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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


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Heftumschl�ge � la carte

Das «Making of» der individualisierten Heftcover unserer Zeitschrift

Heftumschläge à la carte

Seit der letzten Ausgabe erhält jeder Abonnent seinen ganz persönlichen Publisher mit in­­di­vidualisiertem Frontbild und auf ihn abgestimmten Angeboten auf den Umschlagseiten. Wie unser Erfahrungsbericht zeigt, ist die Realisation eines solchen Projektes zwar keine Hexerei, es gilt jedoch, da und dort Neuland zu betreten.

MARTIN SPAAR Die Produktion von individualisierten Drucksachen gehört zu den Paradedisziplinen des Digitaldrucks. Im Rahmen unserer Serie von Digitaldruck-Fallbeispielen haben wir im Publisher schon einige derartige Projekte vorgestellt. Da lag es nahe, dies selbst mit unserer Zeitschrift durchzuspielen: Wir entschieden uns, im Jahr 2005 alle Ausgaben unserer Zeitschrift mit einem digital gedruckten und individualisierten Cover (Heftumschlag) zu produzieren.

Der Start mit der Februar-Ausgabe hatte dann gleich für Furore gesorgt. Das Titelbild zeigte einen Smart mit verschneiter Windschutzscheibe, in die der Vorname des Empfängers geschrieben stand. Noch nie hatten wir derart viele positive Leserreaktionen erhalten wie auf diese Aktion.

In dieser Ausgabe setzen wir – wie Sie als aufmerksamer Leser wohl schon festgestellt haben – diese «Technologiedemo» mit einem zweiteiligen Sujet fort: Sowohl die Samen auf der Frontseite wie auch die Blumen auf der zweiten Umschlagseite sind in Form des Vornamens beziehungsweise Firmennamens des Empfängers angeordnet. Was bei diesem Konzept eines individualisierten Heftcovers weniger offensichtlich ist: Auch die übrigen Umschlagseiten sind auf den einzelnen Empfänger abgestimmt. Je nach Profil des Empfängers finden sich hier unterschiedliche Angebote beziehungsweise Inserate. Wir wollen hier am Beispiel der Februar-Ausgabe zeigen, wie wir dabei vorgegangen sind.

A la carte statt Einheitsbrei

Die Umschlagseiten sind in der Regel die am besten beachteten einer Zeitschrift. Dank individualisiertem Digitaldruck können wir dieses wertvolle Gut nun viel gezielter nutzen. Vorrang haben dabei die Inserenten, die statt der ganzen Ausgabe auch nur die für ihr Angebot am besten passende Zielgruppe belegen können. In der letzten Ausgabe erschien zum Beispiel je ein Inserat für Xeikon- und HP-Indigo-Digitaldrucksysteme nur bei der Zielgruppe Druckereien.

Die nicht mit Inseraten belegten Umschlagseiten nutzen wir für unsere eigenen Angebote. Dabei definieren wir Zielgruppen anhand der Art des Abos. Bei den Probeabonnenten steht der Verkauf eines Abos im Vordergrund. Hier platzierten wir ein Angebot mit attraktiven Begrüssungsgeschenken für Neuabonnenten. Den Empfängern mit einem AboLight machten wir den Umstieg auf ein AboBold ebenfalls mit einer schönen Prämie schmackhaft. Den Empfängern eines AboBold boten wir schliesslich unsere Jubiläums-DVD an, ausser natürlich denen, die diese schon vorher gekauft hatten. Bei diesen nutzten wir die entsprechende Umschlagseite für ein aktuelles Angebot aus unserem Shop.

Insgesamt verteilten wir je nach Kundenprofil neun unterschiedliche Sujets — drei Inserate und sechs Seiten mit eigenen Angeboten — auf die drei Umschlagseiten (siehe Grafik oben).

Gepflegte Abonnenten-Datenbank als Voraussetzung

Wie aus dieser Beschreibung leicht abzuleiten ist, stellt das Datenmanagement die grösste Herausforderung beim individualisierten Digitaldruck dar. Wir kamen dabei schon ganz schön ins Schwitzen, obwohl wir uns hier erst auf der Ebene der Zielgruppenindividualisierung bewegten. Das heisst, wir ordneten alle Heftempfänger einer von neun Zielgruppen mit entsprechenden Angeboten zu. Die Kür des individualisierten Digitaldrucks besteht jedoch bekanntlich darin, dass jeder Empfänger quasi eine eigene Zielgruppe darstellt. Wir werden nun unser diesbezügliches Instrumentarium von Ausgabe zu Ausgabe verfeinern und die Zielgruppen immer feiner gliedern.

Eine Datenquelle dafür ist unser Shop. So könnten wir zum Beispiel alle Leser, die vor mehr als zwei Jahren einen Pantone-Farbfächer bei uns gekauft haben, darauf hinweisen, dass es nun Zeit wäre, einen neuen anzuschaffen, weil der alte nicht mehr 100% farbverbindlich ist ...

Eine offene Frage dabei ist, wie solche individuellen Angebote von unseren Lesern aufgenommen werden. Fühlen sie sich ausspioniert, oder schätzen sie es, zielgerichtete Angebote präsentiert zu bekommen? Wir werden zu diesem Thema ab Mitte Mai unter www.me­diaforum.ch eine Umfrage durchführen und möchten Sie als Leser auffordern, daran teilzunehmen.

Chance für klassische Fachzeitschriften

Wir selbst sind der Meinung, dass der individualisierte Digitaldruck eine Chance darstellt, die Position der klassischen, abonnierten Fachzeitschrift zu stärken. Dies ganz speziell auf dem Anzeigenmarkt, wo die abonnierten Qualitätszeitschriften ihr Terrain einerseits gegen das Internet, andererseits gegen redaktionell weniger anspruchsvolle Zielversand-Titel verteidigen müssen, die mit tieferen 1000er-Kontaktpreisen operieren können. Mit der Individualisierung können die klassischen Fachzeitschriften ihre Trümpfe ausspielen, weil nur sie über einen dafür unabdingbaren, «gepflegten» Abonnentenstamm verfügen.

Das «Making of»

Wie sind wir nun konkret bei der Realisierung dieses Projektes vorgegangen? Basis für die Datenaufbereitung ist unsere Verlagssoftware «AboPlus», mit der wir unsere Abonnentenverwaltung und den Warenhandel (Shop) betreiben. Diese offene Lösung baut auf der Opensource-Datenbank MySQL auf. Auf diese zentrale Datenquelle setzen wir eine selbstgestrickte Marketingdatenbank auf, die Zugriff auf alle für die Individualisierung relevanten Daten bietet. Hier können wir die Adressen der aktuellen Spedition nach Aboart, Branchenzugehörigkeit und vielen anderen Kriterien selektieren. Zudem sehen wir hier, wer wann was über unseren Shop bestellt hat. Über diese Datenbank werden die Excel-Tabellen abgefüllt, die alle Variablen für den individualisierten Druck des Covers enthalten.

Datenaufbereitung in Berlin

Bei der Produktion der Februar-Ausgabe gingen diese Excel-Daten zu der Firma newsign nach Berlin, die die Individualisierungssoftware «Direct­Smile» entwickelt hat. Mit dieser Software lassen sich die individualisierten Bilder erstellen und die ganzen Daten für die variablen Umschlagseiten aufarbeiten (siehe Publisher 1-05, Seite 36). Die so fertig gerippten Daten gingen dann zur AWZ St. Gallen, die die Covers auf ihrer HP Indigo press 3000 druckte. Dabei fiel ein Datenvolumen von immerhin rund 20 GB an, das von Berlin per Eilkurier auf DVDs nach St. Gallen spediert wurde.

Anfang März hat die AWZ St. Gallen die DirectSmile-Software bei sich implementiert, sodass bei dieser Ausgabe mit der Samen-Individualisierung die ganze Datenaufbereitung in St. Gallen gemacht werden konnte. Gedruckt wurden die Covers auf Bögen der Papiersorte Black Label halbmatt von Antalis. Die fertigen Covers wurden dann an die AZ Print in Aarau geliefert, die den ganzen Heftinhalt im konventionellen Bogenoffset-Verfahren druckte. Inhalt und Bögen wurden auf einem Sammelhefter der AZ Print zusammengetragen und geheftet. Da jetzt die Adresse direkt auf der Front eingedruckt ist, erübrigt sich das früher verwendete Deckblatt für die Adressierung. Die Hefte konnten direkt foliert und spediert werden.

Lohnt sich der Mehraufwand?

Das Digitaldruck-Cover bedeutete bei der Produktion der Zeitschrift für uns einen beträchtlichen Mehraufwand. Zudem liegen schon die reinen Druckkosten für den Umschlag bei einer Auflage von 7500 Exemplaren im Digitaldruck markant über denen des Offsetdrucks. Da stellt sich natürlich die Frage nach dem Nutzen einer solchen Aktion. Für eine abschliessende Beurteilung des Erfolges war es bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch zu früh, aber einige klare Trends zeichneten sich doch schon ab.

Hohe Beachtung und willkommene Technologie-Demo

An erster Stelle ist hier die gewaltige Beachtung zu nennen, die wir mit dem personalisierten Smart auf der Frontseite erreichten. Noch nie hatten wir nach Erscheinen einer Ausgabe so viele E-Mails mit Komplimenten erhalten. Den eigenen Namen auf der Frontseite einer Zeitschrift fotorealistisch in ein Bild eingearbeitet zu sehen, das faszinierte auch – oder gerade – unsere technisch versierte Leserschaft. Das Ganze wurde also von unseren Lesern als Technologie-Demo sehr geschätzt. Dies nicht nur bezüglich Individualisierung, sondern auch ganz allgemein in Sachen Digitaldruck. Ein Abonnent aus der Marketingabteilung einer Grossfirma rief uns an und wollte wissen, ob das Cover wirklich digital gedruckt sei. Das personalisierte Bild zeige ihm zwar, dass es so sein müsse, er könne es aber trotzdem fast nicht glauben angesichts der hervorragenden Druckqualität.

Referenz für die Druckqualität der HP Indigo press 3000

Da scheint es also immer noch viele Vorurteile gegenüber der Qualität des Digitaldrucks zu geben, die wir im Laufe des Jahres hoffentlich mit Stumpf und Stiel ausrotten werden! Deshalb sei es hier nochmals in aller Deutlichkeit gesagt: Der Digitaldruck bleibt heute dem klassischen Offsetdruck in Sachen Qualität nichts mehr schuldig. Ganz besonders gilt das für die HP Indigo press 3000 mit ihrem Flüssigtoner-Verfahren. Von dem gegenüber dem Offsetdruck grösseren Farbraum dieses Systems profitiert ganz besonders das «Schweizerrot» unseres Covers. So leuchtend präsentierte sich unsere Front früher im Offsetdruck nie, wobei – das sei fairerweise erwähnt – die höhere Papierqualität einen guten Teil zur Verbesserung beiträgt.

Von der besonderen Beachtung durch das individualisierte Cover profitierte das ganze Heft; auch der Bestelleingang auf die verschiedenen Shop-Angebote im Heft war bei dieser Ausgabe sehr gut. Enttäuschend war einzig der schwache Rücklauf auf eine spezielle Aboaktion für die Druckereien: Hier boten wir für ein Zweijahres-Abo einen Pantone-Farbfächer als Begrüssungsgeschenk. Telefonische Stichproben deuten darauf hin, dass das Angebot zwar Beachtung fand, aber aus verschiedenen Gründen nicht passte. Vor allem deshalb, weil die Druckereien offensichtlich schon gut mit Pantonefächern versorgt sind…

Das Angebot muss stimmen

Es zeigt sich also, dass die alte Marketingregel mit dem Kürzel «AIDA» (Attention, Interest, Desire, Action) auch beim individualisierten Digitaldruck ihre Gültigkeit behält. Die Aufmerksamkeit zu erlangen, ist zwar schon die halbe Miete, wenn aber keine Wünsche geweckt werden können, ist nichts mit «Action», das heisst, die Bestellungen bleiben aus. Wir wiederholen das Angebot in dieser Ausgabe mit anderen Zielgruppen und sind gespannt, was dabei herauskommt. Denn – dies eine weitere Erfahrung, die wir an dieser Stelle gerne weitergeben – die Möglichkeiten des variablen Druckes wecken eine gewisse Experimentierlust im Sinne von «mal sehen, was passiert, wenn ich die Zielgruppe X mit dem Angebot Y anspreche». Und dabei gewinnt man wertvolle Erkenntnisse über die Bedürfnisse seiner Kunden.

Gutes Echo bei den Inserenten

Sehr gut angekommen ist die ganze Aktion auf Anhieb bei unseren Inserenten, die wir schon vor Erscheinen der Februar-Ausgabe mit einem speziellen, ebenfalls individualisierten Flyer auf diese Aktion aufmerksam gemacht hatten. So lag das Inseratevolumen der Ausgabe 1-05 deutlich über dem der entsprechenden Ausgaben der beiden Vorjahre. Auch die Möglichkeit, Inserate je Zielgruppe zu schalten, wurde sehr gut aufgenommen und bereits genutzt.

Fazit und Ausblick

Die Aktion mit den variabel gedruckten Heftcovers hat sich für uns also auf jeden Fall gelohnt. Wir erreichten mit dem Heft gerade auch bei Probeabonnenten eine Aufmerksamkeit wie nie zuvor und konnten dank der neuen Möglichkeiten den Inserate-Umsatz steigern. Wir werden diesen Weg also weiter verfolgen (siehe Kasten unten) und versprechen uns einigen Erfolg damit. Dies umso mehr, als wir in diesem Bereich erst ganz am Anfang stehen und vorerst nur einen Bruchteil der durch die neue Technologie gebotenen Möglichkeiten nutzen.

Das heisst nicht zuletzt, dass wir uns zusätzliches Know-how in ganz neuen Bereichen aneignen müssen. Nachdem wir unterdessen InDesign, Acrobat & Co. ganz ordentlich im Griff haben, heisst es nun, sich bezüglich Datenbanken und den Theorien des 1:1-Marketings fit zu machen!