für Schritt aus der Firma zurückziehen. Bruce Chizen, seit dem Jahr 2000 CEO von Adobe, ist im Gegensatz zu den Gründern ganz der Marketing-getriebene Manager ohne allzu grossen technischen Hintergrund. Er hat seine Sporen in der IT-Branche bei Microsoft abverdient und da könnten Parallelen, wie die Einführung der Software-Aktivierung, schon etwas nachdenklich stimmen.
Doch wir wollen hier nicht ein zu pessimistisches Bild zeichnen. Chizen hat sicher seine Qualitäten, und noch sitzen die beiden Gründer im Verwaltungsrat und machen ihren Einfluss geltend. Und vielleicht ist es diesem zu verdanken, dass seit Januar dieses Jahres mit Shantanu Narayen ein zweiter Mann in der neu geschaffenen Position eines Chief Operating Officer mit am Ruder ist. Narayen stammt aus Südindien und verspricht Chizen vom Profil her ideal zu ergänzen. Er verfügt über Universitätsabschlüsse in den Bereichen Elektronik und Informatik, arbeitete bei Silicon Graphics und Apple und war Mitgründer einer erfolgreichen indischen IT-Startup-Firma. Mit seiner Biografie und seiner Persönlichkeit verkörpert er – speziell auch als Inder an der Spitze einer US-Softwarefirma – ganz das Prinzip der technologischen Führerschaft als Grundlage des geschäftlichen Erfolges. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass bei Adobe die Bereiche Marketing und Technologie nicht aus dem Gleichgewicht geraten und der wettbewerbsorientierte «Spirit» der Gründer erhalten bleibt.
Martin Spaar